Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.lichen Kirchenbildern so oft vorkommende h. Jungfrau "im Rosenhag" könnte ebenfalls noch eine dunkele Erinnerung an die germanische Rosen- und Himmelskönigin enthalten. Jedenfalls ist Vieles von der mythologischen Venus Urania und Anadyomene auf die christliche Maria als die Mutter der Liebe, Huld und Gnade, - als die holdseligste der Frauen übertragen worden. Auch das Frohnleichnamsfest der Katholiken, welches für die ganze katholische Christenheit auf den Donnerstag in der vollen Woche nach Pfingsten angeordnet ist, ist insofern wenigstens ein Rosenfest, als der Schmuck der Rosen dabei reichlich angewandt wird und Rosenblätter durch weissgekleidete Mädchen auf den Weg gestreut werden, den der Leib Christi getragen wird. Endlich und noch mehr darf hierher der sinnige Gebrauch der Maurer bezogen werden, in der Trauerloge den Sarcophag mit Blumen zu schmücken, was symbolisch nur andeuten soll, dass der abgeschiedene Bruder nun hinübergegangen sei in den ewigen Blumen- und Rosengarten, in das unverwelkliche Grünland. Wenn die Maurer am Johannisfeste sich die Brust mit der ihnen dargereichten weissen Rose schmücken, sei ihnen dieselbe das warnende Anzeichen, dass bald der Tod nahen werde und dieser sie nicht unvorbereitet überraschen und treffen möge. Die gebrochene Rose ist das tiefergreifende und rührendste Bild von dem plötzlichen Entreissen des Menschen durch den Tod aus der heitern und blühenden Erdenwelt, von der Vergänglichkeit der reichsten und schönsten Güter des, Lebens. Noch vor wenigen Stunden prangten diese Rosen in der vollen Frühlingspracht im Kreise ihrer Schwestern; schon sind dieselben gebrochen, - sterben, wenn auch noch sterbend süss duftend und durch ihren Anblick uns erfreuend, unaufhaltsam dahin, dass bald nur noch die todten Blätter von der schönen Blume zeugen werden und man ihre Stelle nicht mehr kennt. So nahe liegen sich in der Natur und in der menschlichen Welt das reichste Leben und der schnelle Tod; so berühren sich Blühen und Verblühen, Wachsen und Abnehmen, Kommen und Scheiden, Johannes und Christus, Sommer und Winter, Geburt und Grab. Johannes, welchem das maurische Rosenfest geweiht, ist lichen Kirchenbildern so oft vorkommende h. Jungfrau „im Rosenhag“ könnte ebenfalls noch eine dunkele Erinnerung an die germanische Rosen- und Himmelskönigin enthalten. Jedenfalls ist Vieles von der mythologischen Venus Urania und Anadyomene auf die christliche Maria als die Mutter der Liebe, Huld und Gnade, – als die holdseligste der Frauen übertragen worden. Auch das Frohnleichnamsfest der Katholiken, welches für die ganze katholische Christenheit auf den Donnerstag in der vollen Woche nach Pfingsten angeordnet ist, ist insofern wenigstens ein Rosenfest, als der Schmuck der Rosen dabei reichlich angewandt wird und Rosenblätter durch weissgekleidete Mädchen auf den Weg gestreut werden, den der Leib Christi getragen wird. Endlich und noch mehr darf hierher der sinnige Gebrauch der Maurer bezogen werden, in der Trauerloge den Sarcophag mit Blumen zu schmücken, was symbolisch nur andeuten soll, dass der abgeschiedene Bruder nun hinübergegangen sei in den ewigen Blumen- und Rosengarten, in das unverwelkliche Grünland. Wenn die Maurer am Johannisfeste sich die Brust mit der ihnen dargereichten weissen Rose schmücken, sei ihnen dieselbe das warnende Anzeichen, dass bald der Tod nahen werde und dieser sie nicht unvorbereitet überraschen und treffen möge. Die gebrochene Rose ist das tiefergreifende und rührendste Bild von dem plötzlichen Entreissen des Menschen durch den Tod aus der heitern und blühenden Erdenwelt, von der Vergänglichkeit der reichsten und schönsten Güter des, Lebens. Noch vor wenigen Stunden prangten diese Rosen in der vollen Frühlingspracht im Kreise ihrer Schwestern; schon sind dieselben gebrochen, – sterben, wenn auch noch sterbend süss duftend und durch ihren Anblick uns erfreuend, unaufhaltsam dahin, dass bald nur noch die todten Blätter von der schönen Blume zeugen werden und man ihre Stelle nicht mehr kennt. So nahe liegen sich in der Natur und in der menschlichen Welt das reichste Leben und der schnelle Tod; so berühren sich Blühen und Verblühen, Wachsen und Abnehmen, Kommen und Scheiden, Johannes und Christus, Sommer und Winter, Geburt und Grab. Johannes, welchem das maurische Rosenfest geweiht, ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0216" n="200"/> lichen Kirchenbildern so oft vorkommende h. Jungfrau „im Rosenhag“ könnte ebenfalls noch eine dunkele Erinnerung an die germanische Rosen- und Himmelskönigin enthalten. Jedenfalls ist Vieles von der mythologischen Venus Urania und Anadyomene auf die christliche Maria als die Mutter der Liebe, Huld und Gnade, – als die holdseligste der Frauen übertragen worden. Auch das Frohnleichnamsfest der Katholiken, welches für die ganze katholische Christenheit auf den Donnerstag in der vollen Woche nach Pfingsten angeordnet ist, ist insofern wenigstens ein Rosenfest, als der Schmuck der Rosen dabei reichlich angewandt wird und Rosenblätter durch weissgekleidete Mädchen auf den Weg gestreut werden, den der Leib Christi getragen wird. Endlich und noch mehr darf hierher der sinnige Gebrauch der Maurer bezogen werden, in der Trauerloge den Sarcophag mit Blumen zu schmücken, was symbolisch nur andeuten soll, dass der abgeschiedene Bruder nun hinübergegangen sei in den ewigen Blumen- und Rosengarten, in das unverwelkliche Grünland.</p> <p> Wenn die Maurer am Johannisfeste sich die Brust mit der ihnen dargereichten weissen Rose schmücken, sei ihnen dieselbe das warnende Anzeichen, dass bald der Tod nahen werde und dieser sie nicht unvorbereitet überraschen und treffen möge. Die gebrochene Rose ist das tiefergreifende und rührendste Bild von dem plötzlichen Entreissen des Menschen durch den Tod aus der heitern und blühenden Erdenwelt, von der Vergänglichkeit der reichsten und schönsten Güter des, Lebens. Noch vor wenigen Stunden prangten diese Rosen in der vollen Frühlingspracht im Kreise ihrer Schwestern; schon sind dieselben gebrochen, – sterben, wenn auch noch sterbend süss duftend und durch ihren Anblick uns erfreuend, unaufhaltsam dahin, dass bald nur noch die todten Blätter von der schönen Blume zeugen werden und man ihre Stelle nicht mehr kennt. So nahe liegen sich in der Natur und in der menschlichen Welt das reichste Leben und der schnelle Tod; so berühren sich Blühen und Verblühen, Wachsen und Abnehmen, Kommen und Scheiden, Johannes und Christus, Sommer und Winter, Geburt und Grab. Johannes, welchem das maurische Rosenfest geweiht, ist </p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0216]
lichen Kirchenbildern so oft vorkommende h. Jungfrau „im Rosenhag“ könnte ebenfalls noch eine dunkele Erinnerung an die germanische Rosen- und Himmelskönigin enthalten. Jedenfalls ist Vieles von der mythologischen Venus Urania und Anadyomene auf die christliche Maria als die Mutter der Liebe, Huld und Gnade, – als die holdseligste der Frauen übertragen worden. Auch das Frohnleichnamsfest der Katholiken, welches für die ganze katholische Christenheit auf den Donnerstag in der vollen Woche nach Pfingsten angeordnet ist, ist insofern wenigstens ein Rosenfest, als der Schmuck der Rosen dabei reichlich angewandt wird und Rosenblätter durch weissgekleidete Mädchen auf den Weg gestreut werden, den der Leib Christi getragen wird. Endlich und noch mehr darf hierher der sinnige Gebrauch der Maurer bezogen werden, in der Trauerloge den Sarcophag mit Blumen zu schmücken, was symbolisch nur andeuten soll, dass der abgeschiedene Bruder nun hinübergegangen sei in den ewigen Blumen- und Rosengarten, in das unverwelkliche Grünland.
Wenn die Maurer am Johannisfeste sich die Brust mit der ihnen dargereichten weissen Rose schmücken, sei ihnen dieselbe das warnende Anzeichen, dass bald der Tod nahen werde und dieser sie nicht unvorbereitet überraschen und treffen möge. Die gebrochene Rose ist das tiefergreifende und rührendste Bild von dem plötzlichen Entreissen des Menschen durch den Tod aus der heitern und blühenden Erdenwelt, von der Vergänglichkeit der reichsten und schönsten Güter des, Lebens. Noch vor wenigen Stunden prangten diese Rosen in der vollen Frühlingspracht im Kreise ihrer Schwestern; schon sind dieselben gebrochen, – sterben, wenn auch noch sterbend süss duftend und durch ihren Anblick uns erfreuend, unaufhaltsam dahin, dass bald nur noch die todten Blätter von der schönen Blume zeugen werden und man ihre Stelle nicht mehr kennt. So nahe liegen sich in der Natur und in der menschlichen Welt das reichste Leben und der schnelle Tod; so berühren sich Blühen und Verblühen, Wachsen und Abnehmen, Kommen und Scheiden, Johannes und Christus, Sommer und Winter, Geburt und Grab. Johannes, welchem das maurische Rosenfest geweiht, ist
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