und sie zunächst weinten und klagten
und mit ihnen die mitfühlenden Frauen und Schwestern. Die im Alterthum so vielfach erscheinenden
Klageweiber, namentlich in Aegypten, Phönicien, Juda und Syrien, in Griechenland und besonders in
Athen, auf Kypros, zu Rom u. s. w. erklären sich also ganz natürlich. Der wahre und tiefere Inhalt
dieser Todtenklagegesänge ist sehr schön in Psalm 103, 15 und 16 dahin ausgedrückt:
Der Mensch, - wie Gras sind seine Tage, Er blühet wie die Blume des Feldes; Wenn
der Wind über ihn fährt, so in er nicht mehr, Und nicht erkennet ihn mehr sein Ort.
Das Aufsuchen des Hirim bei den Maurern ist durchaus nichts Anderes als das alte klagende
Aufsuchen des Adonis, des Osiris, der Kore u. s. w. und was namentlich in den Mysterien die
Todtenfeier des Osiris gewesen,1) ist
bei den Maurern die Todtenfeier des Hiram, die Meisteraufhahme.
Der oben berührten Sitte der Aegypter und nach ihnen der Römer, bei den Gastmahlen den Maneros
zu singen oder durch Hinweisung auf den Tod zum weisen Genusse des Lebens und der Lebensfreuden zu
ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den
Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen.2) Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde
gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg
nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche,
aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand
bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und
ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden
vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen
1) Brugsch, die Adonisklage, S. 13.
2) Brugsch,
a. a. O., S. 25.
und sie zunächst weinten und klagten
und mit ihnen die mitfühlenden Frauen und Schwestern. Die im Alterthum so vielfach erscheinenden
Klageweiber, namentlich in Aegypten, Phönicien, Juda und Syrien, in Griechenland und besonders in
Athen, auf Kypros, zu Rom u. s. w. erklären sich also ganz natürlich. Der wahre und tiefere Inhalt
dieser Todtenklagegesänge ist sehr schön in Psalm 103, 15 und 16 dahin ausgedrückt:
Der Mensch, – wie Gras sind seine Tage, Er blühet wie die Blume des Feldes; Wenn
der Wind über ihn fährt, so in er nicht mehr, Und nicht erkennet ihn mehr sein Ort.
Das Aufsuchen des Hirim bei den Maurern ist durchaus nichts Anderes als das alte klagende
Aufsuchen des Adonis, des Osiris, der Kore u. s. w. und was namentlich in den Mysterien die
Todtenfeier des Osiris gewesen,1) ist
bei den Maurern die Todtenfeier des Hiram, die Meisteraufhahme.
Der oben berührten Sitte der Aegypter und nach ihnen der Römer, bei den Gastmahlen den Maneros
zu singen oder durch Hinweisung auf den Tod zum weisen Genusse des Lebens und der Lebensfreuden zu
ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den
Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen.2) Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde
gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg
nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche,
aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand
bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und
ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden
vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen
1) Brugsch, die Adonisklage, S. 13.
2) Brugsch,
a. a. O., S. 25.
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und mit ihnen die mitfühlenden Frauen und Schwestern. Die im Alterthum so vielfach erscheinenden
Klageweiber, namentlich in Aegypten, Phönicien, Juda und Syrien, in Griechenland und besonders in
Athen, auf Kypros, zu Rom u. s. w. erklären sich also ganz natürlich. Der wahre und tiefere Inhalt
dieser Todtenklagegesänge ist sehr schön in Psalm 103, 15 und 16 dahin ausgedrückt:</p><citrendition="#et"><quote> Der Mensch, – wie Gras sind seine Tage,<lb/>
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ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den
Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen.<noteplace="foot"n="2)">Brugsch,
a. a. O., S. 25.</note> Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde
gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg
nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche,
aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand
bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und
ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden
vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen
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und sie zunächst weinten und klagten und mit ihnen die mitfühlenden Frauen und Schwestern. Die im Alterthum so vielfach erscheinenden Klageweiber, namentlich in Aegypten, Phönicien, Juda und Syrien, in Griechenland und besonders in Athen, auf Kypros, zu Rom u. s. w. erklären sich also ganz natürlich. Der wahre und tiefere Inhalt dieser Todtenklagegesänge ist sehr schön in Psalm 103, 15 und 16 dahin ausgedrückt:
Der Mensch, – wie Gras sind seine Tage,
Er blühet wie die Blume des Feldes;
Wenn der Wind über ihn fährt, so in er nicht mehr,
Und nicht erkennet ihn mehr sein Ort. Das Aufsuchen des Hirim bei den Maurern ist durchaus nichts Anderes als das alte klagende Aufsuchen des Adonis, des Osiris, der Kore u. s. w. und was namentlich in den Mysterien die Todtenfeier des Osiris gewesen, 1) ist bei den Maurern die Todtenfeier des Hiram, die Meisteraufhahme.
Der oben berührten Sitte der Aegypter und nach ihnen der Römer, bei den Gastmahlen den Maneros zu singen oder durch Hinweisung auf den Tod zum weisen Genusse des Lebens und der Lebensfreuden zu ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen. 2) Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche, aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen
1) Brugsch, die Adonisklage, S. 13.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/107>, abgerufen am 16.07.2024.
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