Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Dennoch darf uns diese Erscheinung an der Richtigkeit derRegel selbst nicht zweifelhaft machen; sie ist vielmehr aus folgenden Gründen zu erklären. Erstlich fand jene Regel ihre vollständige Anwendung nur in Italien, nicht in den Provinzen, in welchen Stadobrigkeiten mit Gerichtsbarkeit gar nicht vorkamen (r); daher konnte hier das Stadtbür- gerrecht keinen Gerichtsstand begründen, anstatt daß der abstracte Begriff des Wohnsitzes auf das Gebiet einer Pro- vinz, also auf die Gerichtsbarkeit des Kaiserlichen Statt- halters derselben, eben so anwendbar war, wie auf das Gebiet einer einzelnen Stadt. Mehrere der angeführten Stellen aber sprechen ausdrücklich nur von den Provin- zen (s), und andere derselben mögen auch davon gesprochen haben, ohne daß es an ihrer gegenwärtigen Gestalt sichtbar ist. -- Zweitens war vielleicht stets für den, welcher in zwei verschiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohn- sitz hatte, die Anwendung des forum originis auf den Fall beschränkt, wenn er sich zufällig in der Stadt aufhielt, wo- rin ihm das Bürgerrecht zustand (t). Selbst aber wenn des Klägers zwischen dem forum domicilii und dem forum con- tractus erwähnt. L. 19 § 4 de jud. (5. 1), L. 1. 2. 3 de reb. auct. jud. (42. 5). (r) Erst spät erhielten hier die Defensoren eine Art von Gerichts- barkeit, die lange Zeit sehr be- schränkt blieb, und erst von Ju- stinian zu etwas mehr Bedeutung erhoben wurde. Savigny Ge- schichte des R. R. im Mittelalter B. 2 § 23. (s) So z. B., unter den in der Note q. angeführten Stellen: L. 19 § 4 de jud. (5. 1), L. 29 § 4 de inoff. (5. 2), Vat. fragm. 326. (t) So war es mit dem forum
originis in der Stadt Rom (§ 352. k.), und es ist vielleicht nur zufällig, daß von einer gleichartigen Vor- Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Dennoch darf uns dieſe Erſcheinung an der Richtigkeit derRegel ſelbſt nicht zweifelhaft machen; ſie iſt vielmehr aus folgenden Gründen zu erklären. Erſtlich fand jene Regel ihre vollſtändige Anwendung nur in Italien, nicht in den Provinzen, in welchen Stadobrigkeiten mit Gerichtsbarkeit gar nicht vorkamen (r); daher konnte hier das Stadtbür- gerrecht keinen Gerichtsſtand begründen, anſtatt daß der abſtracte Begriff des Wohnſitzes auf das Gebiet einer Pro- vinz, alſo auf die Gerichtsbarkeit des Kaiſerlichen Statt- halters derſelben, eben ſo anwendbar war, wie auf das Gebiet einer einzelnen Stadt. Mehrere der angeführten Stellen aber ſprechen ausdrücklich nur von den Provin- zen (s), und andere derſelben mögen auch davon geſprochen haben, ohne daß es an ihrer gegenwärtigen Geſtalt ſichtbar iſt. — Zweitens war vielleicht ſtets für den, welcher in zwei verſchiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohn- ſitz hatte, die Anwendung des forum originis auf den Fall beſchränkt, wenn er ſich zufällig in der Stadt aufhielt, wo- rin ihm das Bürgerrecht zuſtand (t). Selbſt aber wenn des Klägers zwiſchen dem forum domicilii und dem forum con- tractus erwähnt. L. 19 § 4 de jud. (5. 1), L. 1. 2. 3 de reb. auct. jud. (42. 5). (r) Erſt ſpät erhielten hier die Defenſoren eine Art von Gerichts- barkeit, die lange Zeit ſehr be- ſchränkt blieb, und erſt von Ju- ſtinian zu etwas mehr Bedeutung erhoben wurde. Savigny Ge- ſchichte des R. R. im Mittelalter B. 2 § 23. (s) So z. B., unter den in der Note q. angeführten Stellen: L. 19 § 4 de jud. (5. 1), L. 29 § 4 de inoff. (5. 2), Vat. fragm. 326. (t) So war es mit dem forum
originis in der Stadt Rom (§ 352. k.), und es iſt vielleicht nur zufällig, daß von einer gleichartigen Vor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0096" n="74"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/> Dennoch darf uns dieſe Erſcheinung an der Richtigkeit der<lb/> Regel ſelbſt nicht zweifelhaft machen; ſie iſt vielmehr aus<lb/> folgenden Gründen zu erklären. Erſtlich fand jene Regel<lb/> ihre vollſtändige Anwendung nur in Italien, nicht in den<lb/> Provinzen, in welchen Stadobrigkeiten mit Gerichtsbarkeit<lb/> gar nicht vorkamen <note place="foot" n="(r)">Erſt ſpät erhielten hier die<lb/> Defenſoren eine Art von Gerichts-<lb/> barkeit, die lange Zeit ſehr be-<lb/> ſchränkt blieb, und erſt von <hi rendition="#g">Ju-<lb/> ſtinian</hi> zu etwas mehr Bedeutung<lb/> erhoben wurde. <hi rendition="#g">Savigny</hi> Ge-<lb/> ſchichte des R. R. im Mittelalter<lb/> B. 2 § 23.</note>; daher konnte hier das Stadtbür-<lb/> gerrecht keinen Gerichtsſtand begründen, anſtatt daß der<lb/> abſtracte Begriff des Wohnſitzes auf das Gebiet einer Pro-<lb/> vinz, alſo auf die Gerichtsbarkeit des Kaiſerlichen Statt-<lb/> halters derſelben, eben ſo anwendbar war, wie auf das<lb/> Gebiet einer einzelnen Stadt. Mehrere der angeführten<lb/> Stellen aber ſprechen ausdrücklich nur von den Provin-<lb/> zen <note place="foot" n="(s)">So z. B., unter den in der<lb/> Note <hi rendition="#aq">q.</hi> angeführten Stellen:<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 19 § 4 <hi rendition="#i">de jud.</hi> (5. 1), <hi rendition="#i">L.</hi> 29<lb/> § 4 <hi rendition="#i">de inoff.</hi> (5. 2), Vat. fragm.</hi><lb/> 326.</note>, und andere derſelben mögen auch davon geſprochen<lb/> haben, ohne daß es an ihrer gegenwärtigen Geſtalt ſichtbar<lb/> iſt. — Zweitens war vielleicht ſtets für den, welcher in<lb/> zwei verſchiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohn-<lb/> ſitz hatte, die Anwendung des <hi rendition="#aq">forum originis</hi> auf den Fall<lb/> beſchränkt, wenn er ſich zufällig in der Stadt aufhielt, wo-<lb/> rin ihm das Bürgerrecht zuſtand <note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="(t)">So war es mit dem <hi rendition="#aq">forum<lb/> originis</hi> in der Stadt Rom (§ 352. <hi rendition="#aq">k.</hi>),<lb/> und es iſt vielleicht nur zufällig,<lb/> daß von einer gleichartigen Vor-</note>. Selbſt aber wenn<lb/><note xml:id="seg2pn_6_2" prev="#seg2pn_6_1" place="foot" n="(q)">des Klägers zwiſchen dem <hi rendition="#aq">forum<lb/> domicilii</hi> und dem <hi rendition="#aq">forum con-<lb/> tractus</hi> erwähnt. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 19 § 4 <hi rendition="#i">de<lb/> jud.</hi> (5. 1), <hi rendition="#i">L.</hi> 1. 2. 3 <hi rendition="#i">de reb.<lb/> auct. jud.</hi></hi> (42. 5).</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0096]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Dennoch darf uns dieſe Erſcheinung an der Richtigkeit der
Regel ſelbſt nicht zweifelhaft machen; ſie iſt vielmehr aus
folgenden Gründen zu erklären. Erſtlich fand jene Regel
ihre vollſtändige Anwendung nur in Italien, nicht in den
Provinzen, in welchen Stadobrigkeiten mit Gerichtsbarkeit
gar nicht vorkamen (r); daher konnte hier das Stadtbür-
gerrecht keinen Gerichtsſtand begründen, anſtatt daß der
abſtracte Begriff des Wohnſitzes auf das Gebiet einer Pro-
vinz, alſo auf die Gerichtsbarkeit des Kaiſerlichen Statt-
halters derſelben, eben ſo anwendbar war, wie auf das
Gebiet einer einzelnen Stadt. Mehrere der angeführten
Stellen aber ſprechen ausdrücklich nur von den Provin-
zen (s), und andere derſelben mögen auch davon geſprochen
haben, ohne daß es an ihrer gegenwärtigen Geſtalt ſichtbar
iſt. — Zweitens war vielleicht ſtets für den, welcher in
zwei verſchiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohn-
ſitz hatte, die Anwendung des forum originis auf den Fall
beſchränkt, wenn er ſich zufällig in der Stadt aufhielt, wo-
rin ihm das Bürgerrecht zuſtand (t). Selbſt aber wenn
(q)
(r) Erſt ſpät erhielten hier die
Defenſoren eine Art von Gerichts-
barkeit, die lange Zeit ſehr be-
ſchränkt blieb, und erſt von Ju-
ſtinian zu etwas mehr Bedeutung
erhoben wurde. Savigny Ge-
ſchichte des R. R. im Mittelalter
B. 2 § 23.
(s) So z. B., unter den in der
Note q. angeführten Stellen:
L. 19 § 4 de jud. (5. 1), L. 29
§ 4 de inoff. (5. 2), Vat. fragm.
326.
(t) So war es mit dem forum
originis in der Stadt Rom (§ 352. k.),
und es iſt vielleicht nur zufällig,
daß von einer gleichartigen Vor-
(q) des Klägers zwiſchen dem forum
domicilii und dem forum con-
tractus erwähnt. L. 19 § 4 de
jud. (5. 1), L. 1. 2. 3 de reb.
auct. jud. (42. 5).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |