Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. der anderen Seite aber ist es allerdings dem Gesetz einerumbildenden Entwickelung unterworfen, also nicht als ein ruhendes, stillstehendes zu denken (b). Daher können wir unmöglich irgend einem einzelnen Zeitalter die Macht ein- räumen, durch sein eigenthümliches Rechtsbewußtseyn alle künftige Zeiten zu bannen und zu beherrschen. -- Einige Beispiele werden Dieses anschaulich machen. Im ganzen Alterthum wurde der Stand der Sklaven (b) B. 1 § 7. (c) Manche Schriftsteller ha-
ben diesen Gegensatz mitunter da- durch zu verdunkeln oder abzu- schwächen gesucht, daß sie den in neuerer Zeit mit harten Freiheits- strafen verbundenen Zustand ver- glichen haben mit dem oft milden, ja freundlichen Zustand der Skla- ven des Alterthums. Dadurch aber wird das wahre Verhältniß nur entstellt. Um sich den Gegen- satz in seiner Reinheit und Schärfe vor Augen zu halten, muß man zwei Dinge bedenken. Erstlich die Entstehung der Skla- verei durch die Geburt; zweitens die dem Rechte nach ganz gleiche Stellung des Sklaven mit den Hausthieren (Ulpian. XIX. 1), als einer käuflichen Waare. -- Der heutige Sklavenstand im Orient, so wie der ganz verschie- dene in Amerika, kann hier ganz auf sich beruhen. Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. der anderen Seite aber iſt es allerdings dem Geſetz einerumbildenden Entwickelung unterworfen, alſo nicht als ein ruhendes, ſtillſtehendes zu denken (b). Daher können wir unmöglich irgend einem einzelnen Zeitalter die Macht ein- räumen, durch ſein eigenthümliches Rechtsbewußtſeyn alle künftige Zeiten zu bannen und zu beherrſchen. — Einige Beiſpiele werden Dieſes anſchaulich machen. Im ganzen Alterthum wurde der Stand der Sklaven (b) B. 1 § 7. (c) Manche Schriftſteller ha-
ben dieſen Gegenſatz mitunter da- durch zu verdunkeln oder abzu- ſchwächen geſucht, daß ſie den in neuerer Zeit mit harten Freiheits- ſtrafen verbundenen Zuſtand ver- glichen haben mit dem oft milden, ja freundlichen Zuſtand der Skla- ven des Alterthums. Dadurch aber wird das wahre Verhältniß nur entſtellt. Um ſich den Gegen- ſatz in ſeiner Reinheit und Schärfe vor Augen zu halten, muß man zwei Dinge bedenken. Erſtlich die Entſtehung der Skla- verei durch die Geburt; zweitens die dem Rechte nach ganz gleiche Stellung des Sklaven mit den Hausthieren (Ulpian. XIX. 1), als einer käuflichen Waare. — Der heutige Sklavenſtand im Orient, ſo wie der ganz verſchie- dene in Amerika, kann hier ganz auf ſich beruhen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0556" n="534"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Zeitliche Gränzen.</fw><lb/> der anderen Seite aber iſt es allerdings dem Geſetz einer<lb/> umbildenden Entwickelung unterworfen, alſo nicht als ein<lb/> ruhendes, ſtillſtehendes zu denken <note place="foot" n="(b)">B. 1 § 7.</note>. Daher können wir<lb/> unmöglich irgend einem einzelnen Zeitalter die Macht ein-<lb/> räumen, durch ſein eigenthümliches Rechtsbewußtſeyn alle<lb/> künftige Zeiten zu bannen und zu beherrſchen. — Einige<lb/> Beiſpiele werden Dieſes anſchaulich machen.</p><lb/> <p>Im ganzen Alterthum wurde der Stand der Sklaven<lb/> als eine Art von Naturnothwendigkeit betrachtet, und man<lb/> dachte ſich kaum die Möglichkeit, daß ein geſittetes Volk<lb/> ohne einen ſolchen leben könne. Im heutigen chriſtlichen<lb/> Europa wird eben ſo dieſer Stand als völlig unmöglich,<lb/> als allem Rechtsbewußtſeyn durchaus widerſprechend, ge-<lb/> dacht <note place="foot" n="(c)">Manche Schriftſteller ha-<lb/> ben dieſen Gegenſatz mitunter da-<lb/> durch zu verdunkeln oder abzu-<lb/> ſchwächen geſucht, daß ſie den in<lb/> neuerer Zeit mit harten Freiheits-<lb/> ſtrafen verbundenen Zuſtand ver-<lb/> glichen haben mit dem oft milden,<lb/> ja freundlichen Zuſtand der Skla-<lb/> ven des Alterthums. Dadurch<lb/> aber wird das wahre Verhältniß<lb/> nur entſtellt. Um ſich den Gegen-<lb/> ſatz in ſeiner Reinheit und<lb/> Schärfe vor Augen zu halten,<lb/> muß man zwei Dinge bedenken.<lb/> Erſtlich die Entſtehung der Skla-<lb/> verei durch die Geburt; zweitens<lb/> die dem Rechte nach ganz gleiche<lb/> Stellung des Sklaven mit den<lb/> Hausthieren (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Ulpian</hi>. XIX.</hi> 1),<lb/> als einer käuflichen Waare. —<lb/> Der heutige Sklavenſtand im<lb/> Orient, ſo wie der ganz verſchie-<lb/> dene in Amerika, kann hier ganz<lb/> auf ſich beruhen.</note>. Der Uebergang aus dem einen dieſer Zuſtände<lb/> in den andern, in Folge der ſehr allmäligen Einwirkung<lb/> chriſtlicher Sitten und Zuſtände, hat ſich ſo langſam und<lb/> unmerklich gemacht, daß wir das Aufhören des alten Zu-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [534/0556]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
der anderen Seite aber iſt es allerdings dem Geſetz einer
umbildenden Entwickelung unterworfen, alſo nicht als ein
ruhendes, ſtillſtehendes zu denken (b). Daher können wir
unmöglich irgend einem einzelnen Zeitalter die Macht ein-
räumen, durch ſein eigenthümliches Rechtsbewußtſeyn alle
künftige Zeiten zu bannen und zu beherrſchen. — Einige
Beiſpiele werden Dieſes anſchaulich machen.
Im ganzen Alterthum wurde der Stand der Sklaven
als eine Art von Naturnothwendigkeit betrachtet, und man
dachte ſich kaum die Möglichkeit, daß ein geſittetes Volk
ohne einen ſolchen leben könne. Im heutigen chriſtlichen
Europa wird eben ſo dieſer Stand als völlig unmöglich,
als allem Rechtsbewußtſeyn durchaus widerſprechend, ge-
dacht (c). Der Uebergang aus dem einen dieſer Zuſtände
in den andern, in Folge der ſehr allmäligen Einwirkung
chriſtlicher Sitten und Zuſtände, hat ſich ſo langſam und
unmerklich gemacht, daß wir das Aufhören des alten Zu-
(b) B. 1 § 7.
(c) Manche Schriftſteller ha-
ben dieſen Gegenſatz mitunter da-
durch zu verdunkeln oder abzu-
ſchwächen geſucht, daß ſie den in
neuerer Zeit mit harten Freiheits-
ſtrafen verbundenen Zuſtand ver-
glichen haben mit dem oft milden,
ja freundlichen Zuſtand der Skla-
ven des Alterthums. Dadurch
aber wird das wahre Verhältniß
nur entſtellt. Um ſich den Gegen-
ſatz in ſeiner Reinheit und
Schärfe vor Augen zu halten,
muß man zwei Dinge bedenken.
Erſtlich die Entſtehung der Skla-
verei durch die Geburt; zweitens
die dem Rechte nach ganz gleiche
Stellung des Sklaven mit den
Hausthieren (Ulpian. XIX. 1),
als einer käuflichen Waare. —
Der heutige Sklavenſtand im
Orient, ſo wie der ganz verſchie-
dene in Amerika, kann hier ganz
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