verbotenen Zinsen, und der so aufgefaßte vollständige In- halt desselben würde in consequent durchgeführter Fassung etwa so lauten: Es wird hierdurch verboten, künftig eine Leibeigenschaft zu errichten, auch soll diese Vorschrift aus- nahmsweise rückwirkende Kraft haben, so daß sogar auch die jetzt bestehenden Verhältnisse der Leibeigenschaft aufge- hoben seyn sollen. Dadurch wäre eine ganz unnütze Vor- schrift, an die Niemand gedacht hat, als Hauptgedanke an die Spitze gestellt, und es wäre als beiläufige Ausnahme Das hinzugefügt, welches allein der Gesetzgeber dachte und wollte. In den allermeisten Gesetzen solcher Art ist aber sicherlich keine Spur zu finden, die auf den Gedanken einer exceptionellen Rückwirkung gedeutet werden könnte.
Zu diesen Gründen aber kommt noch ein rein praktischer Grund hinzu, der eine solche Behandlung der Sache völlig verwerflich macht. Hätten wir bei solchen Gesetzen mit einer exceptionellen Rückwirkung zu thun, so müßten wir dieselbe auch unter gewisse Einschränkungen stellen (§ 397. f); sie müßte wegfallen, wenn ein Rechtsverhältniß durch Ur- theil oder Vergleich festgestellt wäre. Das würde aber zu der widersinnigen Folge führen, daß die Aufhebung aller Zehenten zwar anzuwenden wäre auf alle stets unbestrittene Zehentrechte, aber nicht auf die Zehenten, worüber einmal ein Rechtsstreit abgeurtheilt oder verglichen wäre. -- Diese widersinnige Folge wollen nun in der That jene Schrift- steller nicht, vielmehr soll nach ihnen eine solche Aufhebung
§. 398. B. Daſeyn der Rechte. — Grundſatz.
verbotenen Zinſen, und der ſo aufgefaßte vollſtändige In- halt deſſelben würde in conſequent durchgeführter Faſſung etwa ſo lauten: Es wird hierdurch verboten, künftig eine Leibeigenſchaft zu errichten, auch ſoll dieſe Vorſchrift aus- nahmsweiſe rückwirkende Kraft haben, ſo daß ſogar auch die jetzt beſtehenden Verhältniſſe der Leibeigenſchaft aufge- hoben ſeyn ſollen. Dadurch wäre eine ganz unnütze Vor- ſchrift, an die Niemand gedacht hat, als Hauptgedanke an die Spitze geſtellt, und es wäre als beiläufige Ausnahme Das hinzugefügt, welches allein der Geſetzgeber dachte und wollte. In den allermeiſten Geſetzen ſolcher Art iſt aber ſicherlich keine Spur zu finden, die auf den Gedanken einer exceptionellen Rückwirkung gedeutet werden könnte.
Zu dieſen Gründen aber kommt noch ein rein praktiſcher Grund hinzu, der eine ſolche Behandlung der Sache völlig verwerflich macht. Hätten wir bei ſolchen Geſetzen mit einer exceptionellen Rückwirkung zu thun, ſo müßten wir dieſelbe auch unter gewiſſe Einſchränkungen ſtellen (§ 397. f); ſie müßte wegfallen, wenn ein Rechtsverhältniß durch Ur- theil oder Vergleich feſtgeſtellt wäre. Das würde aber zu der widerſinnigen Folge führen, daß die Aufhebung aller Zehenten zwar anzuwenden wäre auf alle ſtets unbeſtrittene Zehentrechte, aber nicht auf die Zehenten, worüber einmal ein Rechtsſtreit abgeurtheilt oder verglichen wäre. — Dieſe widerſinnige Folge wollen nun in der That jene Schrift- ſteller nicht, vielmehr ſoll nach ihnen eine ſolche Aufhebung
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§. 398. B. Daſeyn der Rechte. — Grundſatz.
verbotenen Zinſen, und der ſo aufgefaßte vollſtändige In-
halt deſſelben würde in conſequent durchgeführter Faſſung
etwa ſo lauten: Es wird hierdurch verboten, künftig eine
Leibeigenſchaft zu errichten, auch ſoll dieſe Vorſchrift aus-
nahmsweiſe rückwirkende Kraft haben, ſo daß ſogar auch
die jetzt beſtehenden Verhältniſſe der Leibeigenſchaft aufge-
hoben ſeyn ſollen. Dadurch wäre eine ganz unnütze Vor-
ſchrift, an die Niemand gedacht hat, als Hauptgedanke an
die Spitze geſtellt, und es wäre als beiläufige Ausnahme
Das hinzugefügt, welches allein der Geſetzgeber dachte und
wollte. In den allermeiſten Geſetzen ſolcher Art iſt aber
ſicherlich keine Spur zu finden, die auf den Gedanken einer
exceptionellen Rückwirkung gedeutet werden könnte.
Zu dieſen Gründen aber kommt noch ein rein praktiſcher
Grund hinzu, der eine ſolche Behandlung der Sache völlig
verwerflich macht. Hätten wir bei ſolchen Geſetzen mit
einer exceptionellen Rückwirkung zu thun, ſo müßten wir
dieſelbe auch unter gewiſſe Einſchränkungen ſtellen (§ 397. f);
ſie müßte wegfallen, wenn ein Rechtsverhältniß durch Ur-
theil oder Vergleich feſtgeſtellt wäre. Das würde aber zu
der widerſinnigen Folge führen, daß die Aufhebung aller
Zehenten zwar anzuwenden wäre auf alle ſtets unbeſtrittene
Zehentrechte, aber nicht auf die Zehenten, worüber einmal
ein Rechtsſtreit abgeurtheilt oder verglichen wäre. — Dieſe
widerſinnige Folge wollen nun in der That jene Schrift-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/541>, abgerufen am 24.07.2024.
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