Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Auslegung, die dennoch stillschweigend auf einer solchen Voraussetzung beruht (e).
Merkwürdigerweise fügt das Römische Recht für den Fall der erweiternden Ausnahmegesetze eine Einschränkung hinzu, die also als die Ausnahme einer Ausnahme zu be- trachten ist. Die ausnahmsweise vorgeschriebene Rückwir- kung soll nämlich nicht eintreten, wenn das Rechtsverhält- niß, worauf sie bezogen werden könnte, bereits durch Urtheil oder Vergleich entschieden worden ist (judicatum vel trans- actum). Diese Einschränkung ist zwar nirgend als blei- bender, allgemeiner Grundsatz ausgesprochen, sie wird aber in so vielen einzelnen Stellen des Römischen Rechts über- einstimmend wiederholt, daß sie unzweifelhaft als eine von den Römern allgemein anerkannte Regel betrachtet werden muß (f). Sie hat auch einen inneren Grund darin, daß sowohl das Urtheil, als der Vergleich das ursprüngliche Rechtsverhältniß umbildet, so daß nun an die Stelle des Rechtsverhältnisses, worauf sich das neue Gesetz bezog, eigentlich ein anderes getreten ist.
Unter dem Urtheil aber ist hier nicht blos ein rechts- träftiges zu verstehen, sondern, bei noch schwebendem Rechtsstreit, auch schon ein Urtheil erster Instanz, wenn etwa während der Appellationsinstanz das neue Gesetz er-
(e) Ein ganz ähnlicher Tadel ist bereits ausgesprochen worden bei den örtlichen Gränzen der Gesetze § 374. C.
(f)Bergmann S. 138. 146, wo diese Stellen übersichtlich an- gegeben werden.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Auslegung, die dennoch ſtillſchweigend auf einer ſolchen Vorausſetzung beruht (e).
Merkwürdigerweiſe fügt das Römiſche Recht für den Fall der erweiternden Ausnahmegeſetze eine Einſchränkung hinzu, die alſo als die Ausnahme einer Ausnahme zu be- trachten iſt. Die ausnahmsweiſe vorgeſchriebene Rückwir- kung ſoll nämlich nicht eintreten, wenn das Rechtsverhält- niß, worauf ſie bezogen werden könnte, bereits durch Urtheil oder Vergleich entſchieden worden iſt (judicatum vel trans- actum). Dieſe Einſchränkung iſt zwar nirgend als blei- bender, allgemeiner Grundſatz ausgeſprochen, ſie wird aber in ſo vielen einzelnen Stellen des Römiſchen Rechts über- einſtimmend wiederholt, daß ſie unzweifelhaft als eine von den Römern allgemein anerkannte Regel betrachtet werden muß (f). Sie hat auch einen inneren Grund darin, daß ſowohl das Urtheil, als der Vergleich das urſprüngliche Rechtsverhältniß umbildet, ſo daß nun an die Stelle des Rechtsverhältniſſes, worauf ſich das neue Geſetz bezog, eigentlich ein anderes getreten iſt.
Unter dem Urtheil aber iſt hier nicht blos ein rechts- träftiges zu verſtehen, ſondern, bei noch ſchwebendem Rechtsſtreit, auch ſchon ein Urtheil erſter Inſtanz, wenn etwa während der Appellationsinſtanz das neue Geſetz er-
(e) Ein ganz ähnlicher Tadel iſt bereits ausgeſprochen worden bei den örtlichen Gränzen der Geſetze § 374. C.
(f)Bergmann S. 138. 146, wo dieſe Stellen überſichtlich an- gegeben werden.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Auslegung, die dennoch ſtillſchweigend auf einer ſolchen
Vorausſetzung beruht (e).
Merkwürdigerweiſe fügt das Römiſche Recht für den
Fall der erweiternden Ausnahmegeſetze eine Einſchränkung
hinzu, die alſo als die Ausnahme einer Ausnahme zu be-
trachten iſt. Die ausnahmsweiſe vorgeſchriebene Rückwir-
kung ſoll nämlich nicht eintreten, wenn das Rechtsverhält-
niß, worauf ſie bezogen werden könnte, bereits durch Urtheil
oder Vergleich entſchieden worden iſt (judicatum vel trans-
actum). Dieſe Einſchränkung iſt zwar nirgend als blei-
bender, allgemeiner Grundſatz ausgeſprochen, ſie wird aber
in ſo vielen einzelnen Stellen des Römiſchen Rechts über-
einſtimmend wiederholt, daß ſie unzweifelhaft als eine von
den Römern allgemein anerkannte Regel betrachtet werden
muß (f). Sie hat auch einen inneren Grund darin, daß
ſowohl das Urtheil, als der Vergleich das urſprüngliche
Rechtsverhältniß umbildet, ſo daß nun an die Stelle des
Rechtsverhältniſſes, worauf ſich das neue Geſetz bezog,
eigentlich ein anderes getreten iſt.
Unter dem Urtheil aber iſt hier nicht blos ein rechts-
träftiges zu verſtehen, ſondern, bei noch ſchwebendem
Rechtsſtreit, auch ſchon ein Urtheil erſter Inſtanz, wenn
etwa während der Appellationsinſtanz das neue Geſetz er-
(e) Ein ganz ähnlicher Tadel
iſt bereits ausgeſprochen worden
bei den örtlichen Gränzen der
Geſetze § 374. C.
(f) Bergmann S. 138. 146,
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/532>, abgerufen am 22.11.2024.
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