Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.§. 396. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. V. Familienrecht. einem anderen Standpunkt aus die Sache betrachten. DieEhe ist ein Rechtsverhältuiß zwischen zwei unabhängigen, selbstständigen Personen, durch deren freie Willkür, durch Vertrag, gebildet. Die väterliche Gewalt entsteht dagegen durch die Geburt des Kindes, also durch ein bloßes Natur- ereigniß, auf die unfreiwilligste Weise. Dabei kann von einem fortwirkenden Willen, von einer vertragsmäßigen Feststellung der Rechtsverhältnisse, nicht die Rede seyn. Was nun hier von den durch den äußersten Gegensatz Die hier aufgestellten Regeln werden nicht blos (u) Weber S. 86. Rein-
hardt zu Glück B. 1 S. 11. -- Man könnte glauben, Dieses wi- derspreche nach R. R. der Natur des Nießbrauchs, welcher, einmal erworben, bis zum Tode des Nieß- brauchers fortdauere. Allein die- ser, auf dem Familienverhältniß beruhende, Nießbrauch hat eine andere Natur, auch schon nach R. R., welches dem emancipirenden Vater, als besondere Belohnung der Emancipation, den fortdauern- den Nießbrauch an der Hälfte des Vermögens gestattet. L. 6 § 3 C. de bon. quae lib. (6. 61). §. 396. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. V. Familienrecht. einem anderen Standpunkt aus die Sache betrachten. DieEhe iſt ein Rechtsverhältuiß zwiſchen zwei unabhängigen, ſelbſtſtändigen Perſonen, durch deren freie Willkür, durch Vertrag, gebildet. Die väterliche Gewalt entſteht dagegen durch die Geburt des Kindes, alſo durch ein bloßes Natur- ereigniß, auf die unfreiwilligſte Weiſe. Dabei kann von einem fortwirkenden Willen, von einer vertragsmäßigen Feſtſtellung der Rechtsverhältniſſe, nicht die Rede ſeyn. Was nun hier von den durch den äußerſten Gegenſatz Die hier aufgeſtellten Regeln werden nicht blos (u) Weber S. 86. Rein-
hardt zu Glück B. 1 S. 11. — Man könnte glauben, Dieſes wi- derſpreche nach R. R. der Natur des Nießbrauchs, welcher, einmal erworben, bis zum Tode des Nieß- brauchers fortdauere. Allein die- ſer, auf dem Familienverhältniß beruhende, Nießbrauch hat eine andere Natur, auch ſchon nach R. R., welches dem emancipirenden Vater, als beſondere Belohnung der Emancipation, den fortdauern- den Nießbrauch an der Hälfte des Vermögens geſtattet. L. 6 § 3 C. de bon. quae lib. (6. 61). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0525" n="503"/><fw place="top" type="header">§. 396. <hi rendition="#aq">A.</hi> Erwerb der Rechte. Anwendungen. <hi rendition="#aq">V.</hi> Familienrecht.</fw><lb/> einem anderen Standpunkt aus die Sache betrachten. Die<lb/> Ehe iſt ein Rechtsverhältuiß zwiſchen zwei unabhängigen,<lb/> ſelbſtſtändigen Perſonen, durch deren freie Willkür, durch<lb/> Vertrag, gebildet. Die väterliche Gewalt entſteht dagegen<lb/> durch die Geburt des Kindes, alſo durch ein bloßes Natur-<lb/> ereigniß, auf die unfreiwilligſte Weiſe. Dabei kann von<lb/> einem fortwirkenden Willen, von einer vertragsmäßigen<lb/> Feſtſtellung der Rechtsverhältniſſe, nicht die Rede ſeyn.</p><lb/> <p>Was nun hier von den durch den äußerſten Gegenſatz<lb/> eingreifenden neuen Geſetzen geſagt worden iſt, muß eben<lb/> ſo auf die geringeren geſetzlichen Abänderungen angewendet<lb/> werden, da jene und dieſe Geſetze nur im Grade der Ein-<lb/> wirkung verſchieden, in der inneren Natur aber gleichartig<lb/> ſind. Wenn alſo ein neues Geſetz den väterlichen Nieß-<lb/> brauch am Vermögen der Kinder einführt oder aufhebt,<lb/> oder auf längere oder kürzere Lebensjahre des Kindes vor-<lb/> ſchreibt, ſo muß daſſelbe ſogleich zur Anwendung kommen,<lb/> auch an dem ſchon vorhandenen Vermögen der jetzt leben-<lb/> den Kinder <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#g">Weber</hi> S. 86. <hi rendition="#g">Rein-<lb/> hardt</hi> zu Glück B. 1 S. 11. —<lb/> Man könnte glauben, Dieſes wi-<lb/> derſpreche nach R. R. der Natur<lb/> des Nießbrauchs, welcher, einmal<lb/> erworben, bis zum Tode des Nieß-<lb/> brauchers fortdauere. Allein die-<lb/> ſer, auf dem Familienverhältniß<lb/> beruhende, Nießbrauch hat eine<lb/> andere Natur, auch ſchon nach R.<lb/> R., welches dem emancipirenden<lb/> Vater, als beſondere <hi rendition="#g">Belohnung</hi><lb/> der Emancipation, den fortdauern-<lb/> den Nießbrauch an der <hi rendition="#g">Hälfte</hi><lb/> des Vermögens geſtattet. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 6 § 3<lb/><hi rendition="#i">C. de bon. quae lib.</hi></hi> (6. 61).</note>.</p><lb/> <p>Die hier aufgeſtellten Regeln werden nicht blos<lb/> von Schriftſtellern anerkannt, ſondern auch in neueren<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [503/0525]
§. 396. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. V. Familienrecht.
einem anderen Standpunkt aus die Sache betrachten. Die
Ehe iſt ein Rechtsverhältuiß zwiſchen zwei unabhängigen,
ſelbſtſtändigen Perſonen, durch deren freie Willkür, durch
Vertrag, gebildet. Die väterliche Gewalt entſteht dagegen
durch die Geburt des Kindes, alſo durch ein bloßes Natur-
ereigniß, auf die unfreiwilligſte Weiſe. Dabei kann von
einem fortwirkenden Willen, von einer vertragsmäßigen
Feſtſtellung der Rechtsverhältniſſe, nicht die Rede ſeyn.
Was nun hier von den durch den äußerſten Gegenſatz
eingreifenden neuen Geſetzen geſagt worden iſt, muß eben
ſo auf die geringeren geſetzlichen Abänderungen angewendet
werden, da jene und dieſe Geſetze nur im Grade der Ein-
wirkung verſchieden, in der inneren Natur aber gleichartig
ſind. Wenn alſo ein neues Geſetz den väterlichen Nieß-
brauch am Vermögen der Kinder einführt oder aufhebt,
oder auf längere oder kürzere Lebensjahre des Kindes vor-
ſchreibt, ſo muß daſſelbe ſogleich zur Anwendung kommen,
auch an dem ſchon vorhandenen Vermögen der jetzt leben-
den Kinder (u).
Die hier aufgeſtellten Regeln werden nicht blos
von Schriftſtellern anerkannt, ſondern auch in neueren
(u) Weber S. 86. Rein-
hardt zu Glück B. 1 S. 11. —
Man könnte glauben, Dieſes wi-
derſpreche nach R. R. der Natur
des Nießbrauchs, welcher, einmal
erworben, bis zum Tode des Nieß-
brauchers fortdauere. Allein die-
ſer, auf dem Familienverhältniß
beruhende, Nießbrauch hat eine
andere Natur, auch ſchon nach R.
R., welches dem emancipirenden
Vater, als beſondere Belohnung
der Emancipation, den fortdauern-
den Nießbrauch an der Hälfte
des Vermögens geſtattet. L. 6 § 3
C. de bon. quae lib. (6. 61).
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