§. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Forts.)
Die hier aufgestellte Regel wird bestätigt durch folgende transitorische Vorschriften.
Ein Gesetz von K. ValentinianII. hatte den blos cognatischen Descendenten ein Intestaterbrecht auf drei Vier- theile des Vermögens ihrer Ascendenten gegeben, so daß die concurrirenden Agnaten nur Ein Viertheil erhalten sollten (i). Justinian erklärte die Descendenten in dieser Concurrenz für ausschließende Erben, also für frei von der Abgabe des einen Viertheils an die Agnaten (k). Er fügte aber folgende Worte hinzu: Quod tantum in futuris, non etiam praeteritis negotiis, servari decernimus.
Diese Worte werden gewiß am einfachsten von einem künftigen Erbanfall verstanden, so daß dieser, und nicht der Antritt der Erbschaft, als futurum negotium bezeichnet wird. Daß aber Dieses in der That im Sinn des Gesetz- gebers lag, folgt unwidersprechlich aus den unmittelbar vorhergehenden Worten: "sed descendentes soli ad mortui successionen vocentur", woraus erhellt, daß die Berufung zur Erbschaft, also die Delation, der Gegenstand war, worüber der Gesetzgeber verfügen wollte, in sofern diese Berufung nicht unter die praeterita negotia gehöre, worauf das Gesetz nicht einwirken solle.
(i)L. 4 C. Th. de leg. hered. (5. 1), § 16 J. de her. quae ab int. (3. 1).
(k)L. 12 C. de suis (6. 55).
§. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
Die hier aufgeſtellte Regel wird beſtätigt durch folgende tranſitoriſche Vorſchriften.
Ein Geſetz von K. ValentinianII. hatte den blos cognatiſchen Deſcendenten ein Inteſtaterbrecht auf drei Vier- theile des Vermögens ihrer Aſcendenten gegeben, ſo daß die concurrirenden Agnaten nur Ein Viertheil erhalten ſollten (i). Juſtinian erklärte die Deſcendenten in dieſer Concurrenz für ausſchließende Erben, alſo für frei von der Abgabe des einen Viertheils an die Agnaten (k). Er fügte aber folgende Worte hinzu: Quod tantum in futuris, non etiam praeteritis negotiis, servari decernimus.
Dieſe Worte werden gewiß am einfachſten von einem künftigen Erbanfall verſtanden, ſo daß dieſer, und nicht der Antritt der Erbſchaft, als futurum negotium bezeichnet wird. Daß aber Dieſes in der That im Sinn des Geſetz- gebers lag, folgt unwiderſprechlich aus den unmittelbar vorhergehenden Worten: „sed descendentes soli ad mortui successionen vocentur“, woraus erhellt, daß die Berufung zur Erbſchaft, alſo die Delation, der Gegenſtand war, worüber der Geſetzgeber verfügen wollte, in ſofern dieſe Berufung nicht unter die praeterita negotia gehöre, worauf das Geſetz nicht einwirken ſolle.
(i)L. 4 C. Th. de leg. hered. (5. 1), § 16 J. de her. quae ab int. (3. 1).
(k)L. 12 C. de suis (6. 55).
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§. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
Die hier aufgeſtellte Regel wird beſtätigt durch folgende
tranſitoriſche Vorſchriften.
Ein Geſetz von K. Valentinian II. hatte den blos
cognatiſchen Deſcendenten ein Inteſtaterbrecht auf drei Vier-
theile des Vermögens ihrer Aſcendenten gegeben, ſo daß
die concurrirenden Agnaten nur Ein Viertheil erhalten
ſollten (i). Juſtinian erklärte die Deſcendenten in dieſer
Concurrenz für ausſchließende Erben, alſo für frei von der
Abgabe des einen Viertheils an die Agnaten (k). Er
fügte aber folgende Worte hinzu:
Quod tantum in futuris, non etiam praeteritis
negotiis, servari decernimus.
Dieſe Worte werden gewiß am einfachſten von einem
künftigen Erbanfall verſtanden, ſo daß dieſer, und nicht
der Antritt der Erbſchaft, als futurum negotium bezeichnet
wird. Daß aber Dieſes in der That im Sinn des Geſetz-
gebers lag, folgt unwiderſprechlich aus den unmittelbar
vorhergehenden Worten: „sed descendentes soli ad mortui
successionen vocentur“, woraus erhellt, daß die Berufung
zur Erbſchaft, alſo die Delation, der Gegenſtand war,
worüber der Geſetzgeber verfügen wollte, in ſofern dieſe
Berufung nicht unter die praeterita negotia gehöre, worauf
das Geſetz nicht einwirken ſolle.
(i) L. 4 C. Th. de leg. hered. (5. 1), § 16 J. de her. quae
ab int. (3. 1).
(k) L. 12 C. de suis (6. 55).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/513>, abgerufen am 25.11.2024.
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