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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Forts.)
tur. Quod si facto testamento quisquam deces-
serit, per hoc tempus requiritur, quo certum
esse coeperit, nullum ex testamento heredem ex-
stiturum;
tunc enim proprie quisque intestato
decessisse intelligitur.

Wir bleiben jetzt bei dem zweiten Falle stehen, in welchem
kein Testament vorhanden ist. Durch die ausgesprochene
Regel werden wir angewiesen, die berufenen und nicht be-
rufenen Intestaterben zu bestimmen lediglich nach dem per-
sönlichen Verhältniß, welches zur Zeit des Todes wahrzu-
nehmen war. Man möchte vielleicht sagen, dieses sey keine
positive Anweisung, es verstehe sich von selbst, indem an
irgend einen späteren Zeitpunkt gar nicht gedacht werden
könne. Eine solche Auffassung würde ganz unrichtig seyn.
Die so eben bei den Testamentserben angegebenen Fälle
können großentheils auch bei den zunächst berufenen In-
testaterben eintreten. Mehrere derselben können ausschlagen,
können vor der Antretung sterben; was soll dann mit den
ihnen angebotenen Erbtheilen geschehen?

Hier sind zwei Behandlungen möglich. Man kann
erstlich bei der durch die Todeszeit bestimmten Vertheilung
stehen bleiben, und den vacant gewordenen Erbtheil, so
lange es möglich ist, darauf zurück führen. Dann wird
dieser Erbtheil den Mitberufenen durch jus accrescendi zu-
fallen, und nur, wenn solche Mitberufene nicht vorhanden
sind, also nur als Aushülfe, wird die successio ordinum
oder graduum eintreten. -- Man kann aber auch zweitens

§. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
tur. Quod si facto testamento quisquam deces-
serit, per hoc tempus requiritur, quo certum
esse coeperit, nullum ex testamento heredem ex-
stiturum;
tunc enim proprie quisque intestato
decessisse intelligitur.

Wir bleiben jetzt bei dem zweiten Falle ſtehen, in welchem
kein Teſtament vorhanden iſt. Durch die ausgeſprochene
Regel werden wir angewieſen, die berufenen und nicht be-
rufenen Inteſtaterben zu beſtimmen lediglich nach dem per-
ſönlichen Verhältniß, welches zur Zeit des Todes wahrzu-
nehmen war. Man möchte vielleicht ſagen, dieſes ſey keine
poſitive Anweiſung, es verſtehe ſich von ſelbſt, indem an
irgend einen ſpäteren Zeitpunkt gar nicht gedacht werden
könne. Eine ſolche Auffaſſung würde ganz unrichtig ſeyn.
Die ſo eben bei den Teſtamentserben angegebenen Fälle
können großentheils auch bei den zunächſt berufenen In-
teſtaterben eintreten. Mehrere derſelben können ausſchlagen,
können vor der Antretung ſterben; was ſoll dann mit den
ihnen angebotenen Erbtheilen geſchehen?

Hier ſind zwei Behandlungen möglich. Man kann
erſtlich bei der durch die Todeszeit beſtimmten Vertheilung
ſtehen bleiben, und den vacant gewordenen Erbtheil, ſo
lange es möglich iſt, darauf zurück führen. Dann wird
dieſer Erbtheil den Mitberufenen durch jus accrescendi zu-
fallen, und nur, wenn ſolche Mitberufene nicht vorhanden
ſind, alſo nur als Aushülfe, wird die successio ordinum
oder graduum eintreten. — Man kann aber auch zweitens

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[487/0509] §. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.) tur. Quod si facto testamento quisquam deces- serit, per hoc tempus requiritur, quo certum esse coeperit, nullum ex testamento heredem ex- stiturum; tunc enim proprie quisque intestato decessisse intelligitur. Wir bleiben jetzt bei dem zweiten Falle ſtehen, in welchem kein Teſtament vorhanden iſt. Durch die ausgeſprochene Regel werden wir angewieſen, die berufenen und nicht be- rufenen Inteſtaterben zu beſtimmen lediglich nach dem per- ſönlichen Verhältniß, welches zur Zeit des Todes wahrzu- nehmen war. Man möchte vielleicht ſagen, dieſes ſey keine poſitive Anweiſung, es verſtehe ſich von ſelbſt, indem an irgend einen ſpäteren Zeitpunkt gar nicht gedacht werden könne. Eine ſolche Auffaſſung würde ganz unrichtig ſeyn. Die ſo eben bei den Teſtamentserben angegebenen Fälle können großentheils auch bei den zunächſt berufenen In- teſtaterben eintreten. Mehrere derſelben können ausſchlagen, können vor der Antretung ſterben; was ſoll dann mit den ihnen angebotenen Erbtheilen geſchehen? Hier ſind zwei Behandlungen möglich. Man kann erſtlich bei der durch die Todeszeit beſtimmten Vertheilung ſtehen bleiben, und den vacant gewordenen Erbtheil, ſo lange es möglich iſt, darauf zurück führen. Dann wird dieſer Erbtheil den Mitberufenen durch jus accrescendi zu- fallen, und nur, wenn ſolche Mitberufene nicht vorhanden ſind, alſo nur als Aushülfe, wird die successio ordinum oder graduum eintreten. — Man kann aber auch zweitens

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/509>, abgerufen am 22.11.2024.