§. 394. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Forts.)
schon errichteten, auch wenn die Testatoren noch lebten, davon frei seyn sollten.
Darin liegt eine Ausnahme unsrer Regeln. Denn da die Bestimmung des Gesetzes den Inhalt des Testaments betraf, so hätte dasselbe eigentlich angewendet werden müssen auf alle Testamente, deren Urheber später starben (§ 393 Num. 3), auch wenn sie damals schon errichtet waren. Man wollte also den lebenden Testatoren die Mühe er- sparen, ihre schon gemachten Testamente mit dem neuen Gesetz zu vergleichen und danach nöthigenfalls umzuändern, zugleich auch die Gefahr, die aus der Vernachlässigung dieser Vorsicht für die vollständige Gültigkeit des Testaments entstehen konnte. Diese Schonung war aber deswegen natürlich und löblich, weil es in der That dem Gesetzgeber sehr gleichgültig seyn konnte, ob das Gesetz einige Jahre früher oder später ausschließende Anwendung erhielte.
Es muß aber noch besonders darauf aufmerksam gemacht werden, daß dieses Gesetz nicht etwa die Absicht und die Folge hatte, eine bis dahin unbeschränkte Freiheit der Te- statoren in Beziehung auf Legate zu beschränken, sondern vielmehr die ganz anderen, für manche Fälle strengeren, Beschränkungen der Lex Furia und der Lex Voconia durch eine neue, zweckmäßigere, zu ersetzen (b). Die Meinung ging also dahin, daß auf die schwebenden Testamente die
(b)Gajus II. § 224--227.
§. 394. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
ſchon errichteten, auch wenn die Teſtatoren noch lebten, davon frei ſeyn ſollten.
Darin liegt eine Ausnahme unſrer Regeln. Denn da die Beſtimmung des Geſetzes den Inhalt des Teſtaments betraf, ſo hätte daſſelbe eigentlich angewendet werden müſſen auf alle Teſtamente, deren Urheber ſpäter ſtarben (§ 393 Num. 3), auch wenn ſie damals ſchon errichtet waren. Man wollte alſo den lebenden Teſtatoren die Mühe er- ſparen, ihre ſchon gemachten Teſtamente mit dem neuen Geſetz zu vergleichen und danach nöthigenfalls umzuändern, zugleich auch die Gefahr, die aus der Vernachläſſigung dieſer Vorſicht für die vollſtändige Gültigkeit des Teſtaments entſtehen konnte. Dieſe Schonung war aber deswegen natürlich und löblich, weil es in der That dem Geſetzgeber ſehr gleichgültig ſeyn konnte, ob das Geſetz einige Jahre früher oder ſpäter ausſchließende Anwendung erhielte.
Es muß aber noch beſonders darauf aufmerkſam gemacht werden, daß dieſes Geſetz nicht etwa die Abſicht und die Folge hatte, eine bis dahin unbeſchränkte Freiheit der Te- ſtatoren in Beziehung auf Legate zu beſchränken, ſondern vielmehr die ganz anderen, für manche Fälle ſtrengeren, Beſchränkungen der Lex Furia und der Lex Voconia durch eine neue, zweckmäßigere, zu erſetzen (b). Die Meinung ging alſo dahin, daß auf die ſchwebenden Teſtamente die
(b)Gajus II. § 224—227.
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§. 394. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
ſchon errichteten, auch wenn die Teſtatoren noch lebten,
davon frei ſeyn ſollten.
Darin liegt eine Ausnahme unſrer Regeln. Denn da
die Beſtimmung des Geſetzes den Inhalt des Teſtaments
betraf, ſo hätte daſſelbe eigentlich angewendet werden müſſen
auf alle Teſtamente, deren Urheber ſpäter ſtarben (§ 393
Num. 3), auch wenn ſie damals ſchon errichtet waren.
Man wollte alſo den lebenden Teſtatoren die Mühe er-
ſparen, ihre ſchon gemachten Teſtamente mit dem neuen
Geſetz zu vergleichen und danach nöthigenfalls umzuändern,
zugleich auch die Gefahr, die aus der Vernachläſſigung
dieſer Vorſicht für die vollſtändige Gültigkeit des Teſtaments
entſtehen konnte. Dieſe Schonung war aber deswegen
natürlich und löblich, weil es in der That dem Geſetzgeber
ſehr gleichgültig ſeyn konnte, ob das Geſetz einige Jahre
früher oder ſpäter ausſchließende Anwendung erhielte.
Es muß aber noch beſonders darauf aufmerkſam gemacht
werden, daß dieſes Geſetz nicht etwa die Abſicht und die
Folge hatte, eine bis dahin unbeſchränkte Freiheit der Te-
ſtatoren in Beziehung auf Legate zu beſchränken, ſondern
vielmehr die ganz anderen, für manche Fälle ſtrengeren,
Beſchränkungen der Lex Furia und der Lex Voconia durch
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ging alſo dahin, daß auf die ſchwebenden Teſtamente die
(b) Gajus II. § 224—227.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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