§. 393. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht.
Testament kann durch ein späteres Gesetz nicht ungültig werden, eben so aber auch umgekehrt.
So waren im älteren Römischen Recht Stumme un- fähig, zu testiren; Justinian hat ihnen die Fähigkeit er- theilt (u). Wenn nun kurz vor diesem Gesetz ein Stummer testirte, so wurde das Testament durch das neue Gesetz dennoch nicht gültig; er konnte aber jetzt ein gültiges Te- stament errichten. -- Die Testamentsmündigkeit im weib- lichen Geschlecht setzt das Römische Recht auf zwölf Jahre (v), das Preußische Recht auf vierzehn Jahre (w). Wenn nun ein Mädchen von dreizehn Jahren ein Testament macht unter der Herrschaft des Römischen Rechts, so bleibt das Testament gültig, auch wenn gleich nachher das Preußische Gesetz eingeführt wird, und der Tod vor Vollendung des vierzehnten Jahres erfolgt. Wird das Testament unter der Herrschaft des Preußischen Rechts mit dreizehen Jahren errichtet, so bleibt es ungültig, selbst wenn gleich darauf das Römische Recht eingeführt wird.
3. Der Inhalt des Testaments richtet sich lediglich nach der Zeit des Todes, so daß das zu dieser Zeit beste- hende Gesetz über die Gültigkeit des Inhalts allein ent- scheidet, ohne Rücksicht auf die Vorschriften des früheren
(u)L. 10 C. qui test. (6. 22).
(v)L. 5 qui test. (28. 1).
(w) A. L. R. I. 12 § 16.
§. 393. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht.
Teſtament kann durch ein ſpäteres Geſetz nicht ungültig werden, eben ſo aber auch umgekehrt.
So waren im älteren Römiſchen Recht Stumme un- fähig, zu teſtiren; Juſtinian hat ihnen die Fähigkeit er- theilt (u). Wenn nun kurz vor dieſem Geſetz ein Stummer teſtirte, ſo wurde das Teſtament durch das neue Geſetz dennoch nicht gültig; er konnte aber jetzt ein gültiges Te- ſtament errichten. — Die Teſtamentsmündigkeit im weib- lichen Geſchlecht ſetzt das Römiſche Recht auf zwölf Jahre (v), das Preußiſche Recht auf vierzehn Jahre (w). Wenn nun ein Mädchen von dreizehn Jahren ein Teſtament macht unter der Herrſchaft des Römiſchen Rechts, ſo bleibt das Teſtament gültig, auch wenn gleich nachher das Preußiſche Geſetz eingeführt wird, und der Tod vor Vollendung des vierzehnten Jahres erfolgt. Wird das Teſtament unter der Herrſchaft des Preußiſchen Rechts mit dreizehen Jahren errichtet, ſo bleibt es ungültig, ſelbſt wenn gleich darauf das Römiſche Recht eingeführt wird.
3. Der Inhalt des Teſtaments richtet ſich lediglich nach der Zeit des Todes, ſo daß das zu dieſer Zeit beſte- hende Geſetz über die Gültigkeit des Inhalts allein ent- ſcheidet, ohne Rückſicht auf die Vorſchriften des früheren
(u)L. 10 C. qui test. (6. 22).
(v)L. 5 qui test. (28. 1).
(w) A. L. R. I. 12 § 16.
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§. 393. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht.
Teſtament kann durch ein ſpäteres Geſetz nicht ungültig
werden, eben ſo aber auch umgekehrt.
So waren im älteren Römiſchen Recht Stumme un-
fähig, zu teſtiren; Juſtinian hat ihnen die Fähigkeit er-
theilt (u). Wenn nun kurz vor dieſem Geſetz ein Stummer
teſtirte, ſo wurde das Teſtament durch das neue Geſetz
dennoch nicht gültig; er konnte aber jetzt ein gültiges Te-
ſtament errichten. — Die Teſtamentsmündigkeit im weib-
lichen Geſchlecht ſetzt das Römiſche Recht auf zwölf Jahre (v),
das Preußiſche Recht auf vierzehn Jahre (w). Wenn nun
ein Mädchen von dreizehn Jahren ein Teſtament macht
unter der Herrſchaft des Römiſchen Rechts, ſo bleibt das
Teſtament gültig, auch wenn gleich nachher das Preußiſche
Geſetz eingeführt wird, und der Tod vor Vollendung des
vierzehnten Jahres erfolgt. Wird das Teſtament unter der
Herrſchaft des Preußiſchen Rechts mit dreizehen Jahren
errichtet, ſo bleibt es ungültig, ſelbſt wenn gleich darauf
das Römiſche Recht eingeführt wird.
3. Der Inhalt des Teſtaments richtet ſich lediglich
nach der Zeit des Todes, ſo daß das zu dieſer Zeit beſte-
hende Geſetz über die Gültigkeit des Inhalts allein ent-
ſcheidet, ohne Rückſicht auf die Vorſchriften des früheren
(u) L. 10 C. qui test. (6. 22).
(v) L. 5 qui test. (28. 1).
(w) A. L. R. I. 12 § 16.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/485>, abgerufen am 22.11.2024.
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