Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Zu der Collision verschiedener Territorialrechte inner- halb desselben Staates könnte man versuchen auch folgen- den Fall zu ziehen, der jedoch in der That eine ganz an- dere Natur hat, und gar nicht in das Gebiet der gegen- wärtigen Untersuchung gehört. -- In jedem Staate können Particularrechte in verschiedener Abstufung und Unterord- nung vorkommen, von dem örtlich begränztesten an in immer weiteren Kreisen der Anwendung geltend, bis zum gemeinen Recht eines solchen Staates hinauf. Auch dabei kann man von einer Collision reden, indem an bestimmten Orten jedes dieser Particularrechte im Allgemeinen wirkliche Geltung hat, und also in gegebenen einzelnen Fällen gefragt werden kann, welches derselben, wenn sie einander widerstreiten, die Regel der Entscheidung bilden solle. Hier aber hat die Collisionsfrage, wenn man diesen Ausdruck dabei ge- brauchen will, eine andere Bedeutung, als bei den neben einander stehenden, Particularrechten desselben Staates, die von einander unabhängig sind, also nicht im Verhältniß der Abhängigkeit und Unterordnung zu einander stehen.
Zwischen mehreren einander untergeordneten Rechten gilt die einfache Regel, daß stets dasjenige Recht in der An- wendung den Vorzug hat, welchem der beschränkteste Um- fang der Geltung zuzuschreiben ist, nur mit Ausnahme des besonderen Falles, wenn das über ihm in weiterem Um- fange stehende Recht einzelne Bestimmungen von einem ab- solut gebietenden Charakter enthält (g).
(g) S. o. B. 1 § 21. 45. Außer diesem besonderen Falle also gilt die Regel: Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Zu der Colliſion verſchiedener Territorialrechte inner- halb deſſelben Staates könnte man verſuchen auch folgen- den Fall zu ziehen, der jedoch in der That eine ganz an- dere Natur hat, und gar nicht in das Gebiet der gegen- wärtigen Unterſuchung gehört. — In jedem Staate können Particularrechte in verſchiedener Abſtufung und Unterord- nung vorkommen, von dem örtlich begränzteſten an in immer weiteren Kreiſen der Anwendung geltend, bis zum gemeinen Recht eines ſolchen Staates hinauf. Auch dabei kann man von einer Colliſion reden, indem an beſtimmten Orten jedes dieſer Particularrechte im Allgemeinen wirkliche Geltung hat, und alſo in gegebenen einzelnen Fällen gefragt werden kann, welches derſelben, wenn ſie einander widerſtreiten, die Regel der Entſcheidung bilden ſolle. Hier aber hat die Colliſionsfrage, wenn man dieſen Ausdruck dabei ge- brauchen will, eine andere Bedeutung, als bei den neben einander ſtehenden, Particularrechten deſſelben Staates, die von einander unabhängig ſind, alſo nicht im Verhältniß der Abhängigkeit und Unterordnung zu einander ſtehen.
Zwiſchen mehreren einander untergeordneten Rechten gilt die einfache Regel, daß ſtets dasjenige Recht in der An- wendung den Vorzug hat, welchem der beſchränkteſte Um- fang der Geltung zuzuſchreiben iſt, nur mit Ausnahme des beſonderen Falles, wenn das über ihm in weiterem Um- fange ſtehende Recht einzelne Beſtimmungen von einem ab- ſolut gebietenden Charakter enthält (g).
(g) S. o. B. 1 § 21. 45. Außer dieſem beſonderen Falle alſo gilt die Regel: Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0044"n="22"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/><p>Zu der Colliſion verſchiedener Territorialrechte inner-<lb/>
halb deſſelben Staates könnte man verſuchen auch folgen-<lb/>
den Fall zu ziehen, der jedoch in der That eine ganz an-<lb/>
dere Natur hat, und gar nicht in das Gebiet der gegen-<lb/>
wärtigen Unterſuchung gehört. — In jedem Staate können<lb/>
Particularrechte in verſchiedener Abſtufung und Unterord-<lb/>
nung vorkommen, von dem örtlich begränzteſten an in immer<lb/>
weiteren Kreiſen der Anwendung geltend, bis zum gemeinen<lb/>
Recht eines ſolchen Staates hinauf. Auch dabei kann man<lb/>
von einer Colliſion reden, indem an beſtimmten Orten jedes<lb/>
dieſer Particularrechte im Allgemeinen wirkliche Geltung<lb/>
hat, und alſo in gegebenen einzelnen Fällen gefragt werden<lb/>
kann, welches derſelben, wenn ſie einander widerſtreiten,<lb/>
die Regel der Entſcheidung bilden ſolle. Hier aber hat<lb/>
die Colliſionsfrage, wenn man dieſen Ausdruck dabei ge-<lb/>
brauchen will, eine andere Bedeutung, als bei den <hirendition="#g">neben</hi><lb/>
einander ſtehenden, Particularrechten deſſelben Staates, die<lb/>
von einander unabhängig ſind, alſo nicht im Verhältniß<lb/>
der Abhängigkeit und Unterordnung zu einander ſtehen.</p><lb/><p>Zwiſchen mehreren einander untergeordneten Rechten gilt<lb/>
die einfache Regel, daß ſtets dasjenige Recht in der An-<lb/>
wendung den Vorzug hat, welchem der beſchränkteſte Um-<lb/>
fang der Geltung zuzuſchreiben iſt, nur mit Ausnahme des<lb/>
beſonderen Falles, wenn das über ihm in weiterem Um-<lb/>
fange ſtehende Recht einzelne Beſtimmungen von einem ab-<lb/>ſolut gebietenden Charakter enthält <noteplace="foot"n="(g)">S. o. B. 1 § 21. 45. Außer dieſem beſonderen Falle alſo<lb/>
gilt die Regel: Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht.</note>.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[22/0044]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Zu der Colliſion verſchiedener Territorialrechte inner-
halb deſſelben Staates könnte man verſuchen auch folgen-
den Fall zu ziehen, der jedoch in der That eine ganz an-
dere Natur hat, und gar nicht in das Gebiet der gegen-
wärtigen Unterſuchung gehört. — In jedem Staate können
Particularrechte in verſchiedener Abſtufung und Unterord-
nung vorkommen, von dem örtlich begränzteſten an in immer
weiteren Kreiſen der Anwendung geltend, bis zum gemeinen
Recht eines ſolchen Staates hinauf. Auch dabei kann man
von einer Colliſion reden, indem an beſtimmten Orten jedes
dieſer Particularrechte im Allgemeinen wirkliche Geltung
hat, und alſo in gegebenen einzelnen Fällen gefragt werden
kann, welches derſelben, wenn ſie einander widerſtreiten,
die Regel der Entſcheidung bilden ſolle. Hier aber hat
die Colliſionsfrage, wenn man dieſen Ausdruck dabei ge-
brauchen will, eine andere Bedeutung, als bei den neben
einander ſtehenden, Particularrechten deſſelben Staates, die
von einander unabhängig ſind, alſo nicht im Verhältniß
der Abhängigkeit und Unterordnung zu einander ſtehen.
Zwiſchen mehreren einander untergeordneten Rechten gilt
die einfache Regel, daß ſtets dasjenige Recht in der An-
wendung den Vorzug hat, welchem der beſchränkteſte Um-
fang der Geltung zuzuſchreiben iſt, nur mit Ausnahme des
beſonderen Falles, wenn das über ihm in weiterem Um-
fange ſtehende Recht einzelne Beſtimmungen von einem ab-
ſolut gebietenden Charakter enthält (g).
(g) S. o. B. 1 § 21. 45. Außer dieſem beſonderen Falle alſo
gilt die Regel: Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/44>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.