allgemeine Rechtsgewohnheit begründete, Begünstigung der Rechtsgeschäfte ansieht. Denn bei dieser Regel des ört- lichen Rechts ist es oft (wenngleich nicht immer) den Par- teien möglich, eine andere Form zu beobachten, und darum wird ihnen billigerweise die Wahl gelassen, welches Gesetz sie in Ansehung der Form beobachten wollen: das am Ort der Handlung geltende, oder vielmehr das Gesetz des Ortes, welchem in anderer Hinsicht dieses Rechtsgeschäft angehört, z. B. das Gesetz des Wohnsitzes. Eine solche Möglichkeit, und das darauf gegründete Wahlrecht der Parteien zwischen verschiedenen Gesetzen, ist neben der Regel: tempus regit actum, gar nicht vorhanden, da Niemand vorhersehen kann, daß ein künftiges Gesetz die Form abändern werde, und worin die Aenderung bestehen werde. Daher ist denn auch von Schriftstellern diese Regel ohne Widerspruch anerkannt worden (b).
Nur in Einer Beziehung könnte man einen Zweifel an der Allgemeingültigkeit dieser Regel geltend machen wollen, wenn nämlich das neue Gesetz die Form eines Rechtsge- schäfts nicht erschwert, sondern erleichtert. Hier könnte man aus scheinbarer Milde und Schonung, aus dem unbedingten Bestreben nach der Aufrechthaltung der Rechtsgeschäfte, an- nehmen wollen, das Geschäft sey auch dann gültig, wenn die dabei angewendete, damals unzureichende, Form zu- fälligerweise den Forderungen des neuen Gesetzes genüge.
(b)Weber S. 90 u. fg. Meyer p. 19. 29. 43. 61. 89.
§. 388. A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen.
allgemeine Rechtsgewohnheit begründete, Begünſtigung der Rechtsgeſchäfte anſieht. Denn bei dieſer Regel des ört- lichen Rechts iſt es oft (wenngleich nicht immer) den Par- teien möglich, eine andere Form zu beobachten, und darum wird ihnen billigerweiſe die Wahl gelaſſen, welches Geſetz ſie in Anſehung der Form beobachten wollen: das am Ort der Handlung geltende, oder vielmehr das Geſetz des Ortes, welchem in anderer Hinſicht dieſes Rechtsgeſchäft angehört, z. B. das Geſetz des Wohnſitzes. Eine ſolche Möglichkeit, und das darauf gegründete Wahlrecht der Parteien zwiſchen verſchiedenen Geſetzen, iſt neben der Regel: tempus regit actum, gar nicht vorhanden, da Niemand vorherſehen kann, daß ein künftiges Geſetz die Form abändern werde, und worin die Aenderung beſtehen werde. Daher iſt denn auch von Schriftſtellern dieſe Regel ohne Widerſpruch anerkannt worden (b).
Nur in Einer Beziehung könnte man einen Zweifel an der Allgemeingültigkeit dieſer Regel geltend machen wollen, wenn nämlich das neue Geſetz die Form eines Rechtsge- ſchäfts nicht erſchwert, ſondern erleichtert. Hier könnte man aus ſcheinbarer Milde und Schonung, aus dem unbedingten Beſtreben nach der Aufrechthaltung der Rechtsgeſchäfte, an- nehmen wollen, das Geſchäft ſey auch dann gültig, wenn die dabei angewendete, damals unzureichende, Form zu- fälligerweiſe den Forderungen des neuen Geſetzes genüge.
(b)Weber S. 90 u. fg. Meyer p. 19. 29. 43. 61. 89.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0431"n="409"/><fwplace="top"type="header">§. 388. <hirendition="#aq">A.</hi> Erwerb der Rechte. — Anwendungen.</fw><lb/>
allgemeine Rechtsgewohnheit begründete, Begünſtigung der<lb/>
Rechtsgeſchäfte anſieht. Denn bei dieſer Regel des ört-<lb/>
lichen Rechts iſt es oft (wenngleich nicht immer) den Par-<lb/>
teien möglich, eine andere Form zu beobachten, und darum<lb/>
wird ihnen billigerweiſe die Wahl gelaſſen, welches Geſetz<lb/>ſie in Anſehung der Form beobachten wollen: das am Ort<lb/>
der Handlung geltende, oder vielmehr das Geſetz des Ortes,<lb/>
welchem in anderer Hinſicht dieſes Rechtsgeſchäft angehört,<lb/>
z. B. das Geſetz des Wohnſitzes. Eine ſolche Möglichkeit,<lb/>
und das darauf gegründete Wahlrecht der Parteien zwiſchen<lb/>
verſchiedenen Geſetzen, iſt neben der Regel: <hirendition="#aq">tempus regit<lb/>
actum,</hi> gar nicht vorhanden, da Niemand vorherſehen kann,<lb/>
daß ein künftiges Geſetz die Form abändern werde, und<lb/>
worin die Aenderung beſtehen werde. Daher iſt denn auch<lb/>
von Schriftſtellern dieſe Regel ohne Widerſpruch anerkannt<lb/>
worden <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#g">Weber</hi> S. 90 u. fg. <hirendition="#aq"><hirendition="#k">Meyer</hi> p.</hi> 19. 29. 43. 61. 89.</note>.</p><lb/><p>Nur in Einer Beziehung könnte man einen Zweifel an<lb/>
der Allgemeingültigkeit dieſer Regel geltend machen wollen,<lb/>
wenn nämlich das neue Geſetz die Form eines Rechtsge-<lb/>ſchäfts nicht erſchwert, ſondern erleichtert. Hier könnte man<lb/>
aus ſcheinbarer Milde und Schonung, aus dem unbedingten<lb/>
Beſtreben nach der Aufrechthaltung der Rechtsgeſchäfte, an-<lb/>
nehmen wollen, das Geſchäft ſey auch dann gültig, wenn<lb/>
die dabei angewendete, damals unzureichende, Form zu-<lb/>
fälligerweiſe den Forderungen des neuen Geſetzes genüge.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[409/0431]
§. 388. A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen.
allgemeine Rechtsgewohnheit begründete, Begünſtigung der
Rechtsgeſchäfte anſieht. Denn bei dieſer Regel des ört-
lichen Rechts iſt es oft (wenngleich nicht immer) den Par-
teien möglich, eine andere Form zu beobachten, und darum
wird ihnen billigerweiſe die Wahl gelaſſen, welches Geſetz
ſie in Anſehung der Form beobachten wollen: das am Ort
der Handlung geltende, oder vielmehr das Geſetz des Ortes,
welchem in anderer Hinſicht dieſes Rechtsgeſchäft angehört,
z. B. das Geſetz des Wohnſitzes. Eine ſolche Möglichkeit,
und das darauf gegründete Wahlrecht der Parteien zwiſchen
verſchiedenen Geſetzen, iſt neben der Regel: tempus regit
actum, gar nicht vorhanden, da Niemand vorherſehen kann,
daß ein künftiges Geſetz die Form abändern werde, und
worin die Aenderung beſtehen werde. Daher iſt denn auch
von Schriftſtellern dieſe Regel ohne Widerſpruch anerkannt
worden (b).
Nur in Einer Beziehung könnte man einen Zweifel an
der Allgemeingültigkeit dieſer Regel geltend machen wollen,
wenn nämlich das neue Geſetz die Form eines Rechtsge-
ſchäfts nicht erſchwert, ſondern erleichtert. Hier könnte man
aus ſcheinbarer Milde und Schonung, aus dem unbedingten
Beſtreben nach der Aufrechthaltung der Rechtsgeſchäfte, an-
nehmen wollen, das Geſchäft ſey auch dann gültig, wenn
die dabei angewendete, damals unzureichende, Form zu-
fälligerweiſe den Forderungen des neuen Geſetzes genüge.
(b) Weber S. 90 u. fg. Meyer p. 19. 29. 43. 61. 89.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/431>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.