Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.§. 386. A. Erwerb der Rechte. Grundsatz. (Forts.) also ist die ganze Frage ohnehin eine völlige müssige. --Anders verhält es sich mit den einzelnen Ausnahmen jenes Grundsatzes, die allerdings einen völlig positiven Charakter an sich tragen. Und dennoch muß auch hier eine genauere Betrachtung zu demselben Erfolg führen. Um Dieses an- schaulich zu machen, will ich Justinian's Gesetze über den Zinsvertrag prüfen. Im J. 528 hatte er verordnet, daß anstatt der seit Jahrhunderten erlaubten Zwölf Prozente künftig in der Regel nur Sechs Prozente an Zinsen be- dungen werden dürften (f). Da nun bald darauf Zweifel entstanden wegen der vor dem J. 528 geschlossenen Zins- verträge, erließ er im J. 529 ein transitorisches Gesetz (g) des Inhalts, daß die vor dem J. 528 verfallenen Zinsen nach dem alten Gesetz, die seitdem verfallenen, so wie die künftigen, nach dem neuen Gesetz beurtheilt werden soll- ten (h). Nun wird wohl Jeder zugeben, daß von dem unmittelbaren Inhalt des Gesetzes nicht mehr die Rede seyn kann, da ganz gewiß keinem Richter ein vor 528 geschlos- sener Zinsvertrag zur Entscheidung vorgelegt werden wird. Eben so kann nicht von einer Anwendung des Gesetzes in den Ländern die Rede seyn, in welchen seit Jahrhunderten das Römische Recht herrschend ist, da auch hier die that- sächliche Veranlassung zu einer solchen Anwendung durch- (f) L. 26 C. de usuris (4. 32). (g) L. 27 C. de usuris (4. 32). (h) Die letzte Bestimmung geht auf rückwirkende Kraft, enthält
also eine Ausnahme unseres Grundsatzes (§ 385). §. 386. A. Erwerb der Rechte. Grundſatz. (Fortſ.) alſo iſt die ganze Frage ohnehin eine völlige müſſige. —Anders verhält es ſich mit den einzelnen Ausnahmen jenes Grundſatzes, die allerdings einen völlig poſitiven Charakter an ſich tragen. Und dennoch muß auch hier eine genauere Betrachtung zu demſelben Erfolg führen. Um Dieſes an- ſchaulich zu machen, will ich Juſtinian’s Geſetze über den Zinsvertrag prüfen. Im J. 528 hatte er verordnet, daß anſtatt der ſeit Jahrhunderten erlaubten Zwölf Prozente künftig in der Regel nur Sechs Prozente an Zinſen be- dungen werden dürften (f). Da nun bald darauf Zweifel entſtanden wegen der vor dem J. 528 geſchloſſenen Zins- verträge, erließ er im J. 529 ein tranſitoriſches Geſetz (g) des Inhalts, daß die vor dem J. 528 verfallenen Zinſen nach dem alten Geſetz, die ſeitdem verfallenen, ſo wie die künftigen, nach dem neuen Geſetz beurtheilt werden ſoll- ten (h). Nun wird wohl Jeder zugeben, daß von dem unmittelbaren Inhalt des Geſetzes nicht mehr die Rede ſeyn kann, da ganz gewiß keinem Richter ein vor 528 geſchloſ- ſener Zinsvertrag zur Entſcheidung vorgelegt werden wird. Eben ſo kann nicht von einer Anwendung des Geſetzes in den Ländern die Rede ſeyn, in welchen ſeit Jahrhunderten das Römiſche Recht herrſchend iſt, da auch hier die that- ſächliche Veranlaſſung zu einer ſolchen Anwendung durch- (f) L. 26 C. de usuris (4. 32). (g) L. 27 C. de usuris (4. 32). (h) Die letzte Beſtimmung geht auf rückwirkende Kraft, enthält
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§. 386. A. Erwerb der Rechte. Grundſatz. (Fortſ.)
alſo iſt die ganze Frage ohnehin eine völlige müſſige. —
Anders verhält es ſich mit den einzelnen Ausnahmen jenes
Grundſatzes, die allerdings einen völlig poſitiven Charakter
an ſich tragen. Und dennoch muß auch hier eine genauere
Betrachtung zu demſelben Erfolg führen. Um Dieſes an-
ſchaulich zu machen, will ich Juſtinian’s Geſetze über den
Zinsvertrag prüfen. Im J. 528 hatte er verordnet, daß
anſtatt der ſeit Jahrhunderten erlaubten Zwölf Prozente
künftig in der Regel nur Sechs Prozente an Zinſen be-
dungen werden dürften (f). Da nun bald darauf Zweifel
entſtanden wegen der vor dem J. 528 geſchloſſenen Zins-
verträge, erließ er im J. 529 ein tranſitoriſches Geſetz (g)
des Inhalts, daß die vor dem J. 528 verfallenen Zinſen
nach dem alten Geſetz, die ſeitdem verfallenen, ſo wie die
künftigen, nach dem neuen Geſetz beurtheilt werden ſoll-
ten (h). Nun wird wohl Jeder zugeben, daß von dem
unmittelbaren Inhalt des Geſetzes nicht mehr die Rede ſeyn
kann, da ganz gewiß keinem Richter ein vor 528 geſchloſ-
ſener Zinsvertrag zur Entſcheidung vorgelegt werden wird.
Eben ſo kann nicht von einer Anwendung des Geſetzes in
den Ländern die Rede ſeyn, in welchen ſeit Jahrhunderten
das Römiſche Recht herrſchend iſt, da auch hier die that-
ſächliche Veranlaſſung zu einer ſolchen Anwendung durch-
(f) L. 26 C. de usuris (4. 32).
(g) L. 27 C. de usuris (4. 32).
(h) Die letzte Beſtimmung geht auf rückwirkende Kraft, enthält
alſo eine Ausnahme unſeres Grundſatzes (§ 385).
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