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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 384. Zweierlei Rechtsregeln.
muß ich auf den verschiedenen Inhalt der Rechtsregeln
eingehen, mit deren möglichen Veränderungen wir uns in
der ganzen hier vorliegenden Untersuchung zu beschäftigen
haben (§ 383).

Eine erste Gattung von Rechtsregeln bezieht sich auf
den Erwerb der Rechte, das heißt, auf die Verbindung
eines Rechts mit einer einzelnen Person, oder auf die Ver-
wandlung eines (abstracten) Rechtsinstituts in ein (persön-
liches) Rechtsverhältniß (a). -- Die Natur dieser Rechts-
regeln und ihrer möglichen Veränderungen wird durch fol-
gende Beispiele anschaulich werden. Wenn in einem Lande
bisher das Eigenthum durch bloßen Vertrag veräußert und
erworben werden konnte, ein neues Gesetz aber zur Ver-
äußerung die Tradition fordert, so betrifft die Veränderung
der Rechtsregel lediglich die Frage, unter welchen Bedin-
gungen der Einzelne Eigenthum einer Sache erwerben, also
zu seinem Rechte machen kann. Eben so, wenn bisher
alle obligatorische Verträge mündlich mit voller Wirkung
geschlossen werden konnten, ein neues Gesetz aber vor-
schreibt, daß bei einem Gegenstand, dessen Werth mehr als
Funfzig Thaler beträgt, nur ein schriftlicher Vertrag klag-
bar seyn soll.

Eine zweite Gattung von Rechtsregeln bezieht sich auf
das Daseyn der Rechte, also auf die Anerkennung eines
Rechtsinstituts im Allgemeinen, welche stets vorausgesetzt

(a) S. o. B. 1 § 4. 5.

§. 384. Zweierlei Rechtsregeln.
muß ich auf den verſchiedenen Inhalt der Rechtsregeln
eingehen, mit deren möglichen Veränderungen wir uns in
der ganzen hier vorliegenden Unterſuchung zu beſchäftigen
haben (§ 383).

Eine erſte Gattung von Rechtsregeln bezieht ſich auf
den Erwerb der Rechte, das heißt, auf die Verbindung
eines Rechts mit einer einzelnen Perſon, oder auf die Ver-
wandlung eines (abſtracten) Rechtsinſtituts in ein (perſön-
liches) Rechtsverhältniß (a). — Die Natur dieſer Rechts-
regeln und ihrer möglichen Veränderungen wird durch fol-
gende Beiſpiele anſchaulich werden. Wenn in einem Lande
bisher das Eigenthum durch bloßen Vertrag veräußert und
erworben werden konnte, ein neues Geſetz aber zur Ver-
äußerung die Tradition fordert, ſo betrifft die Veränderung
der Rechtsregel lediglich die Frage, unter welchen Bedin-
gungen der Einzelne Eigenthum einer Sache erwerben, alſo
zu ſeinem Rechte machen kann. Eben ſo, wenn bisher
alle obligatoriſche Verträge mündlich mit voller Wirkung
geſchloſſen werden konnten, ein neues Geſetz aber vor-
ſchreibt, daß bei einem Gegenſtand, deſſen Werth mehr als
Funfzig Thaler beträgt, nur ein ſchriftlicher Vertrag klag-
bar ſeyn ſoll.

Eine zweite Gattung von Rechtsregeln bezieht ſich auf
das Daſeyn der Rechte, alſo auf die Anerkennung eines
Rechtsinſtituts im Allgemeinen, welche ſtets vorausgeſetzt

(a) S. o. B. 1 § 4. 5.
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[375/0397] §. 384. Zweierlei Rechtsregeln. muß ich auf den verſchiedenen Inhalt der Rechtsregeln eingehen, mit deren möglichen Veränderungen wir uns in der ganzen hier vorliegenden Unterſuchung zu beſchäftigen haben (§ 383). Eine erſte Gattung von Rechtsregeln bezieht ſich auf den Erwerb der Rechte, das heißt, auf die Verbindung eines Rechts mit einer einzelnen Perſon, oder auf die Ver- wandlung eines (abſtracten) Rechtsinſtituts in ein (perſön- liches) Rechtsverhältniß (a). — Die Natur dieſer Rechts- regeln und ihrer möglichen Veränderungen wird durch fol- gende Beiſpiele anſchaulich werden. Wenn in einem Lande bisher das Eigenthum durch bloßen Vertrag veräußert und erworben werden konnte, ein neues Geſetz aber zur Ver- äußerung die Tradition fordert, ſo betrifft die Veränderung der Rechtsregel lediglich die Frage, unter welchen Bedin- gungen der Einzelne Eigenthum einer Sache erwerben, alſo zu ſeinem Rechte machen kann. Eben ſo, wenn bisher alle obligatoriſche Verträge mündlich mit voller Wirkung geſchloſſen werden konnten, ein neues Geſetz aber vor- ſchreibt, daß bei einem Gegenſtand, deſſen Werth mehr als Funfzig Thaler beträgt, nur ein ſchriftlicher Vertrag klag- bar ſeyn ſoll. Eine zweite Gattung von Rechtsregeln bezieht ſich auf das Daſeyn der Rechte, alſo auf die Anerkennung eines Rechtsinſtituts im Allgemeinen, welche ſtets vorausgeſetzt (a) S. o. B. 1 § 4. 5.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/397>, abgerufen am 23.11.2024.