die Gränzen dieses Gebietes, zu bestimmen (§ 344). Eine solche Gränzbestimmung kann nach zwei Seiten hin nöthig seyn, je nachdem neben einander, oder nach einander, ver- schiedene Rechtsregeln als geltend gedacht werden. Von der ersten Art, der Bestimmung der örtlichen Gränzen, ist bisher gehandelt worden (Kap. I.). Es bleibt nun noch die zweite Art der Gränzbestimmung übrig, die sich auf die zeitlichen Gränzen bezieht.
Dabei wird vorausgesetzt, daß an demselben Orte in zwei verschiedenen Zeiträumen verschiedene Rechtsregeln gelten, zu welchen ein gegebenes Rechtsverhältniß, oder eine einzelne Rechtsfrage, in solche Beziehung kommt, daß es zweifelhaft wird, welche unter jenen beiden Rechtsregeln die Entscheidung der Frage beherrschen soll. Ein solcher Streit zweier Rechtsregeln um die Herrschaft setzt also stets eine eingetretene Veränderung voraus. Diese Veränderung aber, sofern sie dem Gebiet der nun folgenden Untersuchung ange- hören soll, muß noch näher dahin bestimmt werden, daß es eine Veränderung in den Rechtsregeln selbst (dem objec- tiven Recht) seyn muß, nicht eine bloße Veränderung in den thatsächlichen Bedingungen des Rechtsverhältnisses (dem subjectiven Recht), indem nämlich die Veränderungen dieser letzten Art bereits in Verbindung mit den örtlichen Gränzen der Herrschaft abgehandelt worden sind (b). Wir setzen also im Laufe der jetzt folgenden Untersuchung voraus ein
(b) S. o. § 344 am Schluß des §.
VIII. 24
§. 383. Einleitung.
die Gränzen dieſes Gebietes, zu beſtimmen (§ 344). Eine ſolche Gränzbeſtimmung kann nach zwei Seiten hin nöthig ſeyn, je nachdem neben einander, oder nach einander, ver- ſchiedene Rechtsregeln als geltend gedacht werden. Von der erſten Art, der Beſtimmung der örtlichen Gränzen, iſt bisher gehandelt worden (Kap. I.). Es bleibt nun noch die zweite Art der Gränzbeſtimmung übrig, die ſich auf die zeitlichen Gränzen bezieht.
Dabei wird vorausgeſetzt, daß an demſelben Orte in zwei verſchiedenen Zeiträumen verſchiedene Rechtsregeln gelten, zu welchen ein gegebenes Rechtsverhältniß, oder eine einzelne Rechtsfrage, in ſolche Beziehung kommt, daß es zweifelhaft wird, welche unter jenen beiden Rechtsregeln die Entſcheidung der Frage beherrſchen ſoll. Ein ſolcher Streit zweier Rechtsregeln um die Herrſchaft ſetzt alſo ſtets eine eingetretene Veränderung voraus. Dieſe Veränderung aber, ſofern ſie dem Gebiet der nun folgenden Unterſuchung ange- hören ſoll, muß noch näher dahin beſtimmt werden, daß es eine Veränderung in den Rechtsregeln ſelbſt (dem objec- tiven Recht) ſeyn muß, nicht eine bloße Veränderung in den thatſächlichen Bedingungen des Rechtsverhältniſſes (dem ſubjectiven Recht), indem nämlich die Veränderungen dieſer letzten Art bereits in Verbindung mit den örtlichen Gränzen der Herrſchaft abgehandelt worden ſind (b). Wir ſetzen alſo im Laufe der jetzt folgenden Unterſuchung voraus ein
(b) S. o. § 344 am Schluß des §.
VIII. 24
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0391"n="369"/><fwplace="top"type="header">§. 383. Einleitung.</fw><lb/>
die Gränzen dieſes Gebietes, zu beſtimmen (§ 344). Eine<lb/>ſolche Gränzbeſtimmung kann nach zwei Seiten hin nöthig<lb/>ſeyn, je nachdem neben einander, oder nach einander, ver-<lb/>ſchiedene Rechtsregeln als geltend gedacht werden. Von<lb/>
der erſten Art, der Beſtimmung der örtlichen Gränzen, iſt<lb/>
bisher gehandelt worden (Kap. <hirendition="#aq">I.</hi>). Es bleibt nun noch<lb/>
die zweite Art der Gränzbeſtimmung übrig, die ſich auf die<lb/>
zeitlichen Gränzen bezieht.</p><lb/><p>Dabei wird vorausgeſetzt, daß an demſelben Orte in<lb/>
zwei verſchiedenen Zeiträumen verſchiedene Rechtsregeln<lb/>
gelten, zu welchen ein gegebenes Rechtsverhältniß, oder eine<lb/>
einzelne Rechtsfrage, in ſolche Beziehung kommt, daß es<lb/>
zweifelhaft wird, welche unter jenen beiden Rechtsregeln die<lb/>
Entſcheidung der Frage beherrſchen ſoll. Ein ſolcher Streit<lb/>
zweier Rechtsregeln um die Herrſchaft ſetzt alſo ſtets eine<lb/>
eingetretene Veränderung voraus. Dieſe Veränderung aber,<lb/>ſofern ſie dem Gebiet der nun folgenden Unterſuchung ange-<lb/>
hören ſoll, muß noch näher dahin beſtimmt werden, daß<lb/>
es eine Veränderung in den Rechtsregeln ſelbſt (dem objec-<lb/>
tiven Recht) ſeyn muß, nicht eine bloße Veränderung in<lb/>
den thatſächlichen Bedingungen des Rechtsverhältniſſes (dem<lb/>ſubjectiven Recht), indem nämlich die Veränderungen dieſer<lb/>
letzten Art bereits in Verbindung mit den örtlichen Gränzen<lb/>
der Herrſchaft abgehandelt worden ſind <noteplace="foot"n="(b)">S. o. § 344 am Schluß des §.</note>. Wir ſetzen<lb/>
alſo im Laufe der jetzt folgenden Unterſuchung voraus ein<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">VIII.</hi> 24</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[369/0391]
§. 383. Einleitung.
die Gränzen dieſes Gebietes, zu beſtimmen (§ 344). Eine
ſolche Gränzbeſtimmung kann nach zwei Seiten hin nöthig
ſeyn, je nachdem neben einander, oder nach einander, ver-
ſchiedene Rechtsregeln als geltend gedacht werden. Von
der erſten Art, der Beſtimmung der örtlichen Gränzen, iſt
bisher gehandelt worden (Kap. I.). Es bleibt nun noch
die zweite Art der Gränzbeſtimmung übrig, die ſich auf die
zeitlichen Gränzen bezieht.
Dabei wird vorausgeſetzt, daß an demſelben Orte in
zwei verſchiedenen Zeiträumen verſchiedene Rechtsregeln
gelten, zu welchen ein gegebenes Rechtsverhältniß, oder eine
einzelne Rechtsfrage, in ſolche Beziehung kommt, daß es
zweifelhaft wird, welche unter jenen beiden Rechtsregeln die
Entſcheidung der Frage beherrſchen ſoll. Ein ſolcher Streit
zweier Rechtsregeln um die Herrſchaft ſetzt alſo ſtets eine
eingetretene Veränderung voraus. Dieſe Veränderung aber,
ſofern ſie dem Gebiet der nun folgenden Unterſuchung ange-
hören ſoll, muß noch näher dahin beſtimmt werden, daß
es eine Veränderung in den Rechtsregeln ſelbſt (dem objec-
tiven Recht) ſeyn muß, nicht eine bloße Veränderung in
den thatſächlichen Bedingungen des Rechtsverhältniſſes (dem
ſubjectiven Recht), indem nämlich die Veränderungen dieſer
letzten Art bereits in Verbindung mit den örtlichen Gränzen
der Herrſchaft abgehandelt worden ſind (b). Wir ſetzen
alſo im Laufe der jetzt folgenden Unterſuchung voraus ein
(b) S. o. § 344 am Schluß des §.
VIII. 24
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/391>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.