Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
§ 1. "Die letztwilligen Verordnungen Unserer Ge- sandten ..... sollen auch ferner, wie bisher, in ihrer äußeren Form alsdann gültig seyn, wenn sie die Gesetze des Orts, wo sie errichtet werden, erfüllen."
Ich frage nun, was heißen die Worte: auch ferner, wie bisher? Das Landrecht enthält ja gar Nichts über die Form der Testamente im Ausland. Dagegen enthielt von jeher das gemeine Recht in Deutschland unsere Rechts- regel, und zwar nicht besonders für Gesandte, sondern für alle Inländer, die im Ausland testiren wollten. Der Sinn der ganzen Stelle ist also folgender. Die Gesandten, so wie alle andere Einwohner, können im Auslande testiren nach den Formen des Orts, wo sie sich aufhalten. Dieses Recht nun, das sie ohnehin mit allen andern Inländern theilen, sollen sie auch ferner, wie bisher, ausüben dürfen (§ 1). Zu ihrer Bequemlichkeit aber soll gegenwärtig noch eine neue Form von Testamenten eingeführt und ihnen mit jener früheren zur freien Auswahl anheim gestellt werden (§ 2).
Im J. 1824 wurde mit Weimar ein Vertrag über die gegenseitigen Rechtsverhältnisse der Unterthanen geschlossen, und gleiche oder ganz ähnliche Verträge mit anderen Nach- barstaaten folgten darauf in großer Anzahl (§ 374. qq). In dem Art. 34 jenes Vertrags (m) wird nun gesagt: "Alle Rechtsgeschäfte unter Lebenden, und auf den Todes-
(m) Gesetzsammlung 1824 S. 154.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
§ 1. „Die letztwilligen Verordnungen Unſerer Ge- ſandten ..... ſollen auch ferner, wie bisher, in ihrer äußeren Form alsdann gültig ſeyn, wenn ſie die Geſetze des Orts, wo ſie errichtet werden, erfüllen.“
Ich frage nun, was heißen die Worte: auch ferner, wie bisher? Das Landrecht enthält ja gar Nichts über die Form der Teſtamente im Ausland. Dagegen enthielt von jeher das gemeine Recht in Deutſchland unſere Rechts- regel, und zwar nicht beſonders für Geſandte, ſondern für alle Inländer, die im Ausland teſtiren wollten. Der Sinn der ganzen Stelle iſt alſo folgender. Die Geſandten, ſo wie alle andere Einwohner, können im Auslande teſtiren nach den Formen des Orts, wo ſie ſich aufhalten. Dieſes Recht nun, das ſie ohnehin mit allen andern Inländern theilen, ſollen ſie auch ferner, wie bisher, ausüben dürfen (§ 1). Zu ihrer Bequemlichkeit aber ſoll gegenwärtig noch eine neue Form von Teſtamenten eingeführt und ihnen mit jener früheren zur freien Auswahl anheim geſtellt werden (§ 2).
Im J. 1824 wurde mit Weimar ein Vertrag über die gegenſeitigen Rechtsverhältniſſe der Unterthanen geſchloſſen, und gleiche oder ganz ähnliche Verträge mit anderen Nach- barſtaaten folgten darauf in großer Anzahl (§ 374. qq). In dem Art. 34 jenes Vertrags (m) wird nun geſagt: „Alle Rechtsgeſchäfte unter Lebenden, und auf den Todes-
(m) Geſetzſammlung 1824 S. 154.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
§ 1. „Die letztwilligen Verordnungen Unſerer Ge-
ſandten ..... ſollen auch ferner, wie
bisher, in ihrer äußeren Form alsdann
gültig ſeyn, wenn ſie die Geſetze des Orts,
wo ſie errichtet werden, erfüllen.“
Ich frage nun, was heißen die Worte: auch ferner,
wie bisher? Das Landrecht enthält ja gar Nichts über
die Form der Teſtamente im Ausland. Dagegen enthielt
von jeher das gemeine Recht in Deutſchland unſere Rechts-
regel, und zwar nicht beſonders für Geſandte, ſondern für
alle Inländer, die im Ausland teſtiren wollten. Der Sinn
der ganzen Stelle iſt alſo folgender. Die Geſandten, ſo
wie alle andere Einwohner, können im Auslande teſtiren
nach den Formen des Orts, wo ſie ſich aufhalten. Dieſes
Recht nun, das ſie ohnehin mit allen andern Inländern theilen,
ſollen ſie auch ferner, wie bisher, ausüben dürfen (§ 1).
Zu ihrer Bequemlichkeit aber ſoll gegenwärtig noch eine
neue Form von Teſtamenten eingeführt und ihnen mit jener
früheren zur freien Auswahl anheim geſtellt werden (§ 2).
Im J. 1824 wurde mit Weimar ein Vertrag über die
gegenſeitigen Rechtsverhältniſſe der Unterthanen geſchloſſen,
und gleiche oder ganz ähnliche Verträge mit anderen Nach-
barſtaaten folgten darauf in großer Anzahl (§ 374. qq).
In dem Art. 34 jenes Vertrags (m) wird nun geſagt:
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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