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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

III. Auf Obligationen, vorzüglich auf obligatorische
Verträge, steht der ausgedehntesten Anwendung unsrer
Regel Nichts im Wege (d), obgleich diese Art der An-
wendung weniger häufig zur Sprache kommt. Einige Bei-
spiele werden dieselbe anschaulich machen.

In manchen Gesetzen sind für die obligatorischen Ver-
träge über Grundstücke besondere Formen erforderlich (welche
von der Uebertragung des Eigenthums ganz verschieden
sind), anstatt daß das Römische Recht solche Formen nicht
kennt. Nach unsrer Regel nun hat es kein Bedenken, daß
die Gültigkeit einer solchen Handlung abgemessen werden
muß nach dem Gesetz des Ortes, wo der Vertrag geschlossen
wird, ohne Rücksicht auf die lex rei sitae. Ich habe diesen
Fall besonders hervor, um darauf aufmerksam zu machen,
daß im Preußischen Recht das Gegentheil ausdrücklich vor-
geschrieben ist (e). Darin liegt also eine entschiedene, mit
Absicht und Bewußtseyn vorgeschriebene einzelne Ausnahme
der Regel: locus regit actum.


(d) Wächter II. S. 405.
(e) Allg. Landrecht I. 5 § 115.
"In allen Fällen, wo unbeweg-
liche Sachen, deren Eigenthum,
Besitz oder Nutzung, der Gegen-
stand eines Vertrages sind, müssen
wegen der Form die Gesetze des
Ortes, wo die Sache liegt, beob-
achtet werden:" Das Preußische
Recht fordert aber für alle Ver-
träge über Grundstücke schriftliche
Abfassung, welches freilich nicht
ganz ausdrücklich gesagt ist, aber
doch unzweifelhaft folgt aus I. 5
§ 135, I. 10 § 15--17, I. 21
§ 233, und auch schon daraus,
daß der Gegenstand solcher Ver-
träge fast immer mehr, als Funfzig
Thaler (I. 5 § 131), werth seyn
wird. Als Regel für Verträge
überhaupt gilt dagegen der Satz:
locus regit actum (I. 5 § 111),
und diese Regel wird bei den außer
Landes geschlossenen Verträgen über
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

III. Auf Obligationen, vorzüglich auf obligatoriſche
Verträge, ſteht der ausgedehnteſten Anwendung unſrer
Regel Nichts im Wege (d), obgleich dieſe Art der An-
wendung weniger häufig zur Sprache kommt. Einige Bei-
ſpiele werden dieſelbe anſchaulich machen.

In manchen Geſetzen ſind für die obligatoriſchen Ver-
träge über Grundſtücke beſondere Formen erforderlich (welche
von der Uebertragung des Eigenthums ganz verſchieden
ſind), anſtatt daß das Römiſche Recht ſolche Formen nicht
kennt. Nach unſrer Regel nun hat es kein Bedenken, daß
die Gültigkeit einer ſolchen Handlung abgemeſſen werden
muß nach dem Geſetz des Ortes, wo der Vertrag geſchloſſen
wird, ohne Rückſicht auf die lex rei sitae. Ich habe dieſen
Fall beſonders hervor, um darauf aufmerkſam zu machen,
daß im Preußiſchen Recht das Gegentheil ausdrücklich vor-
geſchrieben iſt (e). Darin liegt alſo eine entſchiedene, mit
Abſicht und Bewußtſeyn vorgeſchriebene einzelne Ausnahme
der Regel: locus regit actum.


(d) Wächter II. S. 405.
(e) Allg. Landrecht I. 5 § 115.
„In allen Fällen, wo unbeweg-
liche Sachen, deren Eigenthum,
Beſitz oder Nutzung, der Gegen-
ſtand eines Vertrages ſind, müſſen
wegen der Form die Geſetze des
Ortes, wo die Sache liegt, beob-
achtet werden:“ Das Preußiſche
Recht fordert aber für alle Ver-
träge über Grundſtücke ſchriftliche
Abfaſſung, welches freilich nicht
ganz ausdrücklich geſagt iſt, aber
doch unzweifelhaft folgt aus I. 5
§ 135, I. 10 § 15—17, I. 21
§ 233, und auch ſchon daraus,
daß der Gegenſtand ſolcher Ver-
träge faſt immer mehr, als Funfzig
Thaler (I. 5 § 131), werth ſeyn
wird. Als Regel für Verträge
überhaupt gilt dagegen der Satz:
locus regit actum (I. 5 § 111),
und dieſe Regel wird bei den außer
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[354/0376] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. III. Auf Obligationen, vorzüglich auf obligatoriſche Verträge, ſteht der ausgedehnteſten Anwendung unſrer Regel Nichts im Wege (d), obgleich dieſe Art der An- wendung weniger häufig zur Sprache kommt. Einige Bei- ſpiele werden dieſelbe anſchaulich machen. In manchen Geſetzen ſind für die obligatoriſchen Ver- träge über Grundſtücke beſondere Formen erforderlich (welche von der Uebertragung des Eigenthums ganz verſchieden ſind), anſtatt daß das Römiſche Recht ſolche Formen nicht kennt. Nach unſrer Regel nun hat es kein Bedenken, daß die Gültigkeit einer ſolchen Handlung abgemeſſen werden muß nach dem Geſetz des Ortes, wo der Vertrag geſchloſſen wird, ohne Rückſicht auf die lex rei sitae. Ich habe dieſen Fall beſonders hervor, um darauf aufmerkſam zu machen, daß im Preußiſchen Recht das Gegentheil ausdrücklich vor- geſchrieben iſt (e). Darin liegt alſo eine entſchiedene, mit Abſicht und Bewußtſeyn vorgeſchriebene einzelne Ausnahme der Regel: locus regit actum. (d) Wächter II. S. 405. (e) Allg. Landrecht I. 5 § 115. „In allen Fällen, wo unbeweg- liche Sachen, deren Eigenthum, Beſitz oder Nutzung, der Gegen- ſtand eines Vertrages ſind, müſſen wegen der Form die Geſetze des Ortes, wo die Sache liegt, beob- achtet werden:“ Das Preußiſche Recht fordert aber für alle Ver- träge über Grundſtücke ſchriftliche Abfaſſung, welches freilich nicht ganz ausdrücklich geſagt iſt, aber doch unzweifelhaft folgt aus I. 5 § 135, I. 10 § 15—17, I. 21 § 233, und auch ſchon daraus, daß der Gegenſtand ſolcher Ver- träge faſt immer mehr, als Funfzig Thaler (I. 5 § 131), werth ſeyn wird. Als Regel für Verträge überhaupt gilt dagegen der Satz: locus regit actum (I. 5 § 111), und dieſe Regel wird bei den außer Landes geſchloſſenen Verträgen über

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/376>, abgerufen am 24.11.2024.