Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
dung zu bringen; ja dieses Letzte wird oft völlig unmöglich seyn, wie es in dem folgenden Beispiel anschaulich werden muß. Wenn ein Preuße in Frankreich erkrankt, und ein Testament zu machen wünscht, so müßte er dazu, nach der oben vorläufig aufgestellten Regel, die Mitwirkung eines Gerichts gebrauchen, da das Preußische Recht keine anderen Testamente, als gerichtliche, anerkennt. In Frankreich aber hat kein Gericht die Befugniß, bei einem Testamente thätig zu seyn, da dieses Geschäft lediglich den Notarien zu- kommt (b). Daher würde jener Preuße genöthigt seyn, die Errichtung eines Testaments völlig zu unterlassen, vielleicht zum größten Nachtheil der Familie.
Die nahe liegende Erwägung der in diesen Umständen liegenden großen Härte, wodurch Rechtsgeschäfte zuweilen ganz unmöglich werden, noch öfter in die Gefahr der Un- gültigkeit durch mangelhafte Ausführung kommen, und zwar beides nur in Folge von gesetzlichen Formen, die ge- wiß nicht zur Hemmung und Erschwerung des Verkehrs eingeführt sind, -- diese Erwägung hat schon seit dem sechszehenten Jahrhundert mit stets steigender Ueberein- stimmung ein allgemeines Gewohnheitsrecht herbeigeführt, welches an die Stelle der oben vorläufig aufgestellten Re- gel tritt, und die eben dargestellten Schwierigkeiten beseitigt. Die neu gebildete Regel wird so ausgedrückt: Locus regit actum, und hat den Sinn, daß die Form eines Rechtsge-
(b)Code civil art. 971--979.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
dung zu bringen; ja dieſes Letzte wird oft völlig unmöglich ſeyn, wie es in dem folgenden Beiſpiel anſchaulich werden muß. Wenn ein Preuße in Frankreich erkrankt, und ein Teſtament zu machen wünſcht, ſo müßte er dazu, nach der oben vorläufig aufgeſtellten Regel, die Mitwirkung eines Gerichts gebrauchen, da das Preußiſche Recht keine anderen Teſtamente, als gerichtliche, anerkennt. In Frankreich aber hat kein Gericht die Befugniß, bei einem Teſtamente thätig zu ſeyn, da dieſes Geſchäft lediglich den Notarien zu- kommt (b). Daher würde jener Preuße genöthigt ſeyn, die Errichtung eines Teſtaments völlig zu unterlaſſen, vielleicht zum größten Nachtheil der Familie.
Die nahe liegende Erwägung der in dieſen Umſtänden liegenden großen Härte, wodurch Rechtsgeſchäfte zuweilen ganz unmöglich werden, noch öfter in die Gefahr der Un- gültigkeit durch mangelhafte Ausführung kommen, und zwar beides nur in Folge von geſetzlichen Formen, die ge- wiß nicht zur Hemmung und Erſchwerung des Verkehrs eingeführt ſind, — dieſe Erwägung hat ſchon ſeit dem ſechszehenten Jahrhundert mit ſtets ſteigender Ueberein- ſtimmung ein allgemeines Gewohnheitsrecht herbeigeführt, welches an die Stelle der oben vorläufig aufgeſtellten Re- gel tritt, und die eben dargeſtellten Schwierigkeiten beſeitigt. Die neu gebildete Regel wird ſo ausgedrückt: Locus regit actum, und hat den Sinn, daß die Form eines Rechtsge-
(b)Code civil art. 971—979.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
dung zu bringen; ja dieſes Letzte wird oft völlig unmöglich
ſeyn, wie es in dem folgenden Beiſpiel anſchaulich werden
muß. Wenn ein Preuße in Frankreich erkrankt, und ein
Teſtament zu machen wünſcht, ſo müßte er dazu, nach der
oben vorläufig aufgeſtellten Regel, die Mitwirkung eines
Gerichts gebrauchen, da das Preußiſche Recht keine anderen
Teſtamente, als gerichtliche, anerkennt. In Frankreich aber
hat kein Gericht die Befugniß, bei einem Teſtamente thätig
zu ſeyn, da dieſes Geſchäft lediglich den Notarien zu-
kommt (b). Daher würde jener Preuße genöthigt ſeyn, die
Errichtung eines Teſtaments völlig zu unterlaſſen, vielleicht
zum größten Nachtheil der Familie.
Die nahe liegende Erwägung der in dieſen Umſtänden
liegenden großen Härte, wodurch Rechtsgeſchäfte zuweilen
ganz unmöglich werden, noch öfter in die Gefahr der Un-
gültigkeit durch mangelhafte Ausführung kommen, und
zwar beides nur in Folge von geſetzlichen Formen, die ge-
wiß nicht zur Hemmung und Erſchwerung des Verkehrs
eingeführt ſind, — dieſe Erwägung hat ſchon ſeit dem
ſechszehenten Jahrhundert mit ſtets ſteigender Ueberein-
ſtimmung ein allgemeines Gewohnheitsrecht herbeigeführt,
welches an die Stelle der oben vorläufig aufgeſtellten Re-
gel tritt, und die eben dargeſtellten Schwierigkeiten beſeitigt.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/372>, abgerufen am 18.07.2024.
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