4. Eine besondere Rücksicht verdienen die Gesetze, wo- durch die Liberalität eines Ehegatten gegen den andern ein- geschränkt werden soll, wohin insbesondere das im Römischen Recht enthaltene Verbot aller Schenkungen unter Ehegatten gehört.
In dieser Hinsicht entscheidet das Gesetz des Wohn- sitzes; hier aber nicht das des ursprünglichen Wohnsitzes, sondern vielmehr des Wohnsitzes, zu dessen Zeit die Hand- lung vorgenommen wurde. Der Grund dieser, von der vorhergehenden abweichenden, Entscheidung liegt darin, daß Gesetze dieser Art auf Erhaltung der sittlichen Reinheit der Ehe abzwecken, also einen streng positiven Charakter an sich tragen (§ 349). Vergleichen wir diesen Fall mit dem vor- her (unter Num. 3.) abgehandelten, so wird man nicht be- haupten können, daß die an einem Ort des Römischen Rechts geschlossene, nachher an einen anderen Ort verlegte Ehe nur unter dem stillschweigenden Vertrag geschlossen worden sey, daß in derselben zu keiner Zeit eine wirksame Schenkung vorkommen werde. Das Verbot der Schenkung ist vielmehr eine reine Beschränkung der Freiheit, der sich die Ehegatten fügen müssen, kein durch freie Unterwerfung in die Ehe herüber genommenes Rechtsinstitut.
Dagegen kann nicht eingeräumt werden, daß die hier erwähnten Gesetze zu beziehen seyn sollten auf alle in ihrem Bereich liegende Grundstücke, auch wenn die Ehe in einem Lande geführt wird, das eine solche Beschränkung der Frei-
§. 379. V. Familienrecht. A. Ehe.
4. Eine beſondere Rückſicht verdienen die Geſetze, wo- durch die Liberalität eines Ehegatten gegen den andern ein- geſchränkt werden ſoll, wohin insbeſondere das im Römiſchen Recht enthaltene Verbot aller Schenkungen unter Ehegatten gehört.
In dieſer Hinſicht entſcheidet das Geſetz des Wohn- ſitzes; hier aber nicht das des urſprünglichen Wohnſitzes, ſondern vielmehr des Wohnſitzes, zu deſſen Zeit die Hand- lung vorgenommen wurde. Der Grund dieſer, von der vorhergehenden abweichenden, Entſcheidung liegt darin, daß Geſetze dieſer Art auf Erhaltung der ſittlichen Reinheit der Ehe abzwecken, alſo einen ſtreng poſitiven Charakter an ſich tragen (§ 349). Vergleichen wir dieſen Fall mit dem vor- her (unter Num. 3.) abgehandelten, ſo wird man nicht be- haupten können, daß die an einem Ort des Römiſchen Rechts geſchloſſene, nachher an einen anderen Ort verlegte Ehe nur unter dem ſtillſchweigenden Vertrag geſchloſſen worden ſey, daß in derſelben zu keiner Zeit eine wirkſame Schenkung vorkommen werde. Das Verbot der Schenkung iſt vielmehr eine reine Beſchränkung der Freiheit, der ſich die Ehegatten fügen müſſen, kein durch freie Unterwerfung in die Ehe herüber genommenes Rechtsinſtitut.
Dagegen kann nicht eingeräumt werden, daß die hier erwähnten Geſetze zu beziehen ſeyn ſollten auf alle in ihrem Bereich liegende Grundſtücke, auch wenn die Ehe in einem Lande geführt wird, das eine ſolche Beſchränkung der Frei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0357"n="335"/><fwplace="top"type="header">§. 379. <hirendition="#aq">V.</hi> Familienrecht. <hirendition="#aq">A.</hi> Ehe.</fw><lb/><p>4. Eine beſondere Rückſicht verdienen die Geſetze, wo-<lb/>
durch die Liberalität eines Ehegatten gegen den andern ein-<lb/>
geſchränkt werden ſoll, wohin insbeſondere das im Römiſchen<lb/>
Recht enthaltene Verbot aller Schenkungen unter Ehegatten<lb/>
gehört.</p><lb/><p>In dieſer Hinſicht entſcheidet das Geſetz des Wohn-<lb/>ſitzes; hier aber nicht das des urſprünglichen Wohnſitzes,<lb/>ſondern vielmehr des Wohnſitzes, zu deſſen Zeit die Hand-<lb/>
lung vorgenommen wurde. Der Grund dieſer, von der<lb/>
vorhergehenden abweichenden, Entſcheidung liegt darin, daß<lb/>
Geſetze dieſer Art auf Erhaltung der ſittlichen Reinheit der<lb/>
Ehe abzwecken, alſo einen ſtreng poſitiven Charakter an ſich<lb/>
tragen (§ 349). Vergleichen wir dieſen Fall mit dem vor-<lb/>
her (unter Num. 3.) abgehandelten, ſo wird man nicht be-<lb/>
haupten können, daß die an einem Ort des Römiſchen<lb/>
Rechts geſchloſſene, nachher an einen anderen Ort verlegte<lb/>
Ehe nur unter dem ſtillſchweigenden Vertrag geſchloſſen<lb/>
worden ſey, daß in derſelben zu keiner Zeit eine wirkſame<lb/>
Schenkung vorkommen werde. Das Verbot der Schenkung<lb/>
iſt vielmehr eine reine Beſchränkung der Freiheit, der ſich<lb/>
die Ehegatten fügen müſſen, kein durch freie Unterwerfung<lb/>
in die Ehe herüber genommenes Rechtsinſtitut.</p><lb/><p>Dagegen kann nicht eingeräumt werden, daß die hier<lb/>
erwähnten Geſetze zu beziehen ſeyn ſollten auf alle in ihrem<lb/>
Bereich liegende Grundſtücke, auch wenn die Ehe in einem<lb/>
Lande geführt wird, das eine ſolche Beſchränkung der Frei-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[335/0357]
§. 379. V. Familienrecht. A. Ehe.
4. Eine beſondere Rückſicht verdienen die Geſetze, wo-
durch die Liberalität eines Ehegatten gegen den andern ein-
geſchränkt werden ſoll, wohin insbeſondere das im Römiſchen
Recht enthaltene Verbot aller Schenkungen unter Ehegatten
gehört.
In dieſer Hinſicht entſcheidet das Geſetz des Wohn-
ſitzes; hier aber nicht das des urſprünglichen Wohnſitzes,
ſondern vielmehr des Wohnſitzes, zu deſſen Zeit die Hand-
lung vorgenommen wurde. Der Grund dieſer, von der
vorhergehenden abweichenden, Entſcheidung liegt darin, daß
Geſetze dieſer Art auf Erhaltung der ſittlichen Reinheit der
Ehe abzwecken, alſo einen ſtreng poſitiven Charakter an ſich
tragen (§ 349). Vergleichen wir dieſen Fall mit dem vor-
her (unter Num. 3.) abgehandelten, ſo wird man nicht be-
haupten können, daß die an einem Ort des Römiſchen
Rechts geſchloſſene, nachher an einen anderen Ort verlegte
Ehe nur unter dem ſtillſchweigenden Vertrag geſchloſſen
worden ſey, daß in derſelben zu keiner Zeit eine wirkſame
Schenkung vorkommen werde. Das Verbot der Schenkung
iſt vielmehr eine reine Beſchränkung der Freiheit, der ſich
die Ehegatten fügen müſſen, kein durch freie Unterwerfung
in die Ehe herüber genommenes Rechtsinſtitut.
Dagegen kann nicht eingeräumt werden, daß die hier
erwähnten Geſetze zu beziehen ſeyn ſollten auf alle in ihrem
Bereich liegende Grundſtücke, auch wenn die Ehe in einem
Lande geführt wird, das eine ſolche Beſchränkung der Frei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/357>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.