Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
der künftige Erwerb durch das Gesetz des neuen Wohnsitzes geregelt werden soll (k).
Prüfen wir etwas näher die Gründe dieser Meinungen. -- Für die erste spricht unzweifelhaft ein unbefangenes Rechtsgefühl. Als die Ehe geschlossen werden sollte, stand es ganz sicher in dem freien Willen der Frau, die Ehe entweder ganz zu unterlassen, oder an gewisse, das Ver- mögen betreffende, Bedingungen zu knüpfen. Sie hat kei- nen solchen Vertrag geschlossen, vielmehr das durch das Gesetz des Wohnsitzes bestimmte Güterrecht gelten lassen, natürlich also auf dessen stete Fortdauer gerechnet. Jetzt verändert der Mann mit einseitiger Willkür den Wohnsitz, wozu er unstreitig berechtigt ist, und es soll nun ein ganz anderes Güterrecht für diese Ehe herbeigeführt werden. Ist damit die Frau zufrieden, so ist unsre ganze Streitfrage weniger wichtig, da ja auch durch Vertrag eine Aenderung des Güterrechts hätte bewirkt werden können. Die Frage ist aber wichtig, wenn die Veränderung der Frau nach- theilig, und die Frau damit nicht zufrieden ist. Gerade um diese, durch Nichts zu rechtfertigende, einseitige Macht des Mannes über die Rechte der Frau auszuschließen, wurde von den Vertheidigern der ersten Meinung das Da- seyn eines stillschweigenden Vertrages angenommen. Daran
(k)Kierulff S. 78. 79. (am Schluß der ganzen Note). Puchta Pandekten § 113 und: Vorlesungen § 113. Vgl. darüber WächterII. S. 50 (Note 264), und S. 54; er selbst bekennt sich zu der ersten Meinung (Note h).
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
der künftige Erwerb durch das Geſetz des neuen Wohnſitzes geregelt werden ſoll (k).
Prüfen wir etwas näher die Gründe dieſer Meinungen. — Für die erſte ſpricht unzweifelhaft ein unbefangenes Rechtsgefühl. Als die Ehe geſchloſſen werden ſollte, ſtand es ganz ſicher in dem freien Willen der Frau, die Ehe entweder ganz zu unterlaſſen, oder an gewiſſe, das Ver- mögen betreffende, Bedingungen zu knüpfen. Sie hat kei- nen ſolchen Vertrag geſchloſſen, vielmehr das durch das Geſetz des Wohnſitzes beſtimmte Güterrecht gelten laſſen, natürlich alſo auf deſſen ſtete Fortdauer gerechnet. Jetzt verändert der Mann mit einſeitiger Willkür den Wohnſitz, wozu er unſtreitig berechtigt iſt, und es ſoll nun ein ganz anderes Güterrecht für dieſe Ehe herbeigeführt werden. Iſt damit die Frau zufrieden, ſo iſt unſre ganze Streitfrage weniger wichtig, da ja auch durch Vertrag eine Aenderung des Güterrechts hätte bewirkt werden können. Die Frage iſt aber wichtig, wenn die Veränderung der Frau nach- theilig, und die Frau damit nicht zufrieden iſt. Gerade um dieſe, durch Nichts zu rechtfertigende, einſeitige Macht des Mannes über die Rechte der Frau auszuſchließen, wurde von den Vertheidigern der erſten Meinung das Da- ſeyn eines ſtillſchweigenden Vertrages angenommen. Daran
(k)Kierulff S. 78. 79. (am Schluß der ganzen Note). Puchta Pandekten § 113 und: Vorleſungen § 113. Vgl. darüber WächterII. S. 50 (Note 264), und S. 54; er ſelbſt bekennt ſich zu der erſten Meinung (Note h).
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
der künftige Erwerb durch das Geſetz des neuen Wohnſitzes
geregelt werden ſoll (k).
Prüfen wir etwas näher die Gründe dieſer Meinungen.
— Für die erſte ſpricht unzweifelhaft ein unbefangenes
Rechtsgefühl. Als die Ehe geſchloſſen werden ſollte, ſtand
es ganz ſicher in dem freien Willen der Frau, die Ehe
entweder ganz zu unterlaſſen, oder an gewiſſe, das Ver-
mögen betreffende, Bedingungen zu knüpfen. Sie hat kei-
nen ſolchen Vertrag geſchloſſen, vielmehr das durch das
Geſetz des Wohnſitzes beſtimmte Güterrecht gelten laſſen,
natürlich alſo auf deſſen ſtete Fortdauer gerechnet. Jetzt
verändert der Mann mit einſeitiger Willkür den Wohnſitz,
wozu er unſtreitig berechtigt iſt, und es ſoll nun ein ganz
anderes Güterrecht für dieſe Ehe herbeigeführt werden. Iſt
damit die Frau zufrieden, ſo iſt unſre ganze Streitfrage
weniger wichtig, da ja auch durch Vertrag eine Aenderung
des Güterrechts hätte bewirkt werden können. Die Frage
iſt aber wichtig, wenn die Veränderung der Frau nach-
theilig, und die Frau damit nicht zufrieden iſt. Gerade
um dieſe, durch Nichts zu rechtfertigende, einſeitige Macht
des Mannes über die Rechte der Frau auszuſchließen,
wurde von den Vertheidigern der erſten Meinung das Da-
ſeyn eines ſtillſchweigenden Vertrages angenommen. Daran
(k) Kierulff S. 78. 79. (am
Schluß der ganzen Note). Puchta
Pandekten § 113 und: Vorleſungen
§ 113. Vgl. darüber Wächter II.
S. 50 (Note 264), und S. 54; er
ſelbſt bekennt ſich zu der erſten
Meinung (Note h).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/352>, abgerufen am 24.11.2024.
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