Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
verschiedenen Orten: faktisch zur Zeit der Errichtung, und an dem Orte, der in dieser Zeit der Wohnsitz des Testators ist; juristisch zur Zeit des Todes, und an dem Orte, der in dieser Zeit der Wohnsitz ist (§ 393).
2. Die persönliche Fähigkeit des Testators in Beziehung auf dessen physische Eigenschaften (z. B. das Alter) richtet sich nach dem zur Zeit des errichteten Testaments am Wohnsitz des Testators geltenden Gesetz, ohne Rücksicht auf spätere Veränderungen des Wohnsitzes.
3. Der Inhalt des Testaments, insbesondere die gesetzliche Gültigkeit oder Ungültigkeit desselben, richtet sich nach dem am letzten Wohnsitz des Testators geltenden Ge- setz. So insbesondere die Regeln über Enterbung, Präter- ition und Pflichttheil. Dasselbe muß behauptet werden von Legaten und Fideicommissen. Zwar beziehen sich diese auf einzelne, begränzte Gegenstände, und man könnte daher annehmen wollen, daß auf sie die lex rei sitae anwendbar seyn möchte. In der That aber sind diese Rechtsinstitute nur einzelne, untergeordnete Modificationen der gesammten Erbschaft, die nur von ihrem Standpunkt aus richtig be- urtheilt werden können. Jede absondernde Behandlung würde zu den größten Widersprüchen führen können.
Ausnahmen können eintreten durch entgegen stehende zwingende Gesetze. Wenn also durch Testament ein Fami- lienfideicommiß errichtet wird für ein Gut, das in einem fremden Lande liegt, dessen Gesetz Fideicommisse nicht aner- kennt, so entscheidet das für den urtheilenden Richter
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
verſchiedenen Orten: faktiſch zur Zeit der Errichtung, und an dem Orte, der in dieſer Zeit der Wohnſitz des Teſtators iſt; juriſtiſch zur Zeit des Todes, und an dem Orte, der in dieſer Zeit der Wohnſitz iſt (§ 393).
2. Die perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung auf deſſen phyſiſche Eigenſchaften (z. B. das Alter) richtet ſich nach dem zur Zeit des errichteten Teſtaments am Wohnſitz des Teſtators geltenden Geſetz, ohne Rückſicht auf ſpätere Veränderungen des Wohnſitzes.
3. Der Inhalt des Teſtaments, insbeſondere die geſetzliche Gültigkeit oder Ungültigkeit deſſelben, richtet ſich nach dem am letzten Wohnſitz des Teſtators geltenden Ge- ſetz. So insbeſondere die Regeln über Enterbung, Präter- ition und Pflichttheil. Daſſelbe muß behauptet werden von Legaten und Fideicommiſſen. Zwar beziehen ſich dieſe auf einzelne, begränzte Gegenſtände, und man könnte daher annehmen wollen, daß auf ſie die lex rei sitae anwendbar ſeyn möchte. In der That aber ſind dieſe Rechtsinſtitute nur einzelne, untergeordnete Modificationen der geſammten Erbſchaft, die nur von ihrem Standpunkt aus richtig be- urtheilt werden können. Jede abſondernde Behandlung würde zu den größten Widerſprüchen führen können.
Ausnahmen können eintreten durch entgegen ſtehende zwingende Geſetze. Wenn alſo durch Teſtament ein Fami- lienfideicommiß errichtet wird für ein Gut, das in einem fremden Lande liegt, deſſen Geſetz Fideicommiſſe nicht aner- kennt, ſo entſcheidet das für den urtheilenden Richter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0334"n="312"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
verſchiedenen Orten: faktiſch zur Zeit der Errichtung, und<lb/>
an dem Orte, der in dieſer Zeit der Wohnſitz des Teſtators<lb/>
iſt; juriſtiſch zur Zeit des Todes, und an dem Orte, der<lb/>
in dieſer Zeit der Wohnſitz iſt (§ 393).</p><lb/><p>2. Die perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung<lb/>
auf deſſen <hirendition="#g">phyſiſche Eigenſchaften</hi> (z. B. das Alter)<lb/>
richtet ſich nach dem zur Zeit des errichteten Teſtaments<lb/>
am Wohnſitz des Teſtators geltenden Geſetz, ohne Rückſicht<lb/>
auf ſpätere Veränderungen des Wohnſitzes.</p><lb/><p>3. Der Inhalt des Teſtaments, insbeſondere die<lb/>
geſetzliche Gültigkeit oder Ungültigkeit deſſelben, richtet ſich<lb/>
nach dem am letzten Wohnſitz des Teſtators geltenden Ge-<lb/>ſetz. So insbeſondere die Regeln über Enterbung, Präter-<lb/>
ition und Pflichttheil. Daſſelbe muß behauptet werden<lb/>
von Legaten und Fideicommiſſen. Zwar beziehen ſich dieſe<lb/>
auf einzelne, begränzte Gegenſtände, und man könnte daher<lb/>
annehmen wollen, daß auf ſie die <hirendition="#aq">lex rei sitae</hi> anwendbar<lb/>ſeyn möchte. In der That aber ſind dieſe Rechtsinſtitute<lb/>
nur einzelne, untergeordnete Modificationen der geſammten<lb/>
Erbſchaft, die nur von ihrem Standpunkt aus richtig be-<lb/>
urtheilt werden können. Jede abſondernde Behandlung<lb/>
würde zu den größten Widerſprüchen führen können.</p><lb/><p>Ausnahmen können eintreten durch entgegen ſtehende<lb/>
zwingende Geſetze. Wenn alſo durch Teſtament ein Fami-<lb/>
lienfideicommiß errichtet wird für ein Gut, das in einem<lb/>
fremden Lande liegt, deſſen Geſetz Fideicommiſſe nicht aner-<lb/>
kennt, ſo entſcheidet das für den urtheilenden Richter<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[312/0334]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
verſchiedenen Orten: faktiſch zur Zeit der Errichtung, und
an dem Orte, der in dieſer Zeit der Wohnſitz des Teſtators
iſt; juriſtiſch zur Zeit des Todes, und an dem Orte, der
in dieſer Zeit der Wohnſitz iſt (§ 393).
2. Die perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung
auf deſſen phyſiſche Eigenſchaften (z. B. das Alter)
richtet ſich nach dem zur Zeit des errichteten Teſtaments
am Wohnſitz des Teſtators geltenden Geſetz, ohne Rückſicht
auf ſpätere Veränderungen des Wohnſitzes.
3. Der Inhalt des Teſtaments, insbeſondere die
geſetzliche Gültigkeit oder Ungültigkeit deſſelben, richtet ſich
nach dem am letzten Wohnſitz des Teſtators geltenden Ge-
ſetz. So insbeſondere die Regeln über Enterbung, Präter-
ition und Pflichttheil. Daſſelbe muß behauptet werden
von Legaten und Fideicommiſſen. Zwar beziehen ſich dieſe
auf einzelne, begränzte Gegenſtände, und man könnte daher
annehmen wollen, daß auf ſie die lex rei sitae anwendbar
ſeyn möchte. In der That aber ſind dieſe Rechtsinſtitute
nur einzelne, untergeordnete Modificationen der geſammten
Erbſchaft, die nur von ihrem Standpunkt aus richtig be-
urtheilt werden können. Jede abſondernde Behandlung
würde zu den größten Widerſprüchen führen können.
Ausnahmen können eintreten durch entgegen ſtehende
zwingende Geſetze. Wenn alſo durch Teſtament ein Fami-
lienfideicommiß errichtet wird für ein Gut, das in einem
fremden Lande liegt, deſſen Geſetz Fideicommiſſe nicht aner-
kennt, ſo entſcheidet das für den urtheilenden Richter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/334>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.