Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 375. IV. Erbrecht.
Theil eben so viel Anspruch auf Beachtung, als der größere.
Geben wir aber Dieses auf, so bliebe dann nur noch übrig,
den Ort der Erbschaft überall anzunehmen, wo sich irgend
eine einzelne, zum Vermögen gehörende, Sache befindet.
Dieses aber würde wieder dahin führen, bei einem ausge-
dehnten und zerstreuten Vermögen, viele von einander un-
abhängige Erbschaften anzunehmen, die vielleicht ganz ver-
schiedenen Gesetzen unterworfen wären, und damit doch nur
einen Theil der Erbschaft (die dinglichen Rechte) zu treffen,
den andern Theil aber (die Obligationen) unberührt zu
lassen. Es ist einleuchtend, daß dieses Verfahren völlig
willkürlich und grundsatzlos ist, ja auf einen leeren Schein,
ohne Wahrheit, führt. Dennoch hat dasselbe zahlreiche An-
hänger gefunden, wovon sogleich weiter die Rede seyn
wird.

Die Grundlage des Römischen Erbrechts ist die Suc-
cessio per universitatem,
die bei jeder Erbfolge angenom-
men werden muß, und neben welcher alle andere Rechts-
verhältnisse als bloße Nebensache erscheinen. Diese ist aber
nur die juristische Form, unter welche das eben erklärte
Wesen des Erbrechts gebracht wird, und von diesem Stand-
punkt aus müssen wir noch besonders vom Römischen Recht
behaupten, daß nach demselben die hier aufgestellte Behaup-
tung über den Sitz des Erbrechts völlig zweifellos erscheint.
Ganz verwerflich aber ist die Ansicht mancher neueren
Schriftsteller, nach welcher die Universalsuccession ein eigen-
thümliches Rechtsinstitut der Römer seyn soll, im Gegensatz

§. 375. IV. Erbrecht.
Theil eben ſo viel Anſpruch auf Beachtung, als der größere.
Geben wir aber Dieſes auf, ſo bliebe dann nur noch übrig,
den Ort der Erbſchaft überall anzunehmen, wo ſich irgend
eine einzelne, zum Vermögen gehörende, Sache befindet.
Dieſes aber würde wieder dahin führen, bei einem ausge-
dehnten und zerſtreuten Vermögen, viele von einander un-
abhängige Erbſchaften anzunehmen, die vielleicht ganz ver-
ſchiedenen Geſetzen unterworfen wären, und damit doch nur
einen Theil der Erbſchaft (die dinglichen Rechte) zu treffen,
den andern Theil aber (die Obligationen) unberührt zu
laſſen. Es iſt einleuchtend, daß dieſes Verfahren völlig
willkürlich und grundſatzlos iſt, ja auf einen leeren Schein,
ohne Wahrheit, führt. Dennoch hat daſſelbe zahlreiche An-
hänger gefunden, wovon ſogleich weiter die Rede ſeyn
wird.

Die Grundlage des Römiſchen Erbrechts iſt die Suc-
cessio per universitatem,
die bei jeder Erbfolge angenom-
men werden muß, und neben welcher alle andere Rechts-
verhältniſſe als bloße Nebenſache erſcheinen. Dieſe iſt aber
nur die juriſtiſche Form, unter welche das eben erklärte
Weſen des Erbrechts gebracht wird, und von dieſem Stand-
punkt aus müſſen wir noch beſonders vom Römiſchen Recht
behaupten, daß nach demſelben die hier aufgeſtellte Behaup-
tung über den Sitz des Erbrechts völlig zweifellos erſcheint.
Ganz verwerflich aber iſt die Anſicht mancher neueren
Schriftſteller, nach welcher die Univerſalſucceſſion ein eigen-
thümliches Rechtsinſtitut der Römer ſeyn ſoll, im Gegenſatz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0319" n="297"/><fw place="top" type="header">§. 375. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Erbrecht.</fw><lb/>
Theil eben &#x017F;o viel An&#x017F;pruch auf Beachtung, als der größere.<lb/>
Geben wir aber Die&#x017F;es auf, &#x017F;o bliebe dann nur noch übrig,<lb/>
den Ort der Erb&#x017F;chaft überall anzunehmen, wo &#x017F;ich irgend<lb/>
eine einzelne, zum Vermögen gehörende, Sache befindet.<lb/>
Die&#x017F;es aber würde wieder dahin führen, bei einem ausge-<lb/>
dehnten und zer&#x017F;treuten Vermögen, viele von einander un-<lb/>
abhängige Erb&#x017F;chaften anzunehmen, die vielleicht ganz ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;etzen unterworfen wären, und damit doch nur<lb/>
einen Theil der Erb&#x017F;chaft (die dinglichen Rechte) zu treffen,<lb/>
den andern Theil aber (die Obligationen) unberührt zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Es i&#x017F;t einleuchtend, daß die&#x017F;es Verfahren völlig<lb/>
willkürlich und grund&#x017F;atzlos i&#x017F;t, ja auf einen leeren Schein,<lb/>
ohne Wahrheit, führt. Dennoch hat da&#x017F;&#x017F;elbe zahlreiche An-<lb/>
hänger gefunden, wovon &#x017F;ogleich weiter die Rede &#x017F;eyn<lb/>
wird.</p><lb/>
            <p>Die Grundlage des Römi&#x017F;chen Erbrechts i&#x017F;t die <hi rendition="#aq">Suc-<lb/>
cessio per universitatem,</hi> die bei jeder Erbfolge angenom-<lb/>
men werden muß, und neben welcher alle andere Rechts-<lb/>
verhältni&#x017F;&#x017F;e als bloße Neben&#x017F;ache er&#x017F;cheinen. Die&#x017F;e i&#x017F;t aber<lb/>
nur die juri&#x017F;ti&#x017F;che Form, unter welche das eben erklärte<lb/>
We&#x017F;en des Erbrechts gebracht wird, und von die&#x017F;em Stand-<lb/>
punkt aus mü&#x017F;&#x017F;en wir noch be&#x017F;onders vom Römi&#x017F;chen Recht<lb/>
behaupten, daß nach dem&#x017F;elben die hier aufge&#x017F;tellte Behaup-<lb/>
tung über den Sitz des Erbrechts völlig zweifellos er&#x017F;cheint.<lb/>
Ganz verwerflich aber i&#x017F;t die An&#x017F;icht mancher neueren<lb/>
Schrift&#x017F;teller, nach welcher die Univer&#x017F;al&#x017F;ucce&#x017F;&#x017F;ion ein eigen-<lb/>
thümliches Rechtsin&#x017F;titut der Römer &#x017F;eyn &#x017F;oll, im Gegen&#x017F;atz<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0319] §. 375. IV. Erbrecht. Theil eben ſo viel Anſpruch auf Beachtung, als der größere. Geben wir aber Dieſes auf, ſo bliebe dann nur noch übrig, den Ort der Erbſchaft überall anzunehmen, wo ſich irgend eine einzelne, zum Vermögen gehörende, Sache befindet. Dieſes aber würde wieder dahin führen, bei einem ausge- dehnten und zerſtreuten Vermögen, viele von einander un- abhängige Erbſchaften anzunehmen, die vielleicht ganz ver- ſchiedenen Geſetzen unterworfen wären, und damit doch nur einen Theil der Erbſchaft (die dinglichen Rechte) zu treffen, den andern Theil aber (die Obligationen) unberührt zu laſſen. Es iſt einleuchtend, daß dieſes Verfahren völlig willkürlich und grundſatzlos iſt, ja auf einen leeren Schein, ohne Wahrheit, führt. Dennoch hat daſſelbe zahlreiche An- hänger gefunden, wovon ſogleich weiter die Rede ſeyn wird. Die Grundlage des Römiſchen Erbrechts iſt die Suc- cessio per universitatem, die bei jeder Erbfolge angenom- men werden muß, und neben welcher alle andere Rechts- verhältniſſe als bloße Nebenſache erſcheinen. Dieſe iſt aber nur die juriſtiſche Form, unter welche das eben erklärte Weſen des Erbrechts gebracht wird, und von dieſem Stand- punkt aus müſſen wir noch beſonders vom Römiſchen Recht behaupten, daß nach demſelben die hier aufgeſtellte Behaup- tung über den Sitz des Erbrechts völlig zweifellos erſcheint. Ganz verwerflich aber iſt die Anſicht mancher neueren Schriftſteller, nach welcher die Univerſalſucceſſion ein eigen- thümliches Rechtsinſtitut der Römer ſeyn ſoll, im Gegenſatz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/319
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/319>, abgerufen am 27.11.2024.