§. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen.
Zeit stets wachsenden Rechtsgemeinschaft (§ 348). Daher hat es auch kein Bedenken, daß derselbe Grundsatz auch anderwärts in Staatsverträgen festgestellt, ja selbst ohne solche Verträge von den darin übereinstimmenden Gerichten verschiedener Staaten, unter ausdrücklicher oder stillschwei- gender Genehmigung ihrer Regierungen, geltend gemacht werden könnte.
Der Inhalt der hier angegebenen Verträge ist aber nicht blos unmittelbar wichtig für das Verhältniß zwischen Preußen und den dabei betheiligten Staaten, und mittelbar für das Verhältniß zu anderen fremden Staaten als Grundlage einer gütlichen Unterhandlung mit denselben, wie so eben bemerkt wurde. Vielmehr können diese Verträge, indem sie Aufschluß geben über den Sinn unsrer Gesetzgebung, zugleich dazu dienen, eine auf das innere Verhältniß unsrer verschiedenen Landestheile bezügliche Rechtsfrage zu beant- worten. Wenn in Berlin ein Concurs eröffnet wird, zum Vermögen des Schuldners aber Grundstücke und beweg- liche Sachen gehören, die sich in Neuvorpommern befinden (wo das Römische Recht gilt), und dort durch bloßen Vertrag verpfändet sind, so fragt sich, wie sich der Werth dieser Sachen zu jenem Concurse verhalte. Ständen die Richter jenes Landestheils unter der Preußischen Gerichts- ordnung, so müßten sie den Werth der erwähnten Sachen, (oder die beweglichen Sachen in Natur) dem Berliner
§. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen.
Zeit ſtets wachſenden Rechtsgemeinſchaft (§ 348). Daher hat es auch kein Bedenken, daß derſelbe Grundſatz auch anderwärts in Staatsverträgen feſtgeſtellt, ja ſelbſt ohne ſolche Verträge von den darin übereinſtimmenden Gerichten verſchiedener Staaten, unter ausdrücklicher oder ſtillſchwei- gender Genehmigung ihrer Regierungen, geltend gemacht werden könnte.
Der Inhalt der hier angegebenen Verträge iſt aber nicht blos unmittelbar wichtig für das Verhältniß zwiſchen Preußen und den dabei betheiligten Staaten, und mittelbar für das Verhältniß zu anderen fremden Staaten als Grundlage einer gütlichen Unterhandlung mit denſelben, wie ſo eben bemerkt wurde. Vielmehr können dieſe Verträge, indem ſie Aufſchluß geben über den Sinn unſrer Geſetzgebung, zugleich dazu dienen, eine auf das innere Verhältniß unſrer verſchiedenen Landestheile bezügliche Rechtsfrage zu beant- worten. Wenn in Berlin ein Concurs eröffnet wird, zum Vermögen des Schuldners aber Grundſtücke und beweg- liche Sachen gehören, die ſich in Neuvorpommern befinden (wo das Römiſche Recht gilt), und dort durch bloßen Vertrag verpfändet ſind, ſo fragt ſich, wie ſich der Werth dieſer Sachen zu jenem Concurſe verhalte. Ständen die Richter jenes Landestheils unter der Preußiſchen Gerichts- ordnung, ſo müßten ſie den Werth der erwähnten Sachen, (oder die beweglichen Sachen in Natur) dem Berliner
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§. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen.
Zeit ſtets wachſenden Rechtsgemeinſchaft (§ 348). Daher
hat es auch kein Bedenken, daß derſelbe Grundſatz auch
anderwärts in Staatsverträgen feſtgeſtellt, ja ſelbſt ohne
ſolche Verträge von den darin übereinſtimmenden Gerichten
verſchiedener Staaten, unter ausdrücklicher oder ſtillſchwei-
gender Genehmigung ihrer Regierungen, geltend gemacht
werden könnte.
Der Inhalt der hier angegebenen Verträge iſt aber nicht
blos unmittelbar wichtig für das Verhältniß zwiſchen Preußen
und den dabei betheiligten Staaten, und mittelbar für das
Verhältniß zu anderen fremden Staaten als Grundlage
einer gütlichen Unterhandlung mit denſelben, wie ſo eben
bemerkt wurde. Vielmehr können dieſe Verträge, indem
ſie Aufſchluß geben über den Sinn unſrer Geſetzgebung,
zugleich dazu dienen, eine auf das innere Verhältniß unſrer
verſchiedenen Landestheile bezügliche Rechtsfrage zu beant-
worten. Wenn in Berlin ein Concurs eröffnet wird, zum
Vermögen des Schuldners aber Grundſtücke und beweg-
liche Sachen gehören, die ſich in Neuvorpommern befinden
(wo das Römiſche Recht gilt), und dort durch bloßen
Vertrag verpfändet ſind, ſo fragt ſich, wie ſich der Werth
dieſer Sachen zu jenem Concurſe verhalte. Ständen die
Richter jenes Landestheils unter der Preußiſchen Gerichts-
ordnung, ſo müßten ſie den Werth der erwähnten Sachen,
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/315>, abgerufen am 27.11.2024.
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