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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen.
auch umgekehrt der Richter, in dessen Amtssprengel ein
Verbot der vor ihm eingeklagten Zinsen nicht besteht, die
Zinsen als gültig anzusehen haben, ohne Rücksicht auf das
etwa anderwärts (am Sitz der Obligation) geltende Verbot.
Diese negative Behauptung wird nicht nur durch die Con-
sequenz der ersten, positiven gefordert, sondern auch aus
folgendem Grunde. Die Anwendbarkeit eines bestimmten
örtlichen Rechtes auf eine Obligation gründet sich überhaupt
auf die anzunehmende freie Unterwerfung; eine solche Unter-
werfung kann aber durchaus nicht angenommen werden,
wenn sie auf ein Gesetz führen würde, welches gerade die
hier vorliegende Obligation entkräften müßte (§ 372. C).

Dieselbe Behauptung, wie bei den wucherlichen Ver-
trägen, muß auch aufgestellt werden für die Spielschulden,
wenn diese nach dem einen Gesetze als gültig, nach dem
anderen als ungültig, anzusehen seyn sollten. Das Gesetz
des Ortes, an welchem geklagt wird, kann allein über die
Gültigkeit der Obligation entscheiden.

Eben so verhält es sich mit der Lex Anastasiana bei
Schuldforderungen, die unter ihrem Nominalwerth verkauft
werden. Dieses Gesetz beruht auf der Voraussetzung, daß
ein solcher Handel für den Schuldner gefährlich und be-
drückend werden könne, und sucht ihn als unsittlich und
gemeinschädlich zu verhüten durch die Vorschrift, daß eine
unter solchen Bedingungen erworbene Forderung nur bis
auf die Höhe des bezahlten Kaufpreises geltend gemacht

§. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen.
auch umgekehrt der Richter, in deſſen Amtsſprengel ein
Verbot der vor ihm eingeklagten Zinſen nicht beſteht, die
Zinſen als gültig anzuſehen haben, ohne Rückſicht auf das
etwa anderwärts (am Sitz der Obligation) geltende Verbot.
Dieſe negative Behauptung wird nicht nur durch die Con-
ſequenz der erſten, poſitiven gefordert, ſondern auch aus
folgendem Grunde. Die Anwendbarkeit eines beſtimmten
örtlichen Rechtes auf eine Obligation gründet ſich überhaupt
auf die anzunehmende freie Unterwerfung; eine ſolche Unter-
werfung kann aber durchaus nicht angenommen werden,
wenn ſie auf ein Geſetz führen würde, welches gerade die
hier vorliegende Obligation entkräften müßte (§ 372. C).

Dieſelbe Behauptung, wie bei den wucherlichen Ver-
trägen, muß auch aufgeſtellt werden für die Spielſchulden,
wenn dieſe nach dem einen Geſetze als gültig, nach dem
anderen als ungültig, anzuſehen ſeyn ſollten. Das Geſetz
des Ortes, an welchem geklagt wird, kann allein über die
Gültigkeit der Obligation entſcheiden.

Eben ſo verhält es ſich mit der Lex Anastasiana bei
Schuldforderungen, die unter ihrem Nominalwerth verkauft
werden. Dieſes Geſetz beruht auf der Vorausſetzung, daß
ein ſolcher Handel für den Schuldner gefährlich und be-
drückend werden könne, und ſucht ihn als unſittlich und
gemeinſchädlich zu verhüten durch die Vorſchrift, daß eine
unter ſolchen Bedingungen erworbene Forderung nur bis
auf die Höhe des bezahlten Kaufpreiſes geltend gemacht

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[277/0299] §. 374. III. Obligationenrecht. Einzelne Rechtsfragen. auch umgekehrt der Richter, in deſſen Amtsſprengel ein Verbot der vor ihm eingeklagten Zinſen nicht beſteht, die Zinſen als gültig anzuſehen haben, ohne Rückſicht auf das etwa anderwärts (am Sitz der Obligation) geltende Verbot. Dieſe negative Behauptung wird nicht nur durch die Con- ſequenz der erſten, poſitiven gefordert, ſondern auch aus folgendem Grunde. Die Anwendbarkeit eines beſtimmten örtlichen Rechtes auf eine Obligation gründet ſich überhaupt auf die anzunehmende freie Unterwerfung; eine ſolche Unter- werfung kann aber durchaus nicht angenommen werden, wenn ſie auf ein Geſetz führen würde, welches gerade die hier vorliegende Obligation entkräften müßte (§ 372. C). Dieſelbe Behauptung, wie bei den wucherlichen Ver- trägen, muß auch aufgeſtellt werden für die Spielſchulden, wenn dieſe nach dem einen Geſetze als gültig, nach dem anderen als ungültig, anzuſehen ſeyn ſollten. Das Geſetz des Ortes, an welchem geklagt wird, kann allein über die Gültigkeit der Obligation entſcheiden. Eben ſo verhält es ſich mit der Lex Anastasiana bei Schuldforderungen, die unter ihrem Nominalwerth verkauft werden. Dieſes Geſetz beruht auf der Vorausſetzung, daß ein ſolcher Handel für den Schuldner gefährlich und be- drückend werden könne, und ſucht ihn als unſittlich und gemeinſchädlich zu verhüten durch die Vorſchrift, daß eine unter ſolchen Bedingungen erworbene Forderung nur bis auf die Höhe des bezahlten Kaufpreiſes geltend gemacht

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/299>, abgerufen am 27.11.2024.