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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
gesprochene rechtskräftige Urtheil auch anderwärts, selbst in
einem anderen Lande, anzuerkennen ist. Die zweite Frage
betrifft die Modalitäten in den Bedingungen und Wirkungen
des rechtskräftigen Urtheils, die in den Gesetzen verschie-
dener Länder verschieden bestimmt seyn können. Unsere
Schriftsteller denken meist nur an die erste Frage. Wer
aber diese zum Vortheil der Gültigkeit des rechtskräftigen
Urtheils beantwortet, muß consequenterweise auch auf die
Modalitäten das Gesetz des Orts anwenden, an welchem
das Urtheil gesprochen wurde, da man doch überhaupt das
Urtheil nur in dem Sinn kann anwenden wollen, in welchem
der urtheilende Richter dasselbe erlassen hat.

Dieser Gegensatz tritt hervor in der Fassung vieler Ver-
träge, die von der Preußischen Regierung mit Nachbarstaa-
ten geschlossen worden sind (g). Nach der wörtlichen
Fassung dieser Verträge könnte man annehmen, wenn ein
in Weimar gesprochenes Urtheil in einem Preußischen Ge-
richt vorgebracht werde, so müsse die exceptio rei judicatae
so angewendet werden, wie es den Preußischen Regeln
über diese Exception, nicht, wie es den Weimarschen (ge-
meinrechtlichen) entspreche. An diesen feineren Gegensatz

(g) Vertrag mit Weimar Art. 3
(s. o. § 348) "Ein von einem zu-
ständigen Gericht gefälltes rechts-
kräftiges Erkenntniß begründet vor
den Gerichten des andern Staates
die Einrede des rechtskräftigen Ur-
theils (exceptio rei judicatae)
mit denselben Wirkungen,
als wenn das Urtheil von einem
Gericht desjenigen Staates, in
welchem solche Einrede geltend ge-
macht wird, gesprochen wäre". --
Eben so mit mehreren anderen
Nachbarstaaten.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
geſprochene rechtskräftige Urtheil auch anderwärts, ſelbſt in
einem anderen Lande, anzuerkennen iſt. Die zweite Frage
betrifft die Modalitäten in den Bedingungen und Wirkungen
des rechtskräftigen Urtheils, die in den Geſetzen verſchie-
dener Länder verſchieden beſtimmt ſeyn können. Unſere
Schriftſteller denken meiſt nur an die erſte Frage. Wer
aber dieſe zum Vortheil der Gültigkeit des rechtskräftigen
Urtheils beantwortet, muß conſequenterweiſe auch auf die
Modalitäten das Geſetz des Orts anwenden, an welchem
das Urtheil geſprochen wurde, da man doch überhaupt das
Urtheil nur in dem Sinn kann anwenden wollen, in welchem
der urtheilende Richter daſſelbe erlaſſen hat.

Dieſer Gegenſatz tritt hervor in der Faſſung vieler Ver-
träge, die von der Preußiſchen Regierung mit Nachbarſtaa-
ten geſchloſſen worden ſind (g). Nach der wörtlichen
Faſſung dieſer Verträge könnte man annehmen, wenn ein
in Weimar geſprochenes Urtheil in einem Preußiſchen Ge-
richt vorgebracht werde, ſo müſſe die exceptio rei judicatae
ſo angewendet werden, wie es den Preußiſchen Regeln
über dieſe Exception, nicht, wie es den Weimarſchen (ge-
meinrechtlichen) entſpreche. An dieſen feineren Gegenſatz

(g) Vertrag mit Weimar Art. 3
(ſ. o. § 348) „Ein von einem zu-
ſtändigen Gericht gefälltes rechts-
kräftiges Erkenntniß begründet vor
den Gerichten des andern Staates
die Einrede des rechtskräftigen Ur-
theils (exceptio rei judicatae)
mit denſelben Wirkungen,
als wenn das Urtheil von einem
Gericht desjenigen Staates, in
welchem ſolche Einrede geltend ge-
macht wird, geſprochen wäre“. —
Eben ſo mit mehreren anderen
Nachbarſtaaten.
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[260/0282] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. geſprochene rechtskräftige Urtheil auch anderwärts, ſelbſt in einem anderen Lande, anzuerkennen iſt. Die zweite Frage betrifft die Modalitäten in den Bedingungen und Wirkungen des rechtskräftigen Urtheils, die in den Geſetzen verſchie- dener Länder verſchieden beſtimmt ſeyn können. Unſere Schriftſteller denken meiſt nur an die erſte Frage. Wer aber dieſe zum Vortheil der Gültigkeit des rechtskräftigen Urtheils beantwortet, muß conſequenterweiſe auch auf die Modalitäten das Geſetz des Orts anwenden, an welchem das Urtheil geſprochen wurde, da man doch überhaupt das Urtheil nur in dem Sinn kann anwenden wollen, in welchem der urtheilende Richter daſſelbe erlaſſen hat. Dieſer Gegenſatz tritt hervor in der Faſſung vieler Ver- träge, die von der Preußiſchen Regierung mit Nachbarſtaa- ten geſchloſſen worden ſind (g). Nach der wörtlichen Faſſung dieſer Verträge könnte man annehmen, wenn ein in Weimar geſprochenes Urtheil in einem Preußiſchen Ge- richt vorgebracht werde, ſo müſſe die exceptio rei judicatae ſo angewendet werden, wie es den Preußiſchen Regeln über dieſe Exception, nicht, wie es den Weimarſchen (ge- meinrechtlichen) entſpreche. An dieſen feineren Gegenſatz (g) Vertrag mit Weimar Art. 3 (ſ. o. § 348) „Ein von einem zu- ſtändigen Gericht gefälltes rechts- kräftiges Erkenntniß begründet vor den Gerichten des andern Staates die Einrede des rechtskräftigen Ur- theils (exceptio rei judicatae) mit denſelben Wirkungen, als wenn das Urtheil von einem Gericht desjenigen Staates, in welchem ſolche Einrede geltend ge- macht wird, geſprochen wäre“. — Eben ſo mit mehreren anderen Nachbarſtaaten.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/282>, abgerufen am 25.11.2024.