Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Insofern also fällt die Bestimmung des örtlichen Rechts ganz zusammen mit der Bestimmung des Gerichtsstandes. Nur darin ist ein wichtiger Unterschied wahrzunehmen, daß neben dem besonderen Gerichtsstand der Obligation auch noch der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes wirksam bleibt, mit freiem Wahlrecht des Klägers; anstatt daß das anwendbare örtliche Recht einem solchen einseitigen Wahl- recht nicht unterworfen seyn kann, sondern ausschließend durch den fest bestimmten Erfüllungsort, in dessen Erman- gelung durch den Ort der Entstehung der Obligation, oder durch den Wohnsitz des Schuldners, je nach Verschieden- heit der Fälle, bestimmt werden muß.
Die Ableitung der hier aufgestellten Regeln aus der vermutheten freiwilligen Unterwerfung des Schuldners un- ter ein bestimmtes örtliches Recht hat einige wichtige prak- tische Folgen, die hier zusammengestellt werden sollen.
A. Dieses örtliche Recht tritt zurück, wenn es in Widerspruch steht mit einer am Ort des urtheilenden Rich- ters geltenden zwingenden, streng positiven Rechtsregel (§ 349), indem in solchen Fällen der freie Wille der Parteien überhaupt keinen Einfluß haben kann (b1).
B. Das angegebene örtliche Recht tritt gleichfalls zurück, wenn die Vermuthung der freiwilligen Unterwerfung
(b1) Vgl. WächterII. S. 397--405. Foelix p. 145.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Inſofern alſo fällt die Beſtimmung des örtlichen Rechts ganz zuſammen mit der Beſtimmung des Gerichtsſtandes. Nur darin iſt ein wichtiger Unterſchied wahrzunehmen, daß neben dem beſonderen Gerichtsſtand der Obligation auch noch der allgemeine Gerichtsſtand des Wohnſitzes wirkſam bleibt, mit freiem Wahlrecht des Klägers; anſtatt daß das anwendbare örtliche Recht einem ſolchen einſeitigen Wahl- recht nicht unterworfen ſeyn kann, ſondern ausſchließend durch den feſt beſtimmten Erfüllungsort, in deſſen Erman- gelung durch den Ort der Entſtehung der Obligation, oder durch den Wohnſitz des Schuldners, je nach Verſchieden- heit der Fälle, beſtimmt werden muß.
Die Ableitung der hier aufgeſtellten Regeln aus der vermutheten freiwilligen Unterwerfung des Schuldners un- ter ein beſtimmtes örtliches Recht hat einige wichtige prak- tiſche Folgen, die hier zuſammengeſtellt werden ſollen.
A. Dieſes örtliche Recht tritt zurück, wenn es in Widerſpruch ſteht mit einer am Ort des urtheilenden Rich- ters geltenden zwingenden, ſtreng poſitiven Rechtsregel (§ 349), indem in ſolchen Fällen der freie Wille der Parteien überhaupt keinen Einfluß haben kann (b¹).
B. Das angegebene örtliche Recht tritt gleichfalls zurück, wenn die Vermuthung der freiwilligen Unterwerfung
(b¹) Vgl. WächterII. S. 397—405. Foelix p. 145.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Inſofern alſo fällt die Beſtimmung des örtlichen Rechts
ganz zuſammen mit der Beſtimmung des Gerichtsſtandes.
Nur darin iſt ein wichtiger Unterſchied wahrzunehmen, daß
neben dem beſonderen Gerichtsſtand der Obligation auch
noch der allgemeine Gerichtsſtand des Wohnſitzes wirkſam
bleibt, mit freiem Wahlrecht des Klägers; anſtatt daß das
anwendbare örtliche Recht einem ſolchen einſeitigen Wahl-
recht nicht unterworfen ſeyn kann, ſondern ausſchließend
durch den feſt beſtimmten Erfüllungsort, in deſſen Erman-
gelung durch den Ort der Entſtehung der Obligation, oder
durch den Wohnſitz des Schuldners, je nach Verſchieden-
heit der Fälle, beſtimmt werden muß.
Die Ableitung der hier aufgeſtellten Regeln aus der
vermutheten freiwilligen Unterwerfung des Schuldners un-
ter ein beſtimmtes örtliches Recht hat einige wichtige prak-
tiſche Folgen, die hier zuſammengeſtellt werden ſollen.
A. Dieſes örtliche Recht tritt zurück, wenn es in
Widerſpruch ſteht mit einer am Ort des urtheilenden Rich-
ters geltenden zwingenden, ſtreng poſitiven Rechtsregel
(§ 349), indem in ſolchen Fällen der freie Wille der
Parteien überhaupt keinen Einfluß haben kann (b¹).
B. Das angegebene örtliche Recht tritt gleichfalls
zurück, wenn die Vermuthung der freiwilligen Unterwerfung
(b¹) Vgl. Wächter II. S. 397—405. Foelix p. 145.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/270>, abgerufen am 24.11.2024.
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