Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
das forum rei sitae ganz unbekannt (b). Allein es wurde
schon frühe für die Eigenthumsklage eingeführt (c), und
später auf andere Klagen in rem ausgedehnt (d). Es gilt
jedoch nicht als ausschließender Gerichtsstand, sondern so,
daß der Kläger die Wahl hat zwischen dem (speciellen) fo-
rum rei sitae
und dem (allgemeinen) forum domicilii. Allein
eine solche, von einseitiger Willkür abhängige, Unbestimmt-
heit würde für die Bestimmung des örtlichen Rechts, das
einer festen Regel bedarf, nicht anwendbar sein. Daher
muß für diesen Zweck Eines von Beiden ausschließend
gelten, und dieses Eine wird nur das örtliche Recht der
gelegenen Sache (lex rei sitae) sein können, indem dasselbe
durch den speciellen, gerade auf dieses einzelne Rechtsver-
hältniß gerichteten, Willen gerechtfertigt wird. Dieser Vor-
zug wird auch noch durch einen anderen Grund unterstützt.
Zu demselben Recht auf eine einzelne Sache können meh-
rere Personen in Beziehung stehen, deren jede einen beson-
deren Wohnsitz haben kann. Sollte nun das Recht des

(b) Vatic. fragm. § 326. --
Das Gegentheil folgt nicht aus
L. 24 § 2 de jud. (5. 1), welche
Stelle nicht vom forum rei sitae
spricht, sondern von dem forum
originis,
das jeder Römische Bür-
ger in der Stadt Rom, noch neben
seiner besonderen Heimath, hatte,
dem sich aber die Legaten entziehen
konnten (§ 352. k).
(c) L. 3. C. ubi in rem
(3. 19).
(d) Nov. 69. -- Ob diese Aus-
dehnung hier als ganz neues Recht
eingeführt, oder nur anerkannt
werden sollte, während sie schon
früher in die Praxis Eingang ge-
funden hatte, ist in Ermangelung
von Quellen nicht zu entscheiden.
Mühlenbruch Archiv B. 19
S. 377 behauptet wohl zu be-
stimmt, daß jenes Gesetz nichts
Neues enthalten sollte.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
das forum rei sitae ganz unbekannt (b). Allein es wurde
ſchon frühe für die Eigenthumsklage eingeführt (c), und
ſpäter auf andere Klagen in rem ausgedehnt (d). Es gilt
jedoch nicht als ausſchließender Gerichtsſtand, ſondern ſo,
daß der Kläger die Wahl hat zwiſchen dem (ſpeciellen) fo-
rum rei sitae
und dem (allgemeinen) forum domicilii. Allein
eine ſolche, von einſeitiger Willkür abhängige, Unbeſtimmt-
heit würde für die Beſtimmung des örtlichen Rechts, das
einer feſten Regel bedarf, nicht anwendbar ſein. Daher
muß für dieſen Zweck Eines von Beiden ausſchließend
gelten, und dieſes Eine wird nur das örtliche Recht der
gelegenen Sache (lex rei sitae) ſein können, indem daſſelbe
durch den ſpeciellen, gerade auf dieſes einzelne Rechtsver-
hältniß gerichteten, Willen gerechtfertigt wird. Dieſer Vor-
zug wird auch noch durch einen anderen Grund unterſtützt.
Zu demſelben Recht auf eine einzelne Sache können meh-
rere Perſonen in Beziehung ſtehen, deren jede einen beſon-
deren Wohnſitz haben kann. Sollte nun das Recht des

(b) Vatic. fragm. § 326. —
Das Gegentheil folgt nicht aus
L. 24 § 2 de jud. (5. 1), welche
Stelle nicht vom forum rei sitae
ſpricht, ſondern von dem forum
originis,
das jeder Römiſche Bür-
ger in der Stadt Rom, noch neben
ſeiner beſonderen Heimath, hatte,
dem ſich aber die Legaten entziehen
konnten (§ 352. k).
(c) L. 3. C. ubi in rem
(3. 19).
(d) Nov. 69. — Ob dieſe Aus-
dehnung hier als ganz neues Recht
eingeführt, oder nur anerkannt
werden ſollte, während ſie ſchon
früher in die Praxis Eingang ge-
funden hatte, iſt in Ermangelung
von Quellen nicht zu entſcheiden.
Mühlenbruch Archiv B. 19
S. 377 behauptet wohl zu be-
ſtimmt, daß jenes Geſetz nichts
Neues enthalten ſollte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0192" n="170"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
das <hi rendition="#aq">forum rei sitae</hi> ganz unbekannt <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">Vatic. fragm.</hi> § 326. &#x2014;<lb/>
Das Gegentheil folgt nicht aus<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 24 § 2 <hi rendition="#i">de jud.</hi></hi> (5. 1), welche<lb/>
Stelle nicht vom <hi rendition="#aq">forum rei sitae</hi><lb/>
&#x017F;pricht, &#x017F;ondern von dem <hi rendition="#aq">forum<lb/>
originis,</hi> das jeder Römi&#x017F;che Bür-<lb/>
ger in der Stadt Rom, noch neben<lb/>
&#x017F;einer be&#x017F;onderen Heimath, hatte,<lb/>
dem &#x017F;ich aber die Legaten entziehen<lb/>
konnten (§ 352. <hi rendition="#aq">k</hi>).</note>. Allein es wurde<lb/>
&#x017F;chon frühe für die Eigenthumsklage eingeführt <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3. <hi rendition="#i">C. ubi in rem</hi></hi><lb/>
(3. 19).</note>, und<lb/>
&#x017F;päter auf andere Klagen <hi rendition="#aq">in rem</hi> ausgedehnt <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Nov.</hi></hi> 69. &#x2014; Ob die&#x017F;e Aus-<lb/>
dehnung hier als ganz neues Recht<lb/>
eingeführt, oder nur anerkannt<lb/>
werden &#x017F;ollte, während &#x017F;ie &#x017F;chon<lb/>
früher in die Praxis Eingang ge-<lb/>
funden hatte, i&#x017F;t in Ermangelung<lb/>
von Quellen nicht zu <choice><sic>eut&#x017F;cheiden</sic><corr>ent&#x017F;cheiden</corr></choice>.<lb/><hi rendition="#g">Mühlenbruch</hi> Archiv B. 19<lb/>
S. 377 behauptet wohl zu be-<lb/>
&#x017F;timmt, daß jenes Ge&#x017F;etz nichts<lb/>
Neues enthalten &#x017F;ollte.</note>. Es gilt<lb/>
jedoch nicht als aus&#x017F;chließender Gerichts&#x017F;tand, &#x017F;ondern &#x017F;o,<lb/>
daß der Kläger die Wahl hat zwi&#x017F;chen dem (&#x017F;peciellen) <hi rendition="#aq">fo-<lb/>
rum rei sitae</hi> und dem (allgemeinen) <hi rendition="#aq">forum domicilii.</hi> Allein<lb/>
eine &#x017F;olche, von ein&#x017F;eitiger Willkür abhängige, Unbe&#x017F;timmt-<lb/>
heit würde für die Be&#x017F;timmung des örtlichen Rechts, das<lb/>
einer fe&#x017F;ten Regel bedarf, nicht anwendbar &#x017F;ein. Daher<lb/>
muß für die&#x017F;en Zweck Eines von Beiden aus&#x017F;chließend<lb/>
gelten, und die&#x017F;es Eine wird nur das örtliche Recht der<lb/>
gelegenen Sache (<hi rendition="#aq">lex rei sitae</hi>) &#x017F;ein können, indem da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
durch den &#x017F;peciellen, gerade auf die&#x017F;es einzelne Rechtsver-<lb/>
hältniß gerichteten, Willen gerechtfertigt wird. Die&#x017F;er Vor-<lb/>
zug wird auch noch durch einen anderen Grund unter&#x017F;tützt.<lb/>
Zu dem&#x017F;elben Recht auf eine einzelne Sache können meh-<lb/>
rere Per&#x017F;onen in Beziehung &#x017F;tehen, deren jede einen be&#x017F;on-<lb/>
deren Wohn&#x017F;itz haben kann. Sollte nun das Recht des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0192] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. das forum rei sitae ganz unbekannt (b). Allein es wurde ſchon frühe für die Eigenthumsklage eingeführt (c), und ſpäter auf andere Klagen in rem ausgedehnt (d). Es gilt jedoch nicht als ausſchließender Gerichtsſtand, ſondern ſo, daß der Kläger die Wahl hat zwiſchen dem (ſpeciellen) fo- rum rei sitae und dem (allgemeinen) forum domicilii. Allein eine ſolche, von einſeitiger Willkür abhängige, Unbeſtimmt- heit würde für die Beſtimmung des örtlichen Rechts, das einer feſten Regel bedarf, nicht anwendbar ſein. Daher muß für dieſen Zweck Eines von Beiden ausſchließend gelten, und dieſes Eine wird nur das örtliche Recht der gelegenen Sache (lex rei sitae) ſein können, indem daſſelbe durch den ſpeciellen, gerade auf dieſes einzelne Rechtsver- hältniß gerichteten, Willen gerechtfertigt wird. Dieſer Vor- zug wird auch noch durch einen anderen Grund unterſtützt. Zu demſelben Recht auf eine einzelne Sache können meh- rere Perſonen in Beziehung ſtehen, deren jede einen beſon- deren Wohnſitz haben kann. Sollte nun das Recht des (b) Vatic. fragm. § 326. — Das Gegentheil folgt nicht aus L. 24 § 2 de jud. (5. 1), welche Stelle nicht vom forum rei sitae ſpricht, ſondern von dem forum originis, das jeder Römiſche Bür- ger in der Stadt Rom, noch neben ſeiner beſonderen Heimath, hatte, dem ſich aber die Legaten entziehen konnten (§ 352. k). (c) L. 3. C. ubi in rem (3. 19). (d) Nov. 69. — Ob dieſe Aus- dehnung hier als ganz neues Recht eingeführt, oder nur anerkannt werden ſollte, während ſie ſchon früher in die Praxis Eingang ge- funden hatte, iſt in Ermangelung von Quellen nicht zu entſcheiden. Mühlenbruch Archiv B. 19 S. 377 behauptet wohl zu be- ſtimmt, daß jenes Geſetz nichts Neues enthalten ſollte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/192
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/192>, abgerufen am 23.11.2024.