Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Eine zweite Bemerkung betrifft den Wohnsitz, als den hier anerkannten Bestimmungsgrund für das in jedem ein- zelnen Fall anwendbare örtliche Recht über den persönlichen Zustand. Der Wohnsitz aber hat eine veränderliche wech- selnde Natur, und daher wird auch der persönliche Rechts- zustand in Folge des veränderten Wohnsitzes wandelbar seyn, dergestalt, daß der Rechtszustand in jeder Zeit zu be- urtheilen ist nach dem örtlichen Recht des gegenwärtigen Wohnsitzes, nicht nach dem des früheren, wenngleich dieser von der Geburt an bestanden haben sollte (k).
Als Regel ist dieser Satz ziemlich allgemein anerkannt (l), und er wird namentlich, wenn auch nur auf indirecte Weise, durch eine Stelle des Preußischen Landrechts bestä- tigt (m). Nach zwei Seiten bedarf derselbe jedoch einer genaueren Erwägung.
Erstlich wird jener Satz leicht und allgemein anerkannt werden von den Gerichten des neuen Wohnsitzes; eben so auch von den Gerichten irgend eines dritten Ortes. Dage- gen findet sich nicht selten ein Widerspruch von Seiten der Gerichte des früheren Wohnsitzes, welche ihr eigenes ört-
(k) Diese ganze Frage gehört zu den oben, § 344. e, vorbehaltenen.
(l)Story § 69 fg.
(m) A. L. R. Einl. § 24. "Eine bloße Entfernung aus seiner Gerichtsbarkeit, bei welcher die Absicht, einen andern Wohnsitz zu wählen, noch nicht mit Zuver- lässigkeit erhellet, verändert die persönlichen Rechte und Pflichten dieses Menschen nicht." Darin liegt der unzweifelhafte Gegensatz, daß die zuverlässige Wahl eines neuen Wohnsitzes die persönlichen Rechte in der That verändert.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Eine zweite Bemerkung betrifft den Wohnſitz, als den hier anerkannten Beſtimmungsgrund für das in jedem ein- zelnen Fall anwendbare örtliche Recht über den perſönlichen Zuſtand. Der Wohnſitz aber hat eine veränderliche wech- ſelnde Natur, und daher wird auch der perſönliche Rechts- zuſtand in Folge des veränderten Wohnſitzes wandelbar ſeyn, dergeſtalt, daß der Rechtszuſtand in jeder Zeit zu be- urtheilen iſt nach dem örtlichen Recht des gegenwärtigen Wohnſitzes, nicht nach dem des früheren, wenngleich dieſer von der Geburt an beſtanden haben ſollte (k).
Als Regel iſt dieſer Satz ziemlich allgemein anerkannt (l), und er wird namentlich, wenn auch nur auf indirecte Weiſe, durch eine Stelle des Preußiſchen Landrechts beſtä- tigt (m). Nach zwei Seiten bedarf derſelbe jedoch einer genaueren Erwägung.
Erſtlich wird jener Satz leicht und allgemein anerkannt werden von den Gerichten des neuen Wohnſitzes; eben ſo auch von den Gerichten irgend eines dritten Ortes. Dage- gen findet ſich nicht ſelten ein Widerſpruch von Seiten der Gerichte des früheren Wohnſitzes, welche ihr eigenes ört-
(k) Dieſe ganze Frage gehört zu den oben, § 344. e, vorbehaltenen.
(l)Story § 69 fg.
(m) A. L. R. Einl. § 24. „Eine bloße Entfernung aus ſeiner Gerichtsbarkeit, bei welcher die Abſicht, einen andern Wohnſitz zu wählen, noch nicht mit Zuver- läſſigkeit erhellet, verändert die perſönlichen Rechte und Pflichten dieſes Menſchen nicht.“ Darin liegt der unzweifelhafte Gegenſatz, daß die zuverläſſige Wahl eines neuen Wohnſitzes die perſönlichen Rechte in der That verändert.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Eine zweite Bemerkung betrifft den Wohnſitz, als den
hier anerkannten Beſtimmungsgrund für das in jedem ein-
zelnen Fall anwendbare örtliche Recht über den perſönlichen
Zuſtand. Der Wohnſitz aber hat eine veränderliche wech-
ſelnde Natur, und daher wird auch der perſönliche Rechts-
zuſtand in Folge des veränderten Wohnſitzes wandelbar
ſeyn, dergeſtalt, daß der Rechtszuſtand in jeder Zeit zu be-
urtheilen iſt nach dem örtlichen Recht des gegenwärtigen
Wohnſitzes, nicht nach dem des früheren, wenngleich dieſer
von der Geburt an beſtanden haben ſollte (k).
Als Regel iſt dieſer Satz ziemlich allgemein anerkannt
(l), und er wird namentlich, wenn auch nur auf indirecte
Weiſe, durch eine Stelle des Preußiſchen Landrechts beſtä-
tigt (m). Nach zwei Seiten bedarf derſelbe jedoch einer
genaueren Erwägung.
Erſtlich wird jener Satz leicht und allgemein anerkannt
werden von den Gerichten des neuen Wohnſitzes; eben ſo
auch von den Gerichten irgend eines dritten Ortes. Dage-
gen findet ſich nicht ſelten ein Widerſpruch von Seiten der
Gerichte des früheren Wohnſitzes, welche ihr eigenes ört-
(k) Dieſe ganze Frage gehört
zu den oben, § 344. e, vorbehaltenen.
(l) Story § 69 fg.
(m) A. L. R. Einl. § 24.
„Eine bloße Entfernung aus ſeiner
Gerichtsbarkeit, bei welcher die
Abſicht, einen andern Wohnſitz
zu wählen, noch nicht mit Zuver-
läſſigkeit erhellet, verändert die
perſönlichen Rechte und Pflichten
dieſes Menſchen nicht.“ Darin
liegt der unzweifelhafte Gegenſatz,
daß die zuverläſſige Wahl eines
neuen Wohnſitzes die perſönlichen
Rechte in der That verändert.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/188>, abgerufen am 24.07.2024.
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