Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
formelle Natur hat. Denn der Ort, wo das Rechtsver- hältniß im juristischen Sinn existent wird, kann nur durch genaueres Eingehen in die individuelle Natur jedes Rechts- verhältnisses erkannt werden, und dabei ist die vorherrschende, an die Spitze gestellte Rücksicht auf den Entstehungsort nur störend, nicht fördernd.
5. Es soll stets dasjenige örtliche Recht angewendet werden, wodurch wohlerworbene Rechte aufrecht erhalten werden (p).
Dieser Grundsatz führt auf einen bloßen Zirkel. Denn welche Rechte wohlerworben sind, können wir nur erfahren, wenn wir zuvor wissen, nach welchem örtlichen Rechte wir den vollzogenen Erwerb zu beurtheilen haben.
In dieser allgemeinen Uebersicht sollen zuletzt noch einige der in neuerer Zeit erschienenen umfassenden Gesetzbücher für größere Europäische Staaten erwähnt werden.
Das Preußische Allgemeine Landrecht (q) erkennt den Grundsatz der Rechtsgleichheit in der Behandlung der In- länder und Ausländer sehr bestimmt an (r), und wo da- von Ausnahmen vorkommen, da haben diese durchaus nicht den Zweck, dem einheimischen Recht eine ausschließende Herr- schaft auch über Fremde zu verschaffen, sondern vielmehr
(p) Vgl. über diesen Grundsatz WächterII. S. 1--9.
(q) Vgl. A. L. R. Einleitung § 23--35.
(r) A. L. R. Ein- leitung § 34, vgl. mit §. 23.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
formelle Natur hat. Denn der Ort, wo das Rechtsver- hältniß im juriſtiſchen Sinn exiſtent wird, kann nur durch genaueres Eingehen in die individuelle Natur jedes Rechts- verhältniſſes erkannt werden, und dabei iſt die vorherrſchende, an die Spitze geſtellte Rückſicht auf den Entſtehungsort nur ſtörend, nicht fördernd.
5. Es ſoll ſtets dasjenige örtliche Recht angewendet werden, wodurch wohlerworbene Rechte aufrecht erhalten werden (p).
Dieſer Grundſatz führt auf einen bloßen Zirkel. Denn welche Rechte wohlerworben ſind, können wir nur erfahren, wenn wir zuvor wiſſen, nach welchem örtlichen Rechte wir den vollzogenen Erwerb zu beurtheilen haben.
In dieſer allgemeinen Ueberſicht ſollen zuletzt noch einige der in neuerer Zeit erſchienenen umfaſſenden Geſetzbücher für größere Europäiſche Staaten erwähnt werden.
Das Preußiſche Allgemeine Landrecht (q) erkennt den Grundſatz der Rechtsgleichheit in der Behandlung der In- länder und Ausländer ſehr beſtimmt an (r), und wo da- von Ausnahmen vorkommen, da haben dieſe durchaus nicht den Zweck, dem einheimiſchen Recht eine ausſchließende Herr- ſchaft auch über Fremde zu verſchaffen, ſondern vielmehr
(p) Vgl. über dieſen Grundſatz WächterII. S. 1—9.
(q) Vgl. A. L. R. Einleitung § 23—35.
(r) A. L. R. Ein- leitung § 34, vgl. mit §. 23.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0154"n="132"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
formelle Natur hat. Denn der Ort, wo das Rechtsver-<lb/>
hältniß im juriſtiſchen Sinn exiſtent wird, kann nur durch<lb/>
genaueres Eingehen in die individuelle Natur jedes Rechts-<lb/>
verhältniſſes erkannt werden, und dabei iſt die vorherrſchende,<lb/>
an die Spitze geſtellte Rückſicht auf den Entſtehungsort nur<lb/>ſtörend, nicht fördernd.</p><lb/><p>5. Es ſoll ſtets dasjenige örtliche Recht angewendet<lb/>
werden, wodurch wohlerworbene Rechte aufrecht erhalten<lb/>
werden <noteplace="foot"n="(p)">Vgl. über dieſen Grundſatz <hirendition="#g">Wächter</hi><hirendition="#aq">II.</hi> S. 1—9.</note>.</p><lb/><p>Dieſer Grundſatz führt auf einen bloßen Zirkel. Denn<lb/>
welche Rechte wohlerworben ſind, können wir nur erfahren,<lb/>
wenn wir zuvor wiſſen, nach welchem örtlichen Rechte wir<lb/>
den vollzogenen Erwerb zu beurtheilen haben.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>In dieſer allgemeinen Ueberſicht ſollen zuletzt noch einige<lb/>
der in neuerer Zeit erſchienenen umfaſſenden Geſetzbücher<lb/>
für größere Europäiſche Staaten erwähnt werden.</p><lb/><p>Das Preußiſche Allgemeine Landrecht <noteplace="foot"n="(q)">Vgl. A. L. R. Einleitung § 23—35.</note> erkennt den<lb/>
Grundſatz der Rechtsgleichheit in der Behandlung der In-<lb/>
länder und Ausländer ſehr beſtimmt an <noteplace="foot"n="(r)">A. L. R. Ein-<lb/>
leitung § 34, vgl. mit §. 23.</note>, und wo da-<lb/>
von Ausnahmen vorkommen, da haben dieſe durchaus nicht<lb/>
den Zweck, dem einheimiſchen Recht eine ausſchließende Herr-<lb/>ſchaft auch über Fremde zu verſchaffen, ſondern vielmehr<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[132/0154]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
formelle Natur hat. Denn der Ort, wo das Rechtsver-
hältniß im juriſtiſchen Sinn exiſtent wird, kann nur durch
genaueres Eingehen in die individuelle Natur jedes Rechts-
verhältniſſes erkannt werden, und dabei iſt die vorherrſchende,
an die Spitze geſtellte Rückſicht auf den Entſtehungsort nur
ſtörend, nicht fördernd.
5. Es ſoll ſtets dasjenige örtliche Recht angewendet
werden, wodurch wohlerworbene Rechte aufrecht erhalten
werden (p).
Dieſer Grundſatz führt auf einen bloßen Zirkel. Denn
welche Rechte wohlerworben ſind, können wir nur erfahren,
wenn wir zuvor wiſſen, nach welchem örtlichen Rechte wir
den vollzogenen Erwerb zu beurtheilen haben.
In dieſer allgemeinen Ueberſicht ſollen zuletzt noch einige
der in neuerer Zeit erſchienenen umfaſſenden Geſetzbücher
für größere Europäiſche Staaten erwähnt werden.
Das Preußiſche Allgemeine Landrecht (q) erkennt den
Grundſatz der Rechtsgleichheit in der Behandlung der In-
länder und Ausländer ſehr beſtimmt an (r), und wo da-
von Ausnahmen vorkommen, da haben dieſe durchaus nicht
den Zweck, dem einheimiſchen Recht eine ausſchließende Herr-
ſchaft auch über Fremde zu verſchaffen, ſondern vielmehr
(p) Vgl. über dieſen Grundſatz Wächter II. S. 1—9.
(q) Vgl. A. L. R. Einleitung § 23—35.
(r) A. L. R. Ein-
leitung § 34, vgl. mit §. 23.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/154>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.