Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 361. Übergang zu den einzelnen Rechtsverhältnissen. (Forts.)
der hier bekämpften und der von mir vertheidig-
ten Lehre in der That minder groß ist, als sie
auf den ersten Blick erscheinen mag.
C. Der Richter muß stets das Recht seines eigenen
Landes anwenden, wenn nicht von einem Ver-
hältniß des materiellen Rechts, sondern vielmehr
von der gerichtlichen Rechtsverfolgung die Rede
ist. Dahin gehören nicht blos die für den eigent-
lichen Prozeß geltenden Formen und Regeln, son-
dern auch theilweise die Regeln des Actionen-
rechts. Hierin aber ist die Gränzscheidung oft
sehr schwierig, es muß dabei mit großer Vorsicht
verfahren, und stets auf die wahre Natur und
Bestimmung der einzelnen Rechtsinstitute geachtet
werden. Gar manche Regel ist nur scheinbar der
Rechtsverfolgung, in der That aber dem Rechts-
verhältniß selbst angehörig.

4. Jedes Rechtsverhältniß soll nach dem örtlichen Recht
desjenigen Rechtsgebietes beurtheilt werden, worin es
existent geworden ist (o).

Dieser Grundsatz ist nicht nur willkürlich, weil der Ent-
stehungsort an sich, und abgesehen von möglichen vermit-
telnden Gründen, nicht das anzuwendende örtliche Recht
bestimmen kann, sondern er hat auch blos den Schein eines
materiellen Grundsatzes, während er in der That eine blos

(o) Schäffner § 32. -- Vgl. dagegen Wächter II. S. 32.
9*
§. 361. Übergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen. (Fortſ.)
der hier bekämpften und der von mir vertheidig-
ten Lehre in der That minder groß iſt, als ſie
auf den erſten Blick erſcheinen mag.
C. Der Richter muß ſtets das Recht ſeines eigenen
Landes anwenden, wenn nicht von einem Ver-
hältniß des materiellen Rechts, ſondern vielmehr
von der gerichtlichen Rechtsverfolgung die Rede
iſt. Dahin gehören nicht blos die für den eigent-
lichen Prozeß geltenden Formen und Regeln, ſon-
dern auch theilweiſe die Regeln des Actionen-
rechts. Hierin aber iſt die Gränzſcheidung oft
ſehr ſchwierig, es muß dabei mit großer Vorſicht
verfahren, und ſtets auf die wahre Natur und
Beſtimmung der einzelnen Rechtsinſtitute geachtet
werden. Gar manche Regel iſt nur ſcheinbar der
Rechtsverfolgung, in der That aber dem Rechts-
verhältniß ſelbſt angehörig.

4. Jedes Rechtsverhältniß ſoll nach dem örtlichen Recht
desjenigen Rechtsgebietes beurtheilt werden, worin es
exiſtent geworden iſt (o).

Dieſer Grundſatz iſt nicht nur willkürlich, weil der Ent-
ſtehungsort an ſich, und abgeſehen von möglichen vermit-
telnden Gründen, nicht das anzuwendende örtliche Recht
beſtimmen kann, ſondern er hat auch blos den Schein eines
materiellen Grundſatzes, während er in der That eine blos

(o) Schäffner § 32. — Vgl. dagegen Wächter II. S. 32.
9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0153" n="131"/><fw place="top" type="header">§. 361. Übergang zu den einzelnen Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;en. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
der hier bekämpften und der von mir vertheidig-<lb/>
ten Lehre in der That minder groß i&#x017F;t, als &#x017F;ie<lb/>
auf den er&#x017F;ten Blick er&#x017F;cheinen mag.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#aq">C.</hi> Der Richter muß &#x017F;tets das Recht &#x017F;eines eigenen<lb/>
Landes anwenden, wenn nicht von einem Ver-<lb/>
hältniß des materiellen Rechts, &#x017F;ondern vielmehr<lb/>
von der gerichtlichen Rechtsverfolgung die Rede<lb/>
i&#x017F;t. Dahin gehören nicht blos die für den eigent-<lb/>
lichen Prozeß geltenden Formen und Regeln, &#x017F;on-<lb/>
dern auch theilwei&#x017F;e die Regeln des Actionen-<lb/>
rechts. Hierin aber i&#x017F;t die Gränz&#x017F;cheidung oft<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chwierig, es muß dabei mit großer Vor&#x017F;icht<lb/>
verfahren, und &#x017F;tets auf die wahre Natur und<lb/>
Be&#x017F;timmung der einzelnen Rechtsin&#x017F;titute geachtet<lb/>
werden. Gar manche Regel i&#x017F;t nur &#x017F;cheinbar der<lb/>
Rechtsverfolgung, in der That aber dem Rechts-<lb/>
verhältniß &#x017F;elb&#x017F;t angehörig.</item>
            </list><lb/>
            <p>4. Jedes Rechtsverhältniß &#x017F;oll nach dem örtlichen Recht<lb/>
desjenigen Rechtsgebietes beurtheilt werden, worin es<lb/><hi rendition="#g">exi&#x017F;tent</hi> geworden i&#x017F;t <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#g">Schäffner</hi> § 32. &#x2014; Vgl. dagegen <hi rendition="#g">Wächter</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 32.</note>.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Grund&#x017F;atz i&#x017F;t nicht nur willkürlich, weil der Ent-<lb/>
&#x017F;tehungsort an &#x017F;ich, und abge&#x017F;ehen von möglichen vermit-<lb/>
telnden Gründen, nicht das anzuwendende örtliche Recht<lb/>
be&#x017F;timmen kann, &#x017F;ondern er hat auch blos den Schein eines<lb/>
materiellen Grund&#x017F;atzes, während er in der That eine blos<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0153] §. 361. Übergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen. (Fortſ.) der hier bekämpften und der von mir vertheidig- ten Lehre in der That minder groß iſt, als ſie auf den erſten Blick erſcheinen mag. C. Der Richter muß ſtets das Recht ſeines eigenen Landes anwenden, wenn nicht von einem Ver- hältniß des materiellen Rechts, ſondern vielmehr von der gerichtlichen Rechtsverfolgung die Rede iſt. Dahin gehören nicht blos die für den eigent- lichen Prozeß geltenden Formen und Regeln, ſon- dern auch theilweiſe die Regeln des Actionen- rechts. Hierin aber iſt die Gränzſcheidung oft ſehr ſchwierig, es muß dabei mit großer Vorſicht verfahren, und ſtets auf die wahre Natur und Beſtimmung der einzelnen Rechtsinſtitute geachtet werden. Gar manche Regel iſt nur ſcheinbar der Rechtsverfolgung, in der That aber dem Rechts- verhältniß ſelbſt angehörig. 4. Jedes Rechtsverhältniß ſoll nach dem örtlichen Recht desjenigen Rechtsgebietes beurtheilt werden, worin es exiſtent geworden iſt (o). Dieſer Grundſatz iſt nicht nur willkürlich, weil der Ent- ſtehungsort an ſich, und abgeſehen von möglichen vermit- telnden Gründen, nicht das anzuwendende örtliche Recht beſtimmen kann, ſondern er hat auch blos den Schein eines materiellen Grundſatzes, während er in der That eine blos (o) Schäffner § 32. — Vgl. dagegen Wächter II. S. 32. 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/153
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/153>, abgerufen am 24.11.2024.