Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Endlich muß auch noch Widerspruch eingelegt werden gegen die ganze Gestalt, worin der erwähnte angebliche Grundsatz auftritt. Er soll in der Regel, oder im Zweifel, gelten, also nur dann nicht gelten, wenn die Anwendbar- keit eines anderen örtlichen Rechts vollständig bewiesen werden kann (h). Damit scheint die Geltung des Grund- satzes bevorwortet zu werden für die zahlreichen Fälle, wo- rin für eine oder die andere Meinung scheinbare Gründe, gewichtige Autoritäten, Präjudizien der Gerichte, vorgebracht werden. Es wird also hier gewissermaßen das Verfahren des Civilprozesses angewendet, in welchem Jeder, dem die Beweislast obliegt, den Prozeß verliert, wenn es ihm nicht gelingt, den Beweis zu führen. Diese ganze Art der Be- handlung kann ich nicht billigen. Vielmehr muß für jedes einzelne Rechtsverhältniß das Rechtsgebiet, dem es nach seiner Natur angehört, selbstständig untersucht und festge- stellt werden, so daß in diese Untersuchung keine allgemeine Präsumtion, fördernd oder hindernd, eingemischt werden darf. Dieser Widerspruch übrigens wird nicht blos gegen den eben erwähnten vermeintlichen Grundsatz erhoben, son- dern er ist ganz eben so auch auf den nachfolgenden an- wendbar.
3. Jedes einzelne Rechtsverhältniß soll in der Regel zu beurtheilen sein nach dem Ort des Gerichts, das heißt, nach den Gesetzen des Landes, dem der darüber urtheilende
(h) So besonders bei Puchta Pandekten § 113 Note b
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Endlich muß auch noch Widerſpruch eingelegt werden gegen die ganze Geſtalt, worin der erwähnte angebliche Grundſatz auftritt. Er ſoll in der Regel, oder im Zweifel, gelten, alſo nur dann nicht gelten, wenn die Anwendbar- keit eines anderen örtlichen Rechts vollſtändig bewieſen werden kann (h). Damit ſcheint die Geltung des Grund- ſatzes bevorwortet zu werden für die zahlreichen Fälle, wo- rin für eine oder die andere Meinung ſcheinbare Gründe, gewichtige Autoritäten, Präjudizien der Gerichte, vorgebracht werden. Es wird alſo hier gewiſſermaßen das Verfahren des Civilprozeſſes angewendet, in welchem Jeder, dem die Beweislaſt obliegt, den Prozeß verliert, wenn es ihm nicht gelingt, den Beweis zu führen. Dieſe ganze Art der Be- handlung kann ich nicht billigen. Vielmehr muß für jedes einzelne Rechtsverhältniß das Rechtsgebiet, dem es nach ſeiner Natur angehört, ſelbſtſtändig unterſucht und feſtge- ſtellt werden, ſo daß in dieſe Unterſuchung keine allgemeine Präſumtion, fördernd oder hindernd, eingemiſcht werden darf. Dieſer Widerſpruch übrigens wird nicht blos gegen den eben erwähnten vermeintlichen Grundſatz erhoben, ſon- dern er iſt ganz eben ſo auch auf den nachfolgenden an- wendbar.
3. Jedes einzelne Rechtsverhältniß ſoll in der Regel zu beurtheilen ſein nach dem Ort des Gerichts, das heißt, nach den Geſetzen des Landes, dem der darüber urtheilende
(h) So beſonders bei Puchta Pandekten § 113 Note b
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Endlich muß auch noch Widerſpruch eingelegt werden
gegen die ganze Geſtalt, worin der erwähnte angebliche
Grundſatz auftritt. Er ſoll in der Regel, oder im Zweifel,
gelten, alſo nur dann nicht gelten, wenn die Anwendbar-
keit eines anderen örtlichen Rechts vollſtändig bewieſen
werden kann (h). Damit ſcheint die Geltung des Grund-
ſatzes bevorwortet zu werden für die zahlreichen Fälle, wo-
rin für eine oder die andere Meinung ſcheinbare Gründe,
gewichtige Autoritäten, Präjudizien der Gerichte, vorgebracht
werden. Es wird alſo hier gewiſſermaßen das Verfahren
des Civilprozeſſes angewendet, in welchem Jeder, dem die
Beweislaſt obliegt, den Prozeß verliert, wenn es ihm nicht
gelingt, den Beweis zu führen. Dieſe ganze Art der Be-
handlung kann ich nicht billigen. Vielmehr muß für jedes
einzelne Rechtsverhältniß das Rechtsgebiet, dem es nach
ſeiner Natur angehört, ſelbſtſtändig unterſucht und feſtge-
ſtellt werden, ſo daß in dieſe Unterſuchung keine allgemeine
Präſumtion, fördernd oder hindernd, eingemiſcht werden
darf. Dieſer Widerſpruch übrigens wird nicht blos gegen
den eben erwähnten vermeintlichen Grundſatz erhoben, ſon-
dern er iſt ganz eben ſo auch auf den nachfolgenden an-
wendbar.
3. Jedes einzelne Rechtsverhältniß ſoll in der Regel zu
beurtheilen ſein nach dem Ort des Gerichts, das heißt,
nach den Geſetzen des Landes, dem der darüber urtheilende
(h) So beſonders bei Puchta Pandekten § 113 Note b
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/148>, abgerufen am 24.11.2024.
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