Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. kennen, daß die in neuerer Zeit völlig veränderten Verhält-nisse des Vermögens und des Verkehrs dahin führen, jenen strengen Unterschied aufzugeben. Die Gegner dieser Meinung verkennen zwar nicht die große Schwierigkeit der Ausführung, die in heutiger Zeit mit dem Beharren bei jenem Unter- schied verbunden seyn müsse. Sie pflegen aber auf diesen Umstand etwas vornehm herab zu sehen, indem sie be- haupten, eine solche Unbequemlichkeit dürfe uns nicht hindern, an richtigen Grundsätzen fest zu halten. Dieses möchte zugegeben werden, wenn die Rede wäre von einer bloßen Schwierigkeit für die urtheilenden Richter, deren Mühe und Arbeit also durch die ausgleichende Meinung vermindert werden sollte, Allein die Schwierigkeiten, und die aus diesen entspringenden Nachtheile treffen die Be- theiligten selbst, die Parteien, auf welche die Rechtsregeln anzuwenden sind, und wir dürfen niemals vergessen, daß deren wahres und gleichförmiges Interesse zu fördern, der Zweck der Rechtsregeln ist, daß diese Regeln ihnen dienen sollen, nicht umgekehrt. Und betrachten wir doch genauer, worin der Grundsatz Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. kennen, daß die in neuerer Zeit völlig veränderten Verhält-niſſe des Vermögens und des Verkehrs dahin führen, jenen ſtrengen Unterſchied aufzugeben. Die Gegner dieſer Meinung verkennen zwar nicht die große Schwierigkeit der Ausführung, die in heutiger Zeit mit dem Beharren bei jenem Unter- ſchied verbunden ſeyn müſſe. Sie pflegen aber auf dieſen Umſtand etwas vornehm herab zu ſehen, indem ſie be- haupten, eine ſolche Unbequemlichkeit dürfe uns nicht hindern, an richtigen Grundſätzen feſt zu halten. Dieſes möchte zugegeben werden, wenn die Rede wäre von einer bloßen Schwierigkeit für die urtheilenden Richter, deren Mühe und Arbeit alſo durch die ausgleichende Meinung vermindert werden ſollte, Allein die Schwierigkeiten, und die aus dieſen entſpringenden Nachtheile treffen die Be- theiligten ſelbſt, die Parteien, auf welche die Rechtsregeln anzuwenden ſind, und wir dürfen niemals vergeſſen, daß deren wahres und gleichförmiges Intereſſe zu fördern, der Zweck der Rechtsregeln iſt, daß dieſe Regeln ihnen dienen ſollen, nicht umgekehrt. Und betrachten wir doch genauer, worin der Grundſatz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0138" n="116"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/> kennen, daß die in neuerer Zeit völlig veränderten Verhält-<lb/> niſſe des Vermögens und des Verkehrs dahin führen, jenen<lb/> ſtrengen Unterſchied aufzugeben. Die Gegner dieſer Meinung<lb/> verkennen zwar nicht die große Schwierigkeit der Ausführung,<lb/> die in heutiger Zeit mit dem Beharren bei jenem Unter-<lb/> ſchied verbunden ſeyn müſſe. Sie pflegen aber auf dieſen<lb/> Umſtand etwas vornehm herab zu ſehen, indem ſie be-<lb/> haupten, eine ſolche Unbequemlichkeit dürfe uns nicht<lb/> hindern, an richtigen Grundſätzen feſt zu halten. Dieſes<lb/> möchte zugegeben werden, wenn die Rede wäre von einer<lb/> bloßen Schwierigkeit für die urtheilenden Richter, deren<lb/> Mühe und Arbeit alſo durch die ausgleichende Meinung<lb/> vermindert werden ſollte, Allein die Schwierigkeiten, und<lb/> die aus dieſen entſpringenden Nachtheile treffen die Be-<lb/> theiligten ſelbſt, die Parteien, auf welche die Rechtsregeln<lb/> anzuwenden ſind, und wir dürfen niemals vergeſſen, daß<lb/> deren wahres und gleichförmiges Intereſſe zu fördern, der<lb/> Zweck der Rechtsregeln iſt, daß dieſe Regeln ihnen dienen<lb/> ſollen, nicht umgekehrt.</p><lb/> <p>Und betrachten wir doch genauer, worin der Grundſatz<lb/> beſtehen könnte, der durch die Beſeitigung jener Schwierig-<lb/> keit etwa gefährdet würde. — Man könnte gefährdet glau-<lb/> ben den Vortheil der eigenen Unterthanen, wenn vielleicht<lb/> in einzelnen Fällen ein Grundeigenthum unſres Landes<lb/> durch Vererbung nach Rechtsregeln des Auslandes an einen<lb/> Ausländer fiele, anſtatt an einen Einheimiſchen. Allein<lb/> theils könnte im einzelnen Fall auch gerade der umgekehrte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0138]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
kennen, daß die in neuerer Zeit völlig veränderten Verhält-
niſſe des Vermögens und des Verkehrs dahin führen, jenen
ſtrengen Unterſchied aufzugeben. Die Gegner dieſer Meinung
verkennen zwar nicht die große Schwierigkeit der Ausführung,
die in heutiger Zeit mit dem Beharren bei jenem Unter-
ſchied verbunden ſeyn müſſe. Sie pflegen aber auf dieſen
Umſtand etwas vornehm herab zu ſehen, indem ſie be-
haupten, eine ſolche Unbequemlichkeit dürfe uns nicht
hindern, an richtigen Grundſätzen feſt zu halten. Dieſes
möchte zugegeben werden, wenn die Rede wäre von einer
bloßen Schwierigkeit für die urtheilenden Richter, deren
Mühe und Arbeit alſo durch die ausgleichende Meinung
vermindert werden ſollte, Allein die Schwierigkeiten, und
die aus dieſen entſpringenden Nachtheile treffen die Be-
theiligten ſelbſt, die Parteien, auf welche die Rechtsregeln
anzuwenden ſind, und wir dürfen niemals vergeſſen, daß
deren wahres und gleichförmiges Intereſſe zu fördern, der
Zweck der Rechtsregeln iſt, daß dieſe Regeln ihnen dienen
ſollen, nicht umgekehrt.
Und betrachten wir doch genauer, worin der Grundſatz
beſtehen könnte, der durch die Beſeitigung jener Schwierig-
keit etwa gefährdet würde. — Man könnte gefährdet glau-
ben den Vortheil der eigenen Unterthanen, wenn vielleicht
in einzelnen Fällen ein Grundeigenthum unſres Landes
durch Vererbung nach Rechtsregeln des Auslandes an einen
Ausländer fiele, anſtatt an einen Einheimiſchen. Allein
theils könnte im einzelnen Fall auch gerade der umgekehrte
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