Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
§. 357. Die Römische Lehre von origo und domicilium. Wirkung dieser Verhältnisse. (Fortsetzung.)
Aus der bis hierher geführten Untersuchung ergab es sich, daß die Angehörigkeit einer einzelnen Person an eine bestimmte Stadtgemeinde drei Wirkungen hatte, indem die angehörige Person unterworfen war: 1. den städtischen Lasten, 2. dem Gerichtsstand dieser Stadt, 3. dem eigen- thümlichen positiven Rechte derselben. Diese drei Wirkun- gen standen in einem inneren Zusammenhang, und konnten daher als gleichartig betrachtet werden. Es ist aber nun noch eine wichtige Verschiedenheit unter diesen Wirkungen hervor zu heben.
Wenn eine Person mehreren Städten angehörig war, sei es durch Bürgerrecht oder durch Wohnsitz, so war sie in jeder dieser Städte den Bürgerlasten und dem Gerichts- stand unterworfen, so daß dann eine wahre Concurrenz un- ter den Ansprüchen jener Städte an dieselbe Person ent- stand. Eine solche Concurrenz war bei der Unterordnung der Person unter das positive Recht verschiedener Städte unmöglich, weil sie einen inneren Widerspruch mit sich ge- führt hätte. Dieselbe Person konnte vor verschiedenen Obrigkeiten verklagt werden, je nach der Wahl des Klägers, sie konnte aber nicht nach verschiedenen, vielleicht ganz wi- dersprechenden, Rechtsregeln beurtheilt werden. Es war also nur die Unterordnung unter Ein örtliches Recht mög-
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
§. 357. Die Römiſche Lehre von origo und domicilium. Wirkung dieſer Verhältniſſe. (Fortſetzung.)
Aus der bis hierher geführten Unterſuchung ergab es ſich, daß die Angehörigkeit einer einzelnen Perſon an eine beſtimmte Stadtgemeinde drei Wirkungen hatte, indem die angehörige Perſon unterworfen war: 1. den ſtädtiſchen Laſten, 2. dem Gerichtsſtand dieſer Stadt, 3. dem eigen- thümlichen poſitiven Rechte derſelben. Dieſe drei Wirkun- gen ſtanden in einem inneren Zuſammenhang, und konnten daher als gleichartig betrachtet werden. Es iſt aber nun noch eine wichtige Verſchiedenheit unter dieſen Wirkungen hervor zu heben.
Wenn eine Perſon mehreren Städten angehörig war, ſei es durch Bürgerrecht oder durch Wohnſitz, ſo war ſie in jeder dieſer Städte den Bürgerlaſten und dem Gerichts- ſtand unterworfen, ſo daß dann eine wahre Concurrenz un- ter den Anſprüchen jener Städte an dieſelbe Perſon ent- ſtand. Eine ſolche Concurrenz war bei der Unterordnung der Perſon unter das poſitive Recht verſchiedener Städte unmöglich, weil ſie einen inneren Widerſpruch mit ſich ge- führt hätte. Dieſelbe Perſon konnte vor verſchiedenen Obrigkeiten verklagt werden, je nach der Wahl des Klägers, ſie konnte aber nicht nach verſchiedenen, vielleicht ganz wi- derſprechenden, Rechtsregeln beurtheilt werden. Es war alſo nur die Unterordnung unter Ein örtliches Recht mög-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0108"n="86"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/><divn="3"><head>§. 357.<lb/><hirendition="#g">Die Römiſche Lehre von <hirendition="#aq">origo</hi> und <hirendition="#aq">domicilium.</hi><lb/>
Wirkung dieſer Verhältniſſe. (Fortſetzung.)</hi></head><lb/><p>Aus der bis hierher geführten Unterſuchung ergab es<lb/>ſich, daß die Angehörigkeit einer einzelnen Perſon an eine<lb/>
beſtimmte Stadtgemeinde <hirendition="#g">drei</hi> Wirkungen hatte, indem die<lb/>
angehörige Perſon unterworfen war: 1. den ſtädtiſchen<lb/>
Laſten, 2. dem Gerichtsſtand dieſer Stadt, 3. dem eigen-<lb/>
thümlichen poſitiven Rechte derſelben. Dieſe drei Wirkun-<lb/>
gen ſtanden in einem inneren Zuſammenhang, und konnten<lb/>
daher als gleichartig betrachtet werden. Es iſt aber nun<lb/>
noch eine wichtige Verſchiedenheit unter dieſen Wirkungen<lb/>
hervor zu heben.</p><lb/><p>Wenn eine Perſon mehreren Städten angehörig war,<lb/>ſei es durch Bürgerrecht oder durch Wohnſitz, ſo war ſie<lb/>
in <hirendition="#g">jeder</hi> dieſer Städte den Bürgerlaſten und dem Gerichts-<lb/>ſtand unterworfen, ſo daß dann eine wahre Concurrenz un-<lb/>
ter den Anſprüchen jener Städte an dieſelbe Perſon ent-<lb/>ſtand. Eine ſolche Concurrenz war bei der Unterordnung<lb/>
der Perſon unter das poſitive Recht verſchiedener Städte<lb/>
unmöglich, weil ſie einen inneren Widerſpruch mit ſich ge-<lb/>
führt hätte. Dieſelbe Perſon konnte vor verſchiedenen<lb/>
Obrigkeiten verklagt werden, je nach der Wahl des Klägers,<lb/>ſie konnte aber nicht nach verſchiedenen, vielleicht ganz wi-<lb/>
derſprechenden, Rechtsregeln beurtheilt werden. Es war<lb/>
alſo nur die Unterordnung unter Ein örtliches Recht mög-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[86/0108]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
§. 357.
Die Römiſche Lehre von origo und domicilium.
Wirkung dieſer Verhältniſſe. (Fortſetzung.)
Aus der bis hierher geführten Unterſuchung ergab es
ſich, daß die Angehörigkeit einer einzelnen Perſon an eine
beſtimmte Stadtgemeinde drei Wirkungen hatte, indem die
angehörige Perſon unterworfen war: 1. den ſtädtiſchen
Laſten, 2. dem Gerichtsſtand dieſer Stadt, 3. dem eigen-
thümlichen poſitiven Rechte derſelben. Dieſe drei Wirkun-
gen ſtanden in einem inneren Zuſammenhang, und konnten
daher als gleichartig betrachtet werden. Es iſt aber nun
noch eine wichtige Verſchiedenheit unter dieſen Wirkungen
hervor zu heben.
Wenn eine Perſon mehreren Städten angehörig war,
ſei es durch Bürgerrecht oder durch Wohnſitz, ſo war ſie
in jeder dieſer Städte den Bürgerlaſten und dem Gerichts-
ſtand unterworfen, ſo daß dann eine wahre Concurrenz un-
ter den Anſprüchen jener Städte an dieſelbe Perſon ent-
ſtand. Eine ſolche Concurrenz war bei der Unterordnung
der Perſon unter das poſitive Recht verſchiedener Städte
unmöglich, weil ſie einen inneren Widerſpruch mit ſich ge-
führt hätte. Dieſelbe Perſon konnte vor verſchiedenen
Obrigkeiten verklagt werden, je nach der Wahl des Klägers,
ſie konnte aber nicht nach verſchiedenen, vielleicht ganz wi-
derſprechenden, Rechtsregeln beurtheilt werden. Es war
alſo nur die Unterordnung unter Ein örtliches Recht mög-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/108>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.