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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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Beilage XIX.
das läßt sich aus jenen Worten folgern. Aber sehr häufig
wird gerade die Frage bestritten seyn, ob die Usucapion in
der That vollendet, oder irgend einmal durch verlornen
Besitz unterbrochen worden ist. War diese Frage nun be-
stritten, oder hielt es auch nur der Kläger für möglich,
daß sie vor dem Judex bestritten werden könnte, so war ja
kein Grund denkbar, weshalb ihm der Prätor die sichere
Publiciana hätte verweigern, und die weniger sichere Eigen-
thumsklage aufdringen sollen. -- Also ist es in unsrem
Fall auch wohl möglich, daß der Kläger die Sklaven schon
längere Zeit besessen hatte, und es dennoch der Sicherheit
wegen vorzog, vielmehr die Publiciana, als die Eigenthums-
klage anzustellen.

Hieran aber knüpft sich noch ein Irrthum des Cujacius,
der weit bedenklicher ist, indem er mehr in das Wesen der
Sache eingreift. Er glaubt nämlich, der Anspruch auf Re-
stitution wegen Abwesenheit sey nur zuzulassen in dem
Fall, wie ihn unsre Stelle wörtlich voraussetze, wenn
nämlich ein b. f. possessor vor vollendeter Usucapion den
Besitz verliere, und der neue Besitzer die Usucapion
anfange und vollende. Denn nun sey Alles abzuthun da-
durch, daß der Kläger, dessen publiciana actio an sich nicht
durch des Gegners Usucapion vernichtet wurde, gegen die
exceptio dominii des Beklagten Restitution suche, die er
auch wirklich erhalte. Wenn dagegen der Erste seine Usu-
capion vor der Abwesenheit schon vollendet habe, so sey
ihm gegen die spätere Usucapion des Andern durchaus nicht

Beilage XIX.
das läßt ſich aus jenen Worten folgern. Aber ſehr häufig
wird gerade die Frage beſtritten ſeyn, ob die Uſucapion in
der That vollendet, oder irgend einmal durch verlornen
Beſitz unterbrochen worden iſt. War dieſe Frage nun be-
ſtritten, oder hielt es auch nur der Kläger für möglich,
daß ſie vor dem Judex beſtritten werden könnte, ſo war ja
kein Grund denkbar, weshalb ihm der Prätor die ſichere
Publiciana hätte verweigern, und die weniger ſichere Eigen-
thumsklage aufdringen ſollen. — Alſo iſt es in unſrem
Fall auch wohl möglich, daß der Kläger die Sklaven ſchon
längere Zeit beſeſſen hatte, und es dennoch der Sicherheit
wegen vorzog, vielmehr die Publiciana, als die Eigenthums-
klage anzuſtellen.

Hieran aber knüpft ſich noch ein Irrthum des Cujacius,
der weit bedenklicher iſt, indem er mehr in das Weſen der
Sache eingreift. Er glaubt nämlich, der Anſpruch auf Re-
ſtitution wegen Abweſenheit ſey nur zuzulaſſen in dem
Fall, wie ihn unſre Stelle wörtlich vorausſetze, wenn
nämlich ein b. f. possessor vor vollendeter Uſucapion den
Beſitz verliere, und der neue Beſitzer die Uſucapion
anfange und vollende. Denn nun ſey Alles abzuthun da-
durch, daß der Kläger, deſſen publiciana actio an ſich nicht
durch des Gegners Uſucapion vernichtet wurde, gegen die
exceptio dominii des Beklagten Reſtitution ſuche, die er
auch wirklich erhalte. Wenn dagegen der Erſte ſeine Uſu-
capion vor der Abweſenheit ſchon vollendet habe, ſo ſey
ihm gegen die ſpätere Uſucapion des Andern durchaus nicht

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[306/0328] Beilage XIX. das läßt ſich aus jenen Worten folgern. Aber ſehr häufig wird gerade die Frage beſtritten ſeyn, ob die Uſucapion in der That vollendet, oder irgend einmal durch verlornen Beſitz unterbrochen worden iſt. War dieſe Frage nun be- ſtritten, oder hielt es auch nur der Kläger für möglich, daß ſie vor dem Judex beſtritten werden könnte, ſo war ja kein Grund denkbar, weshalb ihm der Prätor die ſichere Publiciana hätte verweigern, und die weniger ſichere Eigen- thumsklage aufdringen ſollen. — Alſo iſt es in unſrem Fall auch wohl möglich, daß der Kläger die Sklaven ſchon längere Zeit beſeſſen hatte, und es dennoch der Sicherheit wegen vorzog, vielmehr die Publiciana, als die Eigenthums- klage anzuſtellen. Hieran aber knüpft ſich noch ein Irrthum des Cujacius, der weit bedenklicher iſt, indem er mehr in das Weſen der Sache eingreift. Er glaubt nämlich, der Anſpruch auf Re- ſtitution wegen Abweſenheit ſey nur zuzulaſſen in dem Fall, wie ihn unſre Stelle wörtlich vorausſetze, wenn nämlich ein b. f. possessor vor vollendeter Uſucapion den Beſitz verliere, und der neue Beſitzer die Uſucapion anfange und vollende. Denn nun ſey Alles abzuthun da- durch, daß der Kläger, deſſen publiciana actio an ſich nicht durch des Gegners Uſucapion vernichtet wurde, gegen die exceptio dominii des Beklagten Reſtitution ſuche, die er auch wirklich erhalte. Wenn dagegen der Erſte ſeine Uſu- capion vor der Abweſenheit ſchon vollendet habe, ſo ſey ihm gegen die ſpätere Uſucapion des Andern durchaus nicht

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/328>, abgerufen am 27.11.2024.