Daß es in der That eine Restitution wegen Irrthums gab, hat nach den übereinstimmenden Zeugnissen des Ul- pian und des Paulus keinen Zweifel (§ 320). Man scheint jedoch diesem Restitutionsgrund nicht dieselbe Wich- tigkeit, wie dem Zwang und Betrug, beigelegt zu haben, woraus zu erklären ist, daß derselbe in dem Edict keine, diesen Fall im Ganzen umfassende Stelle, und in den, an die Ordnung des Edicts sich anschließenden Digesten keinen eigenen Titel erhalten hat.
Es kommt nun darauf an, die Fälle der Anwendung für diese Restitution zu bestimmen und zu begränzen. Man hat ihr nicht selten die wichtige Bedeutung beigelegt, daß der Klagberechtigte von dem Nachtheil der Klagverjährung frei werden könnte, wenn er über das Daseyn der Ver- letzung im Irrthum wäre, und deshalb Restitution gegen die Verjährung suchte. Diese Anwendung, wodurch der große Vortheil dieses Rechtsinstituts sehr entkräftet werden würde, ist entschieden zu verwerfen (a). -- Eben so ver- werflich, und noch weit wichtiger, ist die häufig versuchte Anwendung, nach welcher jedes Rechtsgeschäft, insbesondere jeder Vertrag, durch Restitution sollte angefochten werden können, sobald der eine Theil durch irrige Beweggründe zur Eingehung des Geschäfts veranlaßt worden wäre (b).
Daß es in der That eine Reſtitution wegen Irrthums gab, hat nach den übereinſtimmenden Zeugniſſen des Ul- pian und des Paulus keinen Zweifel (§ 320). Man ſcheint jedoch dieſem Reſtitutionsgrund nicht dieſelbe Wich- tigkeit, wie dem Zwang und Betrug, beigelegt zu haben, woraus zu erklären iſt, daß derſelbe in dem Edict keine, dieſen Fall im Ganzen umfaſſende Stelle, und in den, an die Ordnung des Edicts ſich anſchließenden Digeſten keinen eigenen Titel erhalten hat.
Es kommt nun darauf an, die Fälle der Anwendung für dieſe Reſtitution zu beſtimmen und zu begränzen. Man hat ihr nicht ſelten die wichtige Bedeutung beigelegt, daß der Klagberechtigte von dem Nachtheil der Klagverjährung frei werden könnte, wenn er über das Daſeyn der Ver- letzung im Irrthum wäre, und deshalb Reſtitution gegen die Verjährung ſuchte. Dieſe Anwendung, wodurch der große Vortheil dieſes Rechtsinſtituts ſehr entkräftet werden würde, iſt entſchieden zu verwerfen (a). — Eben ſo ver- werflich, und noch weit wichtiger, iſt die häufig verſuchte Anwendung, nach welcher jedes Rechtsgeſchäft, insbeſondere jeder Vertrag, durch Reſtitution ſollte angefochten werden können, ſobald der eine Theil durch irrige Beweggründe zur Eingehung des Geſchäfts veranlaßt worden wäre (b).
(a) S. o. B. 3 S. 416. 418 fg.
(b) S. o. B. 3 S. 354 fg.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0218"n="196"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/><divn="3"><head>§ 331.<lb/><hirendition="#g">Reſtitution. — Einzelne Gründe</hi>. —<hirendition="#aq">IV.</hi><hirendition="#g">Irrthum</hi>.</head><lb/><p>Daß es in der That eine Reſtitution wegen Irrthums<lb/>
gab, hat nach den übereinſtimmenden Zeugniſſen des <hirendition="#g">Ul-<lb/>
pian</hi> und des <hirendition="#g">Paulus</hi> keinen Zweifel (§ 320). Man<lb/>ſcheint jedoch dieſem Reſtitutionsgrund nicht dieſelbe Wich-<lb/>
tigkeit, wie dem Zwang und Betrug, beigelegt zu haben,<lb/>
woraus zu erklären iſt, daß derſelbe in dem Edict keine,<lb/>
dieſen Fall im Ganzen umfaſſende Stelle, und in den, an<lb/>
die Ordnung des Edicts ſich anſchließenden Digeſten keinen<lb/>
eigenen Titel erhalten hat.</p><lb/><p>Es kommt nun darauf an, die Fälle der Anwendung<lb/>
für dieſe Reſtitution zu beſtimmen und zu begränzen. Man<lb/>
hat ihr nicht ſelten die wichtige Bedeutung beigelegt, daß<lb/>
der Klagberechtigte von dem Nachtheil der Klagverjährung<lb/>
frei werden könnte, wenn er über das Daſeyn der Ver-<lb/>
letzung im Irrthum wäre, und deshalb Reſtitution gegen<lb/>
die Verjährung ſuchte. Dieſe Anwendung, wodurch der<lb/>
große Vortheil dieſes Rechtsinſtituts ſehr entkräftet werden<lb/>
würde, iſt entſchieden zu verwerfen <noteplace="foot"n="(a)">S. o. B. 3 S. 416. 418 fg.</note>. — Eben ſo ver-<lb/>
werflich, und noch weit wichtiger, iſt die häufig verſuchte<lb/>
Anwendung, nach welcher jedes Rechtsgeſchäft, insbeſondere<lb/>
jeder Vertrag, durch Reſtitution ſollte angefochten werden<lb/>
können, ſobald der eine Theil durch irrige Beweggründe<lb/>
zur Eingehung des Geſchäfts veranlaßt worden wäre <noteplace="foot"n="(b)">S. o. B. 3 S. 354 fg.</note>.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[196/0218]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
§ 331.
Reſtitution. — Einzelne Gründe. — IV. Irrthum.
Daß es in der That eine Reſtitution wegen Irrthums
gab, hat nach den übereinſtimmenden Zeugniſſen des Ul-
pian und des Paulus keinen Zweifel (§ 320). Man
ſcheint jedoch dieſem Reſtitutionsgrund nicht dieſelbe Wich-
tigkeit, wie dem Zwang und Betrug, beigelegt zu haben,
woraus zu erklären iſt, daß derſelbe in dem Edict keine,
dieſen Fall im Ganzen umfaſſende Stelle, und in den, an
die Ordnung des Edicts ſich anſchließenden Digeſten keinen
eigenen Titel erhalten hat.
Es kommt nun darauf an, die Fälle der Anwendung
für dieſe Reſtitution zu beſtimmen und zu begränzen. Man
hat ihr nicht ſelten die wichtige Bedeutung beigelegt, daß
der Klagberechtigte von dem Nachtheil der Klagverjährung
frei werden könnte, wenn er über das Daſeyn der Ver-
letzung im Irrthum wäre, und deshalb Reſtitution gegen
die Verjährung ſuchte. Dieſe Anwendung, wodurch der
große Vortheil dieſes Rechtsinſtituts ſehr entkräftet werden
würde, iſt entſchieden zu verwerfen (a). — Eben ſo ver-
werflich, und noch weit wichtiger, iſt die häufig verſuchte
Anwendung, nach welcher jedes Rechtsgeſchäft, insbeſondere
jeder Vertrag, durch Reſtitution ſollte angefochten werden
können, ſobald der eine Theil durch irrige Beweggründe
zur Eingehung des Geſchäfts veranlaßt worden wäre (b).
(a) S. o. B. 3 S. 416. 418 fg.
(b) S. o. B. 3 S. 354 fg.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/218>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.