S. 257, welcher behauptet, nach der modernen aequitas müsse jede Klage, sie möge eine Beschränkung auf einen bestimmten Entstehungsgrund enthalten, oder nicht, den Vortheil genießen, den die Römer mit der causa expressa verbanden. Durch eine solche aequitas würde aller Vor- theil zerstört seyn, den in dieser Lehre die Praxis aus den Grundsätzen einer gesunden Theorie zu ziehen vermag.
VII.
In dem Streit selbst sind bisher Gründe von dreierlei Art geltend gemacht worden: Erstlich allgemeine Be- trachtungen über das wahre Bedürfniß des Prozeßrechts; zweitens die sonst bekannten allgemeinen Formen des Römischen Prozesses; drittens, was das Wichtigste ist, der Inhalt der zwei Stellen der Digesten, aus welchen allein die Ausnahme hergeleitet wird. Ich will mich in der eigenen Untersuchung an diesen von Anderen gewählten Gang anschließen, und jede dieser drei Klassen von Gründen besonders erwägen.
VIII.
Was zuerst das allgemeine Bedürfniß des Prozeßrechts betrifft, so behaupten die Gegner, die Ausnahme sei un- zweckmäßig, und sie enthalte eine große Härte gegen den Beklagten, den der Kläger auf diese Weise mit immer er- neuerten Klagen beunruhigen könne. Für einzelne Fälle
Causa adjecta s. expressa.
S. 257, welcher behauptet, nach der modernen aequitas müſſe jede Klage, ſie möge eine Beſchränkung auf einen beſtimmten Entſtehungsgrund enthalten, oder nicht, den Vortheil genießen, den die Römer mit der causa expressa verbanden. Durch eine ſolche aequitas würde aller Vor- theil zerſtört ſeyn, den in dieſer Lehre die Praxis aus den Grundſätzen einer geſunden Theorie zu ziehen vermag.
VII.
In dem Streit ſelbſt ſind bisher Gründe von dreierlei Art geltend gemacht worden: Erſtlich allgemeine Be- trachtungen über das wahre Bedürfniß des Prozeßrechts; zweitens die ſonſt bekannten allgemeinen Formen des Römiſchen Prozeſſes; drittens, was das Wichtigſte iſt, der Inhalt der zwei Stellen der Digeſten, aus welchen allein die Ausnahme hergeleitet wird. Ich will mich in der eigenen Unterſuchung an dieſen von Anderen gewählten Gang anſchließen, und jede dieſer drei Klaſſen von Gründen beſonders erwägen.
VIII.
Was zuerſt das allgemeine Bedürfniß des Prozeßrechts betrifft, ſo behaupten die Gegner, die Ausnahme ſei un- zweckmäßig, und ſie enthalte eine große Härte gegen den Beklagten, den der Kläger auf dieſe Weiſe mit immer er- neuerten Klagen beunruhigen könne. Für einzelne Fälle
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0537"n="519"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">Causa adjecta s. expressa.</hi></fw><lb/>
S. 257, welcher behauptet, nach der modernen <hirendition="#aq">aequitas</hi><lb/>
müſſe jede Klage, ſie möge eine Beſchränkung auf einen<lb/>
beſtimmten Entſtehungsgrund enthalten, oder nicht, den<lb/>
Vortheil genießen, den die Römer mit der <hirendition="#aq">causa expressa</hi><lb/>
verbanden. Durch eine ſolche <hirendition="#aq">aequitas</hi> würde aller Vor-<lb/>
theil zerſtört ſeyn, den in dieſer Lehre die Praxis aus den<lb/>
Grundſätzen einer geſunden Theorie zu ziehen vermag.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VII.</hi></hi></head><lb/><p>In dem Streit ſelbſt ſind bisher Gründe von dreierlei<lb/>
Art geltend gemacht worden: Erſtlich allgemeine Be-<lb/>
trachtungen über das wahre Bedürfniß des Prozeßrechts;<lb/>
zweitens die ſonſt bekannten allgemeinen Formen des<lb/>
Römiſchen Prozeſſes; drittens, was das Wichtigſte iſt, der<lb/>
Inhalt der zwei Stellen der Digeſten, aus welchen allein<lb/>
die Ausnahme hergeleitet wird. Ich will mich in der<lb/>
eigenen Unterſuchung an dieſen von Anderen gewählten<lb/>
Gang anſchließen, und jede dieſer drei Klaſſen von Gründen<lb/>
beſonders erwägen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VIII.</hi></hi></head><lb/><p>Was zuerſt das allgemeine Bedürfniß des Prozeßrechts<lb/>
betrifft, ſo behaupten die Gegner, die Ausnahme ſei un-<lb/>
zweckmäßig, und ſie enthalte eine große Härte gegen den<lb/>
Beklagten, den der Kläger auf dieſe Weiſe mit immer er-<lb/>
neuerten Klagen beunruhigen könne. Für einzelne Fälle<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[519/0537]
Causa adjecta s. expressa.
S. 257, welcher behauptet, nach der modernen aequitas
müſſe jede Klage, ſie möge eine Beſchränkung auf einen
beſtimmten Entſtehungsgrund enthalten, oder nicht, den
Vortheil genießen, den die Römer mit der causa expressa
verbanden. Durch eine ſolche aequitas würde aller Vor-
theil zerſtört ſeyn, den in dieſer Lehre die Praxis aus den
Grundſätzen einer geſunden Theorie zu ziehen vermag.
VII.
In dem Streit ſelbſt ſind bisher Gründe von dreierlei
Art geltend gemacht worden: Erſtlich allgemeine Be-
trachtungen über das wahre Bedürfniß des Prozeßrechts;
zweitens die ſonſt bekannten allgemeinen Formen des
Römiſchen Prozeſſes; drittens, was das Wichtigſte iſt, der
Inhalt der zwei Stellen der Digeſten, aus welchen allein
die Ausnahme hergeleitet wird. Ich will mich in der
eigenen Unterſuchung an dieſen von Anderen gewählten
Gang anſchließen, und jede dieſer drei Klaſſen von Gründen
beſonders erwägen.
VIII.
Was zuerſt das allgemeine Bedürfniß des Prozeßrechts
betrifft, ſo behaupten die Gegner, die Ausnahme ſei un-
zweckmäßig, und ſie enthalte eine große Härte gegen den
Beklagten, den der Kläger auf dieſe Weiſe mit immer er-
neuerten Klagen beunruhigen könne. Für einzelne Fälle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/537>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.