Einrede nicht, so daß also in jedem späteren Rechtsstreit eine dritte Person aus dem früheren rechtskräftigen Urtheil weder Rechte geltend machen, noch einer Verbindlichkeit unterworfen werden kann (b).
Diese Regel ist von besonderer Wichtigkeit bei den Klagen in rem. Denn da das Eigenthum, und eben so auch das Erbrecht, als eine allgemeine, gegen Jeden wirk- same, Eigenschaft des Berechtigten gedacht wird, so liegt der Gedanke sehr nahe, daß die rechtskräftige Bejahung oder Verneinung dieser Eigenschaft eben so allgemein für und wider alle Menschen ihre Wirkung äußern müsse. Dennoch verhält es sich damit ganz anders. Das Wesen der Rechtskraft besteht in einer Fiction der Wahrheit für das gesprochene Urtheil (§ 280). Auf die Anwendung dieser Fiction erwirbt die obsiegende Partei ein Recht gegen die unterliegende, und so hat das, aus dem Urtheil ent- springende Rechtsverhältniß völlig die Natur einer Obliga- tion, und wirkt daher nicht auf fremde Personen, die etwa auf dasselbe Eigenthum oder Erbrecht Anspruch machen möchten (c). -- Bei den persönlichen Klagen, deren Gegen-
(b)L. 2 C. quib. res jud. (7. 56): "Res inter alios judica- tae neque emolumentum afferre his, qui judicio non interfue- runt, neque praejudicium so- lent irrogare."
(c)L. 63 de re jud (42. 1) "... Diversa causa est, si fundum a te Titius petierit, quem ego quoque, sed non ex persona Titii, ad me pertinere dico. Nam quamvis contra Titium, me sciente, judicatum sit, nullum tamen praejudicium patior: quia neque ex eo jure, quo Titius victus est, vindico, neque potui Titio intercedere, quo minus jure suo utatur."
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§. 301. Einrede. Dieſelben Perſonen.
Einrede nicht, ſo daß alſo in jedem ſpäteren Rechtsſtreit eine dritte Perſon aus dem früheren rechtskräftigen Urtheil weder Rechte geltend machen, noch einer Verbindlichkeit unterworfen werden kann (b).
Dieſe Regel iſt von beſonderer Wichtigkeit bei den Klagen in rem. Denn da das Eigenthum, und eben ſo auch das Erbrecht, als eine allgemeine, gegen Jeden wirk- ſame, Eigenſchaft des Berechtigten gedacht wird, ſo liegt der Gedanke ſehr nahe, daß die rechtskräftige Bejahung oder Verneinung dieſer Eigenſchaft eben ſo allgemein für und wider alle Menſchen ihre Wirkung äußern müſſe. Dennoch verhält es ſich damit ganz anders. Das Weſen der Rechtskraft beſteht in einer Fiction der Wahrheit für das geſprochene Urtheil (§ 280). Auf die Anwendung dieſer Fiction erwirbt die obſiegende Partei ein Recht gegen die unterliegende, und ſo hat das, aus dem Urtheil ent- ſpringende Rechtsverhältniß völlig die Natur einer Obliga- tion, und wirkt daher nicht auf fremde Perſonen, die etwa auf daſſelbe Eigenthum oder Erbrecht Anſpruch machen möchten (c). — Bei den perſönlichen Klagen, deren Gegen-
(b)L. 2 C. quib. res jud. (7. 56): „Res inter alios judica- tae neque emolumentum afferre his, qui judicio non interfue- runt, neque praejudicium so- lent irrogare.“
(c)L. 63 de re jud (42. 1) „… Diversa causa est, si fundum a te Titius petierit, quem ego quoque, sed non ex persona Titii, ad me pertinere dico. Nam quamvis contra Titium, me sciente, judicatum sit, nullum tamen praejudicium patior: quia neque ex eo jure, quo Titius victus est, vindico, neque potui Titio intercedere, quo minus jure suo utatur.“
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§. 301. Einrede. Dieſelben Perſonen.
Einrede nicht, ſo daß alſo in jedem ſpäteren Rechtsſtreit
eine dritte Perſon aus dem früheren rechtskräftigen Urtheil
weder Rechte geltend machen, noch einer Verbindlichkeit
unterworfen werden kann (b).
Dieſe Regel iſt von beſonderer Wichtigkeit bei den
Klagen in rem. Denn da das Eigenthum, und eben ſo
auch das Erbrecht, als eine allgemeine, gegen Jeden wirk-
ſame, Eigenſchaft des Berechtigten gedacht wird, ſo liegt
der Gedanke ſehr nahe, daß die rechtskräftige Bejahung
oder Verneinung dieſer Eigenſchaft eben ſo allgemein für
und wider alle Menſchen ihre Wirkung äußern müſſe.
Dennoch verhält es ſich damit ganz anders. Das Weſen
der Rechtskraft beſteht in einer Fiction der Wahrheit für
das geſprochene Urtheil (§ 280). Auf die Anwendung
dieſer Fiction erwirbt die obſiegende Partei ein Recht gegen
die unterliegende, und ſo hat das, aus dem Urtheil ent-
ſpringende Rechtsverhältniß völlig die Natur einer Obliga-
tion, und wirkt daher nicht auf fremde Perſonen, die etwa
auf daſſelbe Eigenthum oder Erbrecht Anſpruch machen
möchten (c). — Bei den perſönlichen Klagen, deren Gegen-
(b) L. 2 C. quib. res jud.
(7. 56): „Res inter alios judica-
tae neque emolumentum afferre
his, qui judicio non interfue-
runt, neque praejudicium so-
lent irrogare.“
(c) L. 63 de re jud (42. 1)
„… Diversa causa est, si fundum
a te Titius petierit, quem ego
quoque, sed non ex persona
Titii, ad me pertinere dico.
Nam quamvis contra Titium,
me sciente, judicatum sit,
nullum tamen praejudicium
patior: quia neque ex eo jure,
quo Titius victus est, vindico,
neque potui Titio intercedere,
quo minus jure suo utatur.“
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/485>, abgerufen am 22.07.2024.
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