grunde. -- Eine Darlehnsklage auf Hundert wird rechts- kräftig abgewiesen, und später gegen denselben Beklagten wiederholt. -- In beiden Fällen ist die spätere Klage von der früheren in keiner Beziehung verschieden; sie ist eine reine, einfache Wiederholung derselben, und die Anwend- barkeit der Einrede der Rechtskraft kann daher keinem Zweifel unterliegen.
Es ist jedoch keinesweges erforderlich, daß die Über- einstimmung alle hier angegebenen Voraussetzungen umfasse; sie kann in mehreren derselben fehlen, und dennoch als wahre Uebereinstimmung gelten, also auch die Einrede der Rechtskraft begründen. Alles kommt darauf an, daß in jedem einzelnen Fall die oben aufgestellten Grundbedingungen jener Einrede wirklich vorhanden sind, nämlich: dieselbe Rechtsfrage, und dieselben Personen.
Ich will eine vorläufige Übersicht der möglichen Ver- schiedenheiten beider Klagen geben, welche nicht als noth- wendige Hindernisse für die Anwendung unsrer Einrede zu betrachten sind.
1. Der zweite Rechtsstreit kann über eine Klage von anderem Namen und anderer Natur geführt werden, als der erste. (Ungleichartige Klage).
2. Die Parteirollen können in dem zweiten Rechtsstreit verwechselt seyn, so daß der frühere Kläger jetzt als Beklagter auftritt.
3. Das Recht, welches in der einen Klage der Haupt- gegenstand des Streites ist, kann in der anderen als
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
grunde. — Eine Darlehnsklage auf Hundert wird rechts- kräftig abgewieſen, und ſpäter gegen denſelben Beklagten wiederholt. — In beiden Fällen iſt die ſpätere Klage von der früheren in keiner Beziehung verſchieden; ſie iſt eine reine, einfache Wiederholung derſelben, und die Anwend- barkeit der Einrede der Rechtskraft kann daher keinem Zweifel unterliegen.
Es iſt jedoch keinesweges erforderlich, daß die Über- einſtimmung alle hier angegebenen Vorausſetzungen umfaſſe; ſie kann in mehreren derſelben fehlen, und dennoch als wahre Uebereinſtimmung gelten, alſo auch die Einrede der Rechtskraft begründen. Alles kommt darauf an, daß in jedem einzelnen Fall die oben aufgeſtellten Grundbedingungen jener Einrede wirklich vorhanden ſind, nämlich: dieſelbe Rechtsfrage, und dieſelben Perſonen.
Ich will eine vorläufige Überſicht der möglichen Ver- ſchiedenheiten beider Klagen geben, welche nicht als noth- wendige Hinderniſſe für die Anwendung unſrer Einrede zu betrachten ſind.
1. Der zweite Rechtsſtreit kann über eine Klage von anderem Namen und anderer Natur geführt werden, als der erſte. (Ungleichartige Klage).
2. Die Parteirollen können in dem zweiten Rechtsſtreit verwechſelt ſeyn, ſo daß der frühere Kläger jetzt als Beklagter auftritt.
3. Das Recht, welches in der einen Klage der Haupt- gegenſtand des Streites iſt, kann in der anderen als
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
grunde. — Eine Darlehnsklage auf Hundert wird rechts-
kräftig abgewieſen, und ſpäter gegen denſelben Beklagten
wiederholt. — In beiden Fällen iſt die ſpätere Klage von
der früheren in keiner Beziehung verſchieden; ſie iſt eine
reine, einfache Wiederholung derſelben, und die Anwend-
barkeit der Einrede der Rechtskraft kann daher keinem
Zweifel unterliegen.
Es iſt jedoch keinesweges erforderlich, daß die Über-
einſtimmung alle hier angegebenen Vorausſetzungen umfaſſe;
ſie kann in mehreren derſelben fehlen, und dennoch als
wahre Uebereinſtimmung gelten, alſo auch die Einrede der
Rechtskraft begründen. Alles kommt darauf an, daß in
jedem einzelnen Fall die oben aufgeſtellten Grundbedingungen
jener Einrede wirklich vorhanden ſind, nämlich: dieſelbe
Rechtsfrage, und dieſelben Perſonen.
Ich will eine vorläufige Überſicht der möglichen Ver-
ſchiedenheiten beider Klagen geben, welche nicht als noth-
wendige Hinderniſſe für die Anwendung unſrer Einrede zu
betrachten ſind.
1. Der zweite Rechtsſtreit kann über eine Klage von
anderem Namen und anderer Natur geführt werden,
als der erſte. (Ungleichartige Klage).
2. Die Parteirollen können in dem zweiten Rechtsſtreit
verwechſelt ſeyn, ſo daß der frühere Kläger jetzt als
Beklagter auftritt.
3. Das Recht, welches in der einen Klage der Haupt-
gegenſtand des Streites iſt, kann in der anderen als
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/440>, abgerufen am 16.02.2025.
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