Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
nicht angewendet werden, auch wenn ein Schein von
Uebereinstimmung vorhanden seyn sollte. Erläuternde An-
wendungen sind folgende.

Die Entscheidung einer Besitzklage begründet niemals
die Einrede der Rechtskraft für die künftige Eigenthums-
klage (d), und eben so auch umgekehrt. Man könnte ver-
sucht seyn, das Eigenthum als das größere, den Besitz als
das geringere Recht an der Sache anzusehen, folglich den
Besitz als Bestandtheil des Eigenthums; diese Auffassung
aber würde ganz irrig seyn. Beide Rechte sind vielmehr
ganz ungleichartig (e), so daß die Bejahung des einen mit
der Verneinung des andern niemals im Widerspruch steht.

Wird eine confessorische Klage auf iter abgewiesen,
später eine confessorische Klage auf actus angestellt, so steht
die Einrede nicht entgegen (f). Zwar umfaßt der actus
unter andern auch alle einzelnen im iter enthaltenen Befug-
nisse; dennoch sind es Servituten verschiedener Art und
Benennung, deren jede also, unabhängig von der anderen,
durch ein Rechtsgeschäft besonders begründet werden kann.

Die Abweisung der Eigenthumsklage hindert nicht die
spätere Anstellung einer Condiction auf dieselbe Sache, ob-
gleich beide Klagen denselben äußeren Zweck haben, nämlich
dem Kläger diese Sache zu verschaffen (g).

Die Abweisung einer durch Dolus bedingten Klage
hindert nicht die spätere Anstellung der Aquilischen Klage,

(d) L. 14 § 3 de exc. r. jud.
(44. 2).
(e) L. 12 § 1 de adqu. vel
am. poss.
(41. 2).
(f) L. 11 § 6 de exc. r. jud.
(44. 2).
(g) L. 31 de exc. r. jud.
(44. 2).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
nicht angewendet werden, auch wenn ein Schein von
Uebereinſtimmung vorhanden ſeyn ſollte. Erläuternde An-
wendungen ſind folgende.

Die Entſcheidung einer Beſitzklage begründet niemals
die Einrede der Rechtskraft für die künftige Eigenthums-
klage (d), und eben ſo auch umgekehrt. Man könnte ver-
ſucht ſeyn, das Eigenthum als das größere, den Beſitz als
das geringere Recht an der Sache anzuſehen, folglich den
Beſitz als Beſtandtheil des Eigenthums; dieſe Auffaſſung
aber würde ganz irrig ſeyn. Beide Rechte ſind vielmehr
ganz ungleichartig (e), ſo daß die Bejahung des einen mit
der Verneinung des andern niemals im Widerſpruch ſteht.

Wird eine confeſſoriſche Klage auf iter abgewieſen,
ſpäter eine confeſſoriſche Klage auf actus angeſtellt, ſo ſteht
die Einrede nicht entgegen (f). Zwar umfaßt der actus
unter andern auch alle einzelnen im iter enthaltenen Befug-
niſſe; dennoch ſind es Servituten verſchiedener Art und
Benennung, deren jede alſo, unabhängig von der anderen,
durch ein Rechtsgeſchäft beſonders begründet werden kann.

Die Abweiſung der Eigenthumsklage hindert nicht die
ſpätere Anſtellung einer Condiction auf dieſelbe Sache, ob-
gleich beide Klagen denſelben äußeren Zweck haben, nämlich
dem Kläger dieſe Sache zu verſchaffen (g).

Die Abweiſung einer durch Dolus bedingten Klage
hindert nicht die ſpätere Anſtellung der Aquiliſchen Klage,

(d) L. 14 § 3 de exc. r. jud.
(44. 2).
(e) L. 12 § 1 de adqu. vel
am. poss.
(41. 2).
(f) L. 11 § 6 de exc. r. jud.
(44. 2).
(g) L. 31 de exc. r. jud.
(44. 2).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0438" n="420"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
nicht angewendet werden, auch wenn ein Schein von<lb/>
Ueberein&#x017F;timmung vorhanden &#x017F;eyn &#x017F;ollte. Erläuternde An-<lb/>
wendungen &#x017F;ind folgende.</p><lb/>
            <p>Die Ent&#x017F;cheidung einer Be&#x017F;itzklage begründet niemals<lb/>
die Einrede der Rechtskraft für die künftige Eigenthums-<lb/>
klage <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 14 § 3 <hi rendition="#i">de exc. r. jud.</hi></hi><lb/>
(44. 2).</note>, und eben &#x017F;o auch umgekehrt. Man könnte ver-<lb/>
&#x017F;ucht &#x017F;eyn, das Eigenthum als das größere, den Be&#x017F;itz als<lb/>
das geringere Recht an der Sache anzu&#x017F;ehen, folglich den<lb/>
Be&#x017F;itz als Be&#x017F;tandtheil des Eigenthums; die&#x017F;e Auffa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
aber würde ganz irrig &#x017F;eyn. Beide Rechte &#x017F;ind vielmehr<lb/>
ganz ungleichartig <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12 § 1 <hi rendition="#i">de adqu. vel<lb/>
am. poss.</hi></hi> (41. 2).</note>, &#x017F;o daß die Bejahung des einen mit<lb/>
der Verneinung des andern niemals im Wider&#x017F;pruch &#x017F;teht.</p><lb/>
            <p>Wird eine confe&#x017F;&#x017F;ori&#x017F;che Klage auf <hi rendition="#aq">iter</hi> abgewie&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;päter eine confe&#x017F;&#x017F;ori&#x017F;che Klage auf <hi rendition="#aq">actus</hi> ange&#x017F;tellt, &#x017F;o &#x017F;teht<lb/>
die Einrede nicht entgegen <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 11 § 6 <hi rendition="#i">de exc. r. jud.</hi></hi><lb/>
(44. 2).</note>. Zwar umfaßt der <hi rendition="#aq">actus</hi><lb/>
unter andern auch alle einzelnen im <hi rendition="#aq">iter</hi> enthaltenen Befug-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e; dennoch &#x017F;ind es Servituten ver&#x017F;chiedener Art und<lb/>
Benennung, deren jede al&#x017F;o, unabhängig von der anderen,<lb/>
durch ein Rechtsge&#x017F;chäft be&#x017F;onders begründet werden kann.</p><lb/>
            <p>Die Abwei&#x017F;ung der Eigenthumsklage hindert nicht die<lb/>
&#x017F;pätere An&#x017F;tellung einer Condiction auf die&#x017F;elbe Sache, ob-<lb/>
gleich beide Klagen den&#x017F;elben äußeren Zweck haben, nämlich<lb/>
dem Kläger die&#x017F;e Sache zu ver&#x017F;chaffen <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 31 <hi rendition="#i">de exc. r. jud.</hi></hi><lb/>
(44. 2).</note>.</p><lb/>
            <p>Die Abwei&#x017F;ung einer durch Dolus bedingten Klage<lb/>
hindert nicht die &#x017F;pätere An&#x017F;tellung der Aquili&#x017F;chen Klage,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0438] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. nicht angewendet werden, auch wenn ein Schein von Uebereinſtimmung vorhanden ſeyn ſollte. Erläuternde An- wendungen ſind folgende. Die Entſcheidung einer Beſitzklage begründet niemals die Einrede der Rechtskraft für die künftige Eigenthums- klage (d), und eben ſo auch umgekehrt. Man könnte ver- ſucht ſeyn, das Eigenthum als das größere, den Beſitz als das geringere Recht an der Sache anzuſehen, folglich den Beſitz als Beſtandtheil des Eigenthums; dieſe Auffaſſung aber würde ganz irrig ſeyn. Beide Rechte ſind vielmehr ganz ungleichartig (e), ſo daß die Bejahung des einen mit der Verneinung des andern niemals im Widerſpruch ſteht. Wird eine confeſſoriſche Klage auf iter abgewieſen, ſpäter eine confeſſoriſche Klage auf actus angeſtellt, ſo ſteht die Einrede nicht entgegen (f). Zwar umfaßt der actus unter andern auch alle einzelnen im iter enthaltenen Befug- niſſe; dennoch ſind es Servituten verſchiedener Art und Benennung, deren jede alſo, unabhängig von der anderen, durch ein Rechtsgeſchäft beſonders begründet werden kann. Die Abweiſung der Eigenthumsklage hindert nicht die ſpätere Anſtellung einer Condiction auf dieſelbe Sache, ob- gleich beide Klagen denſelben äußeren Zweck haben, nämlich dem Kläger dieſe Sache zu verſchaffen (g). Die Abweiſung einer durch Dolus bedingten Klage hindert nicht die ſpätere Anſtellung der Aquiliſchen Klage, (d) L. 14 § 3 de exc. r. jud. (44. 2). (e) L. 12 § 1 de adqu. vel am. poss. (41. 2). (f) L. 11 § 6 de exc. r. jud. (44. 2). (g) L. 31 de exc. r. jud. (44. 2).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/438
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/438>, abgerufen am 23.07.2024.