5. Plenarbeschluß des Tribunals vom 23. Januar 1843 (o).
Der hier entschiedene Fall selbst gehört nicht unmittel- bar in das Gebiet unsrer Frage. Allein in den Gründen wird ausdrücklich folgende Lehre aufgestellt. Wenn der Klagegrund und mehrere Einreden instruirt sind, und der Richter freisprechen will, so muß er das Urtheil hierauf beschränken, ohne dabei zu sagen, ob er die Klage für un- begründet, oder eine oder die andere Einrede für begründet hält. Sonst käme der Beklagte, der sich ja über Nichts zu beschweren habe, in die Lage, wenn der Kläger appellire, gleichfalls gegen die ihm nachtheiligen Gründe zu ap- pelliren.
Hier ist recht augenscheinlich der oben (§ 293) darge- stellte und getadelte Gesichtspunkt vorherrschend, nur leicht und schnell für den Augenblick abzuhelfen, unbekümmert um die Zukunft, besonders aber, so viel als möglich die Rechtsmittel zu verhüten. Die Einseitigkeit dieses Gesichts- punktes wird recht augenscheinlich, wenn man auf die Fälle Rücksicht nimmt, worin ein nach dieser Anweisung einge- richtetes Urtheil, in Ermangelung eingelegter Rechtsmittel, sogleich rechtskräftig wird, oder worin es von der höchsten Instanz gesprochen ist. Dann kann die, zur Ersparniß von Rechtsmitteln getroffene Vorkehrung dahin ausschlagen, daß künftig neue Prozesse entstehen, die durch eine richtig aus-
(o) Entscheidungen des O. Tribunals B. 9. S. 128 fg. Die Haupt- stelle findet sich S. 132. 133.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
5. Plenarbeſchluß des Tribunals vom 23. Januar 1843 (o).
Der hier entſchiedene Fall ſelbſt gehört nicht unmittel- bar in das Gebiet unſrer Frage. Allein in den Gründen wird ausdrücklich folgende Lehre aufgeſtellt. Wenn der Klagegrund und mehrere Einreden inſtruirt ſind, und der Richter freiſprechen will, ſo muß er das Urtheil hierauf beſchränken, ohne dabei zu ſagen, ob er die Klage für un- begründet, oder eine oder die andere Einrede für begründet hält. Sonſt käme der Beklagte, der ſich ja über Nichts zu beſchweren habe, in die Lage, wenn der Kläger appellire, gleichfalls gegen die ihm nachtheiligen Gründe zu ap- pelliren.
Hier iſt recht augenſcheinlich der oben (§ 293) darge- ſtellte und getadelte Geſichtspunkt vorherrſchend, nur leicht und ſchnell für den Augenblick abzuhelfen, unbekümmert um die Zukunft, beſonders aber, ſo viel als möglich die Rechtsmittel zu verhüten. Die Einſeitigkeit dieſes Geſichts- punktes wird recht augenſcheinlich, wenn man auf die Fälle Rückſicht nimmt, worin ein nach dieſer Anweiſung einge- richtetes Urtheil, in Ermangelung eingelegter Rechtsmittel, ſogleich rechtskräftig wird, oder worin es von der höchſten Inſtanz geſprochen iſt. Dann kann die, zur Erſparniß von Rechtsmitteln getroffene Vorkehrung dahin ausſchlagen, daß künftig neue Prozeſſe entſtehen, die durch eine richtig aus-
(o) Entſcheidungen des O. Tribunals B. 9. S. 128 fg. Die Haupt- ſtelle findet ſich S. 132. 133.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
5. Plenarbeſchluß des Tribunals vom 23. Januar
1843 (o).
Der hier entſchiedene Fall ſelbſt gehört nicht unmittel-
bar in das Gebiet unſrer Frage. Allein in den Gründen
wird ausdrücklich folgende Lehre aufgeſtellt. Wenn der
Klagegrund und mehrere Einreden inſtruirt ſind, und der
Richter freiſprechen will, ſo muß er das Urtheil hierauf
beſchränken, ohne dabei zu ſagen, ob er die Klage für un-
begründet, oder eine oder die andere Einrede für begründet
hält. Sonſt käme der Beklagte, der ſich ja über Nichts zu
beſchweren habe, in die Lage, wenn der Kläger appellire,
gleichfalls gegen die ihm nachtheiligen Gründe zu ap-
pelliren.
Hier iſt recht augenſcheinlich der oben (§ 293) darge-
ſtellte und getadelte Geſichtspunkt vorherrſchend, nur leicht
und ſchnell für den Augenblick abzuhelfen, unbekümmert
um die Zukunft, beſonders aber, ſo viel als möglich die
Rechtsmittel zu verhüten. Die Einſeitigkeit dieſes Geſichts-
punktes wird recht augenſcheinlich, wenn man auf die Fälle
Rückſicht nimmt, worin ein nach dieſer Anweiſung einge-
richtetes Urtheil, in Ermangelung eingelegter Rechtsmittel,
ſogleich rechtskräftig wird, oder worin es von der höchſten
Inſtanz geſprochen iſt. Dann kann die, zur Erſparniß von
Rechtsmitteln getroffene Vorkehrung dahin ausſchlagen, daß
künftig neue Prozeſſe entſtehen, die durch eine richtig aus-
(o) Entſcheidungen des O. Tribunals B. 9. S. 128 fg. Die Haupt-
ſtelle findet ſich S. 132. 133.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/422>, abgerufen am 22.11.2024.
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