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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 294. Rechtskraft der Gründe. Preußisches Recht.
sind. Ich rechne dahin sowohl Urtheilssprüche der Ge-
richte, als Rescripte der höchsten Aufsichtsbehörde.

1. Urtheil des Geheimen Ober-Tribunals vom
22. August 1817 (k).

Ein Mühlenpächter hatte Erlaß von Pachtgeldern ge-
fordert wegen gestörter Ausübung des gepachteten Rechts.
Ein rechtskräftiges Urtheil hatte den Erlaß im Allgemeinen
als begründet anerkannt, aber als Bedingung desselben die
im Landrecht vorgeschriebene Legung einer Administrations-
rechnung gefordert. Kläger konnte eine solche Rechnung
nicht legen, klagte aber dennoch von Neuem auf
Pachterlaß.

Zwei Urtheile wiesen die neue Klage ab wegen des
rechtskräftigen früheren Urtheils. Das Revisionsurtheil
änderte ab und sprach den Erlaß zu, indem es die Rechts-
kraft durch zwei Gründe beseitigte. Erstlich habe in dem
früheren Prozeß der Beklagte selbst erklärt, es sey ihm
gleichgültig, ob der Beweis durch Rechnung, oder auf
andere Weise geführt werde. Zweitens widerspreche das
rechtskräftige Urtheil sich selbst, indem es den Erlaß über-
haupt für begründet erkläre, und doch noch an eine Be-
dingung knüpfe.

Auf den ersten Blick könnte man geneigt seyn, hierin
eine freie Behandlung der Rechtskraft, und namentlich eine
Anerkennung der Rechtskraft der Gründe zu finden. Ich

(k) Simon und Strampff Rechtssprüche B. 1 S. 62.
VI. 26

§. 294. Rechtskraft der Gründe. Preußiſches Recht.
ſind. Ich rechne dahin ſowohl Urtheilsſprüche der Ge-
richte, als Reſcripte der höchſten Aufſichtsbehörde.

1. Urtheil des Geheimen Ober-Tribunals vom
22. Auguſt 1817 (k).

Ein Mühlenpächter hatte Erlaß von Pachtgeldern ge-
fordert wegen geſtörter Ausübung des gepachteten Rechts.
Ein rechtskräftiges Urtheil hatte den Erlaß im Allgemeinen
als begründet anerkannt, aber als Bedingung deſſelben die
im Landrecht vorgeſchriebene Legung einer Adminiſtrations-
rechnung gefordert. Kläger konnte eine ſolche Rechnung
nicht legen, klagte aber dennoch von Neuem auf
Pachterlaß.

Zwei Urtheile wieſen die neue Klage ab wegen des
rechtskräftigen früheren Urtheils. Das Reviſionsurtheil
änderte ab und ſprach den Erlaß zu, indem es die Rechts-
kraft durch zwei Gründe beſeitigte. Erſtlich habe in dem
früheren Prozeß der Beklagte ſelbſt erklärt, es ſey ihm
gleichgültig, ob der Beweis durch Rechnung, oder auf
andere Weiſe geführt werde. Zweitens widerſpreche das
rechtskräftige Urtheil ſich ſelbſt, indem es den Erlaß über-
haupt für begründet erkläre, und doch noch an eine Be-
dingung knüpfe.

Auf den erſten Blick könnte man geneigt ſeyn, hierin
eine freie Behandlung der Rechtskraft, und namentlich eine
Anerkennung der Rechtskraft der Gründe zu finden. Ich

(k) Simon und Strampff Rechtsſprüche B. 1 S. 62.
VI. 26
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[401/0419] §. 294. Rechtskraft der Gründe. Preußiſches Recht. ſind. Ich rechne dahin ſowohl Urtheilsſprüche der Ge- richte, als Reſcripte der höchſten Aufſichtsbehörde. 1. Urtheil des Geheimen Ober-Tribunals vom 22. Auguſt 1817 (k). Ein Mühlenpächter hatte Erlaß von Pachtgeldern ge- fordert wegen geſtörter Ausübung des gepachteten Rechts. Ein rechtskräftiges Urtheil hatte den Erlaß im Allgemeinen als begründet anerkannt, aber als Bedingung deſſelben die im Landrecht vorgeſchriebene Legung einer Adminiſtrations- rechnung gefordert. Kläger konnte eine ſolche Rechnung nicht legen, klagte aber dennoch von Neuem auf Pachterlaß. Zwei Urtheile wieſen die neue Klage ab wegen des rechtskräftigen früheren Urtheils. Das Reviſionsurtheil änderte ab und ſprach den Erlaß zu, indem es die Rechts- kraft durch zwei Gründe beſeitigte. Erſtlich habe in dem früheren Prozeß der Beklagte ſelbſt erklärt, es ſey ihm gleichgültig, ob der Beweis durch Rechnung, oder auf andere Weiſe geführt werde. Zweitens widerſpreche das rechtskräftige Urtheil ſich ſelbſt, indem es den Erlaß über- haupt für begründet erkläre, und doch noch an eine Be- dingung knüpfe. Auf den erſten Blick könnte man geneigt ſeyn, hierin eine freie Behandlung der Rechtskraft, und namentlich eine Anerkennung der Rechtskraft der Gründe zu finden. Ich (k) Simon und Strampff Rechtsſprüche B. 1 S. 62. VI. 26

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/419>, abgerufen am 25.11.2024.