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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 292. Rechtskraft der Gründe. (Fortsetzung.)
Urtheils anzusehen seyn sollten, zunächst erkannt aus der
Intentio und der dieselbe ergänzenden Demonstratio. Wo
aber diese Erkenntnißmittel nicht ausreichten, wurden auch
wohl in das Urtheil selbst ausgesprochene objective Gründe
mit aufgenommen. Einige Beispiele werden diese Behaup-
tungen sowohl erläutern, als bestätigen.

Manche Klagen, wie z. B. die depositi actio, hatten
eine zwiefache Formel: in jus und in factum. Bei jener
wurde der Inhalt des Rechtsstreits aus der Demonstratio
erkannt, bei dieser aus der Intentio (e), und so konnten
diese verschiedenen Theile der Formel unmittelbar dazu dienen,
den Inhalt und Umfang des in die Rechtskraft überge-
gangenen Urtheils zu erkennen.

Beispiele anderer Art aber, worin die formula nicht
ausreichte, sondern andere Umstände hinzugenommen werden
mußten, um die Rechtskraft zu bestimmen, sind folgende.
Wenn die Eigenthumsklage per sponsionem angestellt
wurde, so lautete die formula ganz einfach so: Si paret,
N. Negidium A. Agerio sestertios XXV. nummos dare
oportere.
Diese 25 Sesterze aber sollten gar nicht bezahlt
werden, sondern die Absicht ging dahin, ein rechtskräftiges
Anerkenntniß des Eigenthums zu erlangen. Diese Absicht
wurde nur dadurch erreicht, daß man auf den Grund der
Entscheidung zurückging, nämlich auf die, in der Formel
nicht ausgedrückte, vorhergegangene Stipulation, worin der

(e) Gajus IV. § 47.

§. 292. Rechtskraft der Gründe. (Fortſetzung.)
Urtheils anzuſehen ſeyn ſollten, zunächſt erkannt aus der
Intentio und der dieſelbe ergänzenden Demonstratio. Wo
aber dieſe Erkenntnißmittel nicht ausreichten, wurden auch
wohl in das Urtheil ſelbſt ausgeſprochene objective Gründe
mit aufgenommen. Einige Beiſpiele werden dieſe Behaup-
tungen ſowohl erläutern, als beſtätigen.

Manche Klagen, wie z. B. die depositi actio, hatten
eine zwiefache Formel: in jus und in factum. Bei jener
wurde der Inhalt des Rechtsſtreits aus der Demonstratio
erkannt, bei dieſer aus der Intentio (e), und ſo konnten
dieſe verſchiedenen Theile der Formel unmittelbar dazu dienen,
den Inhalt und Umfang des in die Rechtskraft überge-
gangenen Urtheils zu erkennen.

Beiſpiele anderer Art aber, worin die formula nicht
ausreichte, ſondern andere Umſtände hinzugenommen werden
mußten, um die Rechtskraft zu beſtimmen, ſind folgende.
Wenn die Eigenthumsklage per sponsionem angeſtellt
wurde, ſo lautete die formula ganz einfach ſo: Si paret,
N. Negidium A. Agerio sestertios XXV. nummos dare
oportere.
Dieſe 25 Seſterze aber ſollten gar nicht bezahlt
werden, ſondern die Abſicht ging dahin, ein rechtskräftiges
Anerkenntniß des Eigenthums zu erlangen. Dieſe Abſicht
wurde nur dadurch erreicht, daß man auf den Grund der
Entſcheidung zurückging, nämlich auf die, in der Formel
nicht ausgedrückte, vorhergegangene Stipulation, worin der

(e) Gajus IV. § 47.
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[375/0393] §. 292. Rechtskraft der Gründe. (Fortſetzung.) Urtheils anzuſehen ſeyn ſollten, zunächſt erkannt aus der Intentio und der dieſelbe ergänzenden Demonstratio. Wo aber dieſe Erkenntnißmittel nicht ausreichten, wurden auch wohl in das Urtheil ſelbſt ausgeſprochene objective Gründe mit aufgenommen. Einige Beiſpiele werden dieſe Behaup- tungen ſowohl erläutern, als beſtätigen. Manche Klagen, wie z. B. die depositi actio, hatten eine zwiefache Formel: in jus und in factum. Bei jener wurde der Inhalt des Rechtsſtreits aus der Demonstratio erkannt, bei dieſer aus der Intentio (e), und ſo konnten dieſe verſchiedenen Theile der Formel unmittelbar dazu dienen, den Inhalt und Umfang des in die Rechtskraft überge- gangenen Urtheils zu erkennen. Beiſpiele anderer Art aber, worin die formula nicht ausreichte, ſondern andere Umſtände hinzugenommen werden mußten, um die Rechtskraft zu beſtimmen, ſind folgende. Wenn die Eigenthumsklage per sponsionem angeſtellt wurde, ſo lautete die formula ganz einfach ſo: Si paret, N. Negidium A. Agerio sestertios XXV. nummos dare oportere. Dieſe 25 Seſterze aber ſollten gar nicht bezahlt werden, ſondern die Abſicht ging dahin, ein rechtskräftiges Anerkenntniß des Eigenthums zu erlangen. Dieſe Abſicht wurde nur dadurch erreicht, daß man auf den Grund der Entſcheidung zurückging, nämlich auf die, in der Formel nicht ausgedrückte, vorhergegangene Stipulation, worin der (e) Gajus IV. § 47.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/393>, abgerufen am 04.07.2024.