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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 291. Rechtskraft der Gründe.
daher an der Rechtskraft Theil nehmen. -- Die Über-
zeugung von diesen Elementen aber gewinnt der Richter
durch Erwägungen ganz anderer Art: durch die ihm bei-
wohnende Kenntniß der Rechtsregeln; durch die Beweis-
mittel, welche ihn bestimmen, die in diesem Rechtsstreit
wichtigen Thatsachen für wahr, oder unwahr anzunehmen.

Demnach können wir in der ganzen Reihe von Ge-
danken und Erwägungen, wodurch der Richter zum Ziel
des Urtheils gelangt, zweierlei bestimmende Gründe unter-
scheiden: objective, die eigentlich Bestandtheile des
Rechtsverhältnisses selbst sind, also Dasselbe, wofür oben
die Bezeichnung von Elementen gebraucht worden ist;
subjective, wodurch der Richter persönlich bewogen wird,
eine bestimmte Überzeugung von jenen Elementen zu fassen,
sie zu bejahen, oder zu verneinen. Nun aber müssen wir
sogleich den Grundsatz hinzufügen:
Die vom Richter angenommenen objectiven Gründe
(die Elemente) werden rechtskräftig, die subjectiven
Gründe werden nicht rechtskräftig (e).


(e) Es kommt nicht selten vor,
daß in den besonders abgefaßten
Urtheilsgründen verwandte, aber
in diesem Rechtsstreit nicht mit be-
griffene Rechtsverhältnisse herbei-
gezogen werden, um des Richters
Ansicht von den Rechtsregeln oder
den Thatsachen anschaulicher zu
machen, und so die Überzeugung
des Richters von den Elementen
des vorliegenden Rechtsstreits siche-
rer zu rechtfertigen. Solche Er-
wägungen gehören unter die sub-
jectiven Gründe und können nie
rechtskräftig werden. In diesem
Sinn wird die Rechtskraft der
Gründe mit Recht verneint von
Böhmer, wie unten gezeigt wer-
den wird (§ 293 f). So z. B.,
wenn in den Gründen eines Ur-
theils über das Possessorium zu-
gleich petitorische Erwägungen be-
nutzt werden, um die Entscheidung
über den Besitz plausibler zu machen.

§. 291. Rechtskraft der Gründe.
daher an der Rechtskraft Theil nehmen. — Die Über-
zeugung von dieſen Elementen aber gewinnt der Richter
durch Erwägungen ganz anderer Art: durch die ihm bei-
wohnende Kenntniß der Rechtsregeln; durch die Beweis-
mittel, welche ihn beſtimmen, die in dieſem Rechtsſtreit
wichtigen Thatſachen für wahr, oder unwahr anzunehmen.

Demnach können wir in der ganzen Reihe von Ge-
danken und Erwägungen, wodurch der Richter zum Ziel
des Urtheils gelangt, zweierlei beſtimmende Gründe unter-
ſcheiden: objective, die eigentlich Beſtandtheile des
Rechtsverhältniſſes ſelbſt ſind, alſo Daſſelbe, wofür oben
die Bezeichnung von Elementen gebraucht worden iſt;
ſubjective, wodurch der Richter perſönlich bewogen wird,
eine beſtimmte Überzeugung von jenen Elementen zu faſſen,
ſie zu bejahen, oder zu verneinen. Nun aber müſſen wir
ſogleich den Grundſatz hinzufügen:
Die vom Richter angenommenen objectiven Gründe
(die Elemente) werden rechtskräftig, die ſubjectiven
Gründe werden nicht rechtskräftig (e).


(e) Es kommt nicht ſelten vor,
daß in den beſonders abgefaßten
Urtheilsgründen verwandte, aber
in dieſem Rechtsſtreit nicht mit be-
griffene Rechtsverhältniſſe herbei-
gezogen werden, um des Richters
Anſicht von den Rechtsregeln oder
den Thatſachen anſchaulicher zu
machen, und ſo die Überzeugung
des Richters von den Elementen
des vorliegenden Rechtsſtreits ſiche-
rer zu rechtfertigen. Solche Er-
wägungen gehören unter die ſub-
jectiven Gründe und können nie
rechtskräftig werden. In dieſem
Sinn wird die Rechtskraft der
Gründe mit Recht verneint von
Böhmer, wie unten gezeigt wer-
den wird (§ 293 f). So z. B.,
wenn in den Gründen eines Ur-
theils über das Poſſeſſorium zu-
gleich petitoriſche Erwägungen be-
nutzt werden, um die Entſcheidung
über den Beſitz plauſibler zu machen.
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[361/0379] §. 291. Rechtskraft der Gründe. daher an der Rechtskraft Theil nehmen. — Die Über- zeugung von dieſen Elementen aber gewinnt der Richter durch Erwägungen ganz anderer Art: durch die ihm bei- wohnende Kenntniß der Rechtsregeln; durch die Beweis- mittel, welche ihn beſtimmen, die in dieſem Rechtsſtreit wichtigen Thatſachen für wahr, oder unwahr anzunehmen. Demnach können wir in der ganzen Reihe von Ge- danken und Erwägungen, wodurch der Richter zum Ziel des Urtheils gelangt, zweierlei beſtimmende Gründe unter- ſcheiden: objective, die eigentlich Beſtandtheile des Rechtsverhältniſſes ſelbſt ſind, alſo Daſſelbe, wofür oben die Bezeichnung von Elementen gebraucht worden iſt; ſubjective, wodurch der Richter perſönlich bewogen wird, eine beſtimmte Überzeugung von jenen Elementen zu faſſen, ſie zu bejahen, oder zu verneinen. Nun aber müſſen wir ſogleich den Grundſatz hinzufügen: Die vom Richter angenommenen objectiven Gründe (die Elemente) werden rechtskräftig, die ſubjectiven Gründe werden nicht rechtskräftig (e). (e) Es kommt nicht ſelten vor, daß in den beſonders abgefaßten Urtheilsgründen verwandte, aber in dieſem Rechtsſtreit nicht mit be- griffene Rechtsverhältniſſe herbei- gezogen werden, um des Richters Anſicht von den Rechtsregeln oder den Thatſachen anſchaulicher zu machen, und ſo die Überzeugung des Richters von den Elementen des vorliegenden Rechtsſtreits ſiche- rer zu rechtfertigen. Solche Er- wägungen gehören unter die ſub- jectiven Gründe und können nie rechtskräftig werden. In dieſem Sinn wird die Rechtskraft der Gründe mit Recht verneint von Böhmer, wie unten gezeigt wer- den wird (§ 293 f). So z. B., wenn in den Gründen eines Ur- theils über das Poſſeſſorium zu- gleich petitoriſche Erwägungen be- nutzt werden, um die Entſcheidung über den Beſitz plauſibler zu machen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/379>, abgerufen am 24.11.2024.