Gerichtshöfen üblich ist, neben jedem ausgesprochenen Ur- theil eine ausführliche Rechtfertigung desselben aufzustellen, die den Namen führt: Urtheilsgründe, oder auch: Zweifels- und Entscheidungsgründe. Der Sinn der eben aufgeworfenen zweiten Frage geht also dahin, ob wir Dasjenige, welches rechtskräftig werden soll, blos in dem einen jener zwei Schriftstücke (dem Tenor) aufzusuchen haben, oder in beiden; mit anderen Worten: ob auch die Urtheilsgründe rechtskräftig werden.
Es ist einleuchtend, daß beide aufgestellte Fragen an sich ganz verschieden sind, und daß in beiden der Ausdruck: Gründe, nach deren Rechtskraft man fragt, eine verschie- dene Bedeutung hat. Die erste Frage geht in das Wesen der Sache ein, und muß unter allen Umständen beantwor- tet werden. Die zweite Frage hat eine mehr formelle Natur, und kann nur vorkommen unter Voraussetzung einer besondern Einrichtung der geschriebenen Urtheile, die ganz zufällig, und nichts weniger als allgemein ist. Der Verschiedenheit dieser beiden Fragen aber pflegen sich die Schriftsteller oft gar nicht bewußt zu werden, welche die Rechtskraft der Gründe in Frage stellen, verneinen oder bejahen; sie verfahren dabei so, als wäre in dieser ganzen Sache nur eine einzige Frage zu beantworten. Allerdings beschäftigen sie sich meist scheinbar nur mit der zweiten Frage, aber diese hat selbst nur Werth und Wichtigkeit, insofern die erste Frage unvermerkt in dieselbe hinein spielt.
VI. 23
§. 291. Rechtskraft der Gründe.
Gerichtshöfen üblich iſt, neben jedem ausgeſprochenen Ur- theil eine ausführliche Rechtfertigung deſſelben aufzuſtellen, die den Namen führt: Urtheilsgründe, oder auch: Zweifels- und Entſcheidungsgründe. Der Sinn der eben aufgeworfenen zweiten Frage geht alſo dahin, ob wir Dasjenige, welches rechtskräftig werden ſoll, blos in dem einen jener zwei Schriftſtücke (dem Tenor) aufzuſuchen haben, oder in beiden; mit anderen Worten: ob auch die Urtheilsgründe rechtskräftig werden.
Es iſt einleuchtend, daß beide aufgeſtellte Fragen an ſich ganz verſchieden ſind, und daß in beiden der Ausdruck: Gründe, nach deren Rechtskraft man fragt, eine verſchie- dene Bedeutung hat. Die erſte Frage geht in das Weſen der Sache ein, und muß unter allen Umſtänden beantwor- tet werden. Die zweite Frage hat eine mehr formelle Natur, und kann nur vorkommen unter Vorausſetzung einer beſondern Einrichtung der geſchriebenen Urtheile, die ganz zufällig, und nichts weniger als allgemein iſt. Der Verſchiedenheit dieſer beiden Fragen aber pflegen ſich die Schriftſteller oft gar nicht bewußt zu werden, welche die Rechtskraft der Gründe in Frage ſtellen, verneinen oder bejahen; ſie verfahren dabei ſo, als wäre in dieſer ganzen Sache nur eine einzige Frage zu beantworten. Allerdings beſchäftigen ſie ſich meiſt ſcheinbar nur mit der zweiten Frage, aber dieſe hat ſelbſt nur Werth und Wichtigkeit, inſofern die erſte Frage unvermerkt in dieſelbe hinein ſpielt.
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§. 291. Rechtskraft der Gründe.
Gerichtshöfen üblich iſt, neben jedem ausgeſprochenen Ur-
theil eine ausführliche Rechtfertigung deſſelben aufzuſtellen,
die den Namen führt: Urtheilsgründe, oder auch:
Zweifels- und Entſcheidungsgründe. Der Sinn
der eben aufgeworfenen zweiten Frage geht alſo dahin, ob
wir Dasjenige, welches rechtskräftig werden ſoll, blos in
dem einen jener zwei Schriftſtücke (dem Tenor) aufzuſuchen
haben, oder in beiden; mit anderen Worten: ob auch die
Urtheilsgründe rechtskräftig werden.
Es iſt einleuchtend, daß beide aufgeſtellte Fragen an
ſich ganz verſchieden ſind, und daß in beiden der Ausdruck:
Gründe, nach deren Rechtskraft man fragt, eine verſchie-
dene Bedeutung hat. Die erſte Frage geht in das Weſen
der Sache ein, und muß unter allen Umſtänden beantwor-
tet werden. Die zweite Frage hat eine mehr formelle
Natur, und kann nur vorkommen unter Vorausſetzung
einer beſondern Einrichtung der geſchriebenen Urtheile, die
ganz zufällig, und nichts weniger als allgemein iſt. Der
Verſchiedenheit dieſer beiden Fragen aber pflegen ſich die
Schriftſteller oft gar nicht bewußt zu werden, welche die
Rechtskraft der Gründe in Frage ſtellen, verneinen oder
bejahen; ſie verfahren dabei ſo, als wäre in dieſer ganzen
Sache nur eine einzige Frage zu beantworten. Allerdings
beſchäftigen ſie ſich meiſt ſcheinbar nur mit der zweiten
Frage, aber dieſe hat ſelbſt nur Werth und Wichtigkeit,
inſofern die erſte Frage unvermerkt in dieſelbe hinein ſpielt.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/371>, abgerufen am 24.11.2024.
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