Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
sprüche ex eadem causa, ex eodem negotio, und diese
Voraussetzung erhält eine nicht geringe Bestätigung durch
die Schlußworte: eum habere et contra se judicem in eo-
dem negotio,
non dedignetur
(a).

War nun in einem solchen Fall die Widerklage gleich
bei der Litiscontestation angebracht, und in Folge derselben
die Formel gegeben: quidquid alterum alteri dare facere
oportet
(§ 289), so verstand sich schon lange vor Papi-
nian
die Befugniß des Richters zur Verurtheilung des
ursprünglichen Klägers (der zugleich Widerbeklagter war)
so sehr von selbst, daß unmöglich die Anerkennung dieser
Befugniß als ein besonderer und neuer Gedanke Papi-
nian's
angesehen werden konnte.

Wenn dagegen Anfangs der Beklagte annahm, seine
Gegenforderung werde der Hauptforderung nicht gleichkom-
men, in welchem Fall die Einrede der Compensation aus-
reichte, wenn er deswegen jene Formel zu begehren ver-
säumte, und erst während des Prozesses einsah, daß er
mehr, als sein Gegner, zu fordern habe, dann konnte noch
zur Zeit des Gajus eine Verurtheilung des ursprüng-
lichen Klägers nicht erfolgen, vielmehr mußte deshalb eine
neue Klage angestellt werden. Papinian's neue Mei-
nung scheint nun dahin gegangen zu seyn, auch in diesem

(a) Ich betrachte also diese Worte
als bedeutend nur in Verbindung
mit den angeführten übrigen Grün-
den, und bestreite nicht, daß sie für
sich allein auch so verstanden werden
könnten: in demselben Prozesse.
Diese letzte Erklärung vertheidigt
ausführlich Sartorius Wider-
klage S. 319. 323--329.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
ſprüche ex eadem causa, ex eodem negotio, und dieſe
Vorausſetzung erhält eine nicht geringe Beſtätigung durch
die Schlußworte: eum habere et contra se judicem in eo-
dem negotio,
non dedignetur
(a).

War nun in einem ſolchen Fall die Widerklage gleich
bei der Litisconteſtation angebracht, und in Folge derſelben
die Formel gegeben: quidquid alterum alteri dare facere
oportet
(§ 289), ſo verſtand ſich ſchon lange vor Papi-
nian
die Befugniß des Richters zur Verurtheilung des
urſprünglichen Klägers (der zugleich Widerbeklagter war)
ſo ſehr von ſelbſt, daß unmöglich die Anerkennung dieſer
Befugniß als ein beſonderer und neuer Gedanke Papi-
nian’s
angeſehen werden konnte.

Wenn dagegen Anfangs der Beklagte annahm, ſeine
Gegenforderung werde der Hauptforderung nicht gleichkom-
men, in welchem Fall die Einrede der Compenſation aus-
reichte, wenn er deswegen jene Formel zu begehren ver-
ſäumte, und erſt während des Prozeſſes einſah, daß er
mehr, als ſein Gegner, zu fordern habe, dann konnte noch
zur Zeit des Gajus eine Verurtheilung des urſprüng-
lichen Klägers nicht erfolgen, vielmehr mußte deshalb eine
neue Klage angeſtellt werden. Papinian’s neue Mei-
nung ſcheint nun dahin gegangen zu ſeyn, auch in dieſem

(a) Ich betrachte alſo dieſe Worte
als bedeutend nur in Verbindung
mit den angeführten übrigen Grün-
den, und beſtreite nicht, daß ſie für
ſich allein auch ſo verſtanden werden
könnten: in demſelben Prozeſſe.
Dieſe letzte Erklärung vertheidigt
ausführlich Sartorius Wider-
klage S. 319. 323—329.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0358" n="340"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
&#x017F;prüche <hi rendition="#aq">ex eadem causa, ex eodem negotio,</hi> und die&#x017F;e<lb/>
Voraus&#x017F;etzung erhält eine nicht geringe Be&#x017F;tätigung durch<lb/>
die Schlußworte: <hi rendition="#aq">eum habere et contra se judicem <hi rendition="#i">in eo-<lb/>
dem negotio,</hi> non dedignetur</hi> <note place="foot" n="(a)">Ich betrachte al&#x017F;o die&#x017F;e Worte<lb/>
als bedeutend nur in Verbindung<lb/>
mit den angeführten übrigen Grün-<lb/>
den, und be&#x017F;treite nicht, daß &#x017F;ie für<lb/>
&#x017F;ich allein auch &#x017F;o ver&#x017F;tanden werden<lb/>
könnten: in dem&#x017F;elben <hi rendition="#g">Proze&#x017F;&#x017F;e</hi>.<lb/>
Die&#x017F;e letzte Erklärung vertheidigt<lb/>
ausführlich <hi rendition="#g">Sartorius</hi> Wider-<lb/>
klage S. 319. 323&#x2014;329.</note>.</p><lb/>
            <p>War nun in einem &#x017F;olchen Fall die Widerklage gleich<lb/>
bei der Litisconte&#x017F;tation angebracht, und in Folge der&#x017F;elben<lb/>
die Formel gegeben: <hi rendition="#aq">quidquid <hi rendition="#i">alterum alteri</hi> dare facere<lb/>
oportet</hi> (§ 289), &#x017F;o ver&#x017F;tand &#x017F;ich &#x017F;chon lange vor <hi rendition="#g">Papi-<lb/>
nian</hi> die Befugniß des Richters zur Verurtheilung des<lb/>
ur&#x017F;prünglichen Klägers (der zugleich Widerbeklagter war)<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr von &#x017F;elb&#x017F;t, daß unmöglich die Anerkennung <hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi><lb/>
Befugniß als ein be&#x017F;onderer und neuer Gedanke <hi rendition="#g">Papi-<lb/>
nian&#x2019;s</hi> ange&#x017F;ehen werden konnte.</p><lb/>
            <p>Wenn dagegen Anfangs der Beklagte annahm, &#x017F;eine<lb/>
Gegenforderung werde der Hauptforderung nicht gleichkom-<lb/>
men, in welchem Fall die Einrede der Compen&#x017F;ation aus-<lb/>
reichte, wenn er deswegen jene Formel zu begehren ver-<lb/>
&#x017F;äumte, und er&#x017F;t während des Proze&#x017F;&#x017F;es ein&#x017F;ah, daß er<lb/>
mehr, als &#x017F;ein Gegner, zu fordern habe, dann konnte noch<lb/>
zur Zeit des <hi rendition="#g">Gajus</hi> eine Verurtheilung des ur&#x017F;prüng-<lb/>
lichen Klägers nicht erfolgen, vielmehr mußte deshalb eine<lb/>
neue Klage ange&#x017F;tellt werden. <hi rendition="#g">Papinian</hi>&#x2019;s neue Mei-<lb/>
nung &#x017F;cheint nun dahin gegangen zu &#x017F;eyn, auch in die&#x017F;em<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0358] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. ſprüche ex eadem causa, ex eodem negotio, und dieſe Vorausſetzung erhält eine nicht geringe Beſtätigung durch die Schlußworte: eum habere et contra se judicem in eo- dem negotio, non dedignetur (a). War nun in einem ſolchen Fall die Widerklage gleich bei der Litisconteſtation angebracht, und in Folge derſelben die Formel gegeben: quidquid alterum alteri dare facere oportet (§ 289), ſo verſtand ſich ſchon lange vor Papi- nian die Befugniß des Richters zur Verurtheilung des urſprünglichen Klägers (der zugleich Widerbeklagter war) ſo ſehr von ſelbſt, daß unmöglich die Anerkennung dieſer Befugniß als ein beſonderer und neuer Gedanke Papi- nian’s angeſehen werden konnte. Wenn dagegen Anfangs der Beklagte annahm, ſeine Gegenforderung werde der Hauptforderung nicht gleichkom- men, in welchem Fall die Einrede der Compenſation aus- reichte, wenn er deswegen jene Formel zu begehren ver- ſäumte, und erſt während des Prozeſſes einſah, daß er mehr, als ſein Gegner, zu fordern habe, dann konnte noch zur Zeit des Gajus eine Verurtheilung des urſprüng- lichen Klägers nicht erfolgen, vielmehr mußte deshalb eine neue Klage angeſtellt werden. Papinian’s neue Mei- nung ſcheint nun dahin gegangen zu ſeyn, auch in dieſem (a) Ich betrachte alſo dieſe Worte als bedeutend nur in Verbindung mit den angeführten übrigen Grün- den, und beſtreite nicht, daß ſie für ſich allein auch ſo verſtanden werden könnten: in demſelben Prozeſſe. Dieſe letzte Erklärung vertheidigt ausführlich Sartorius Wider- klage S. 319. 323—329.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/358
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/358>, abgerufen am 24.11.2024.