sprüche ex eadem causa, ex eodem negotio, und diese Voraussetzung erhält eine nicht geringe Bestätigung durch die Schlußworte: eum habere et contra se judicem in eo- dem negotio, non dedignetur(a).
War nun in einem solchen Fall die Widerklage gleich bei der Litiscontestation angebracht, und in Folge derselben die Formel gegeben: quidquid alterum alteri dare facere oportet (§ 289), so verstand sich schon lange vor Papi- nian die Befugniß des Richters zur Verurtheilung des ursprünglichen Klägers (der zugleich Widerbeklagter war) so sehr von selbst, daß unmöglich die Anerkennung dieser Befugniß als ein besonderer und neuer Gedanke Papi- nian's angesehen werden konnte.
Wenn dagegen Anfangs der Beklagte annahm, seine Gegenforderung werde der Hauptforderung nicht gleichkom- men, in welchem Fall die Einrede der Compensation aus- reichte, wenn er deswegen jene Formel zu begehren ver- säumte, und erst während des Prozesses einsah, daß er mehr, als sein Gegner, zu fordern habe, dann konnte noch zur Zeit des Gajus eine Verurtheilung des ursprüng- lichen Klägers nicht erfolgen, vielmehr mußte deshalb eine neue Klage angestellt werden. Papinian's neue Mei- nung scheint nun dahin gegangen zu seyn, auch in diesem
(a) Ich betrachte also diese Worte als bedeutend nur in Verbindung mit den angeführten übrigen Grün- den, und bestreite nicht, daß sie für sich allein auch so verstanden werden könnten: in demselben Prozesse. Diese letzte Erklärung vertheidigt ausführlich Sartorius Wider- klage S. 319. 323--329.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
ſprüche ex eadem causa, ex eodem negotio, und dieſe Vorausſetzung erhält eine nicht geringe Beſtätigung durch die Schlußworte: eum habere et contra se judicem in eo- dem negotio, non dedignetur(a).
War nun in einem ſolchen Fall die Widerklage gleich bei der Litisconteſtation angebracht, und in Folge derſelben die Formel gegeben: quidquid alterum alteri dare facere oportet (§ 289), ſo verſtand ſich ſchon lange vor Papi- nian die Befugniß des Richters zur Verurtheilung des urſprünglichen Klägers (der zugleich Widerbeklagter war) ſo ſehr von ſelbſt, daß unmöglich die Anerkennung dieſer Befugniß als ein beſonderer und neuer Gedanke Papi- nian’s angeſehen werden konnte.
Wenn dagegen Anfangs der Beklagte annahm, ſeine Gegenforderung werde der Hauptforderung nicht gleichkom- men, in welchem Fall die Einrede der Compenſation aus- reichte, wenn er deswegen jene Formel zu begehren ver- ſäumte, und erſt während des Prozeſſes einſah, daß er mehr, als ſein Gegner, zu fordern habe, dann konnte noch zur Zeit des Gajus eine Verurtheilung des urſprüng- lichen Klägers nicht erfolgen, vielmehr mußte deshalb eine neue Klage angeſtellt werden. Papinian’s neue Mei- nung ſcheint nun dahin gegangen zu ſeyn, auch in dieſem
(a) Ich betrachte alſo dieſe Worte als bedeutend nur in Verbindung mit den angeführten übrigen Grün- den, und beſtreite nicht, daß ſie für ſich allein auch ſo verſtanden werden könnten: in demſelben Prozeſſe. Dieſe letzte Erklärung vertheidigt ausführlich Sartorius Wider- klage S. 319. 323—329.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
ſprüche ex eadem causa, ex eodem negotio, und dieſe
Vorausſetzung erhält eine nicht geringe Beſtätigung durch
die Schlußworte: eum habere et contra se judicem in eo-
dem negotio, non dedignetur (a).
War nun in einem ſolchen Fall die Widerklage gleich
bei der Litisconteſtation angebracht, und in Folge derſelben
die Formel gegeben: quidquid alterum alteri dare facere
oportet (§ 289), ſo verſtand ſich ſchon lange vor Papi-
nian die Befugniß des Richters zur Verurtheilung des
urſprünglichen Klägers (der zugleich Widerbeklagter war)
ſo ſehr von ſelbſt, daß unmöglich die Anerkennung dieſer
Befugniß als ein beſonderer und neuer Gedanke Papi-
nian’s angeſehen werden konnte.
Wenn dagegen Anfangs der Beklagte annahm, ſeine
Gegenforderung werde der Hauptforderung nicht gleichkom-
men, in welchem Fall die Einrede der Compenſation aus-
reichte, wenn er deswegen jene Formel zu begehren ver-
ſäumte, und erſt während des Prozeſſes einſah, daß er
mehr, als ſein Gegner, zu fordern habe, dann konnte noch
zur Zeit des Gajus eine Verurtheilung des urſprüng-
lichen Klägers nicht erfolgen, vielmehr mußte deshalb eine
neue Klage angeſtellt werden. Papinian’s neue Mei-
nung ſcheint nun dahin gegangen zu ſeyn, auch in dieſem
(a) Ich betrachte alſo dieſe Worte
als bedeutend nur in Verbindung
mit den angeführten übrigen Grün-
den, und beſtreite nicht, daß ſie für
ſich allein auch ſo verſtanden werden
könnten: in demſelben Prozeſſe.
Dieſe letzte Erklärung vertheidigt
ausführlich Sartorius Wider-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/358>, abgerufen am 22.07.2024.
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