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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Von dem Juder ging die Berufung an die Obrigkeit,
die ihn bestellt hatte, nie an eine andere oder höhere Obrig-
keit (l); vom Prätor an den Präfecten der Stadt, von
diesem aufwärts an den Kaiser (m).

So bestand diese Einrichtung Jahrhunderte lang neben
dem alten ordo judiciorum, und als ein demselben einge-
fügter völlig neuer Bestandtheil. Denn es muß wohl be-
merkt werden, daß jede höhere Instanz extra ordinem
vollzogen wurde (n), indem über eine Berufung die Obrig-
keit der höheren Instanz stets in eigener Person, ohne
Judex, entschied. So fand sich also in diesem langen Zeit-
raum die merkwürdige Erscheinung, daß gerade der höhere
und mächtigere Theil der Rechtspflege außer derjenigen
Form lag, die noch stets als die regelmäßige Grundlage
der ganzen Gerichtsverfassung anerkannt wurde. Indessen
würde es unrichtig seyn, diese Erscheinung als eine In-
consequenz anzusehen, oder auch als ein Zeichen, daß man
die erwähnte Grundlage gering geachtet und vielleicht
aufzugeben schon damals beschlossen habe. Der Grund der-
selben liegt vielmehr in dem Wesen des Gerichtsverfahrens
selbst. Die ganze richterliche Thätigkeit läßt sich auf zwei

(l) L. 1 § 3 L. 21 § 1 de
appell.
(49. 1), L. 1 pr. L. 3
quis a quo
(49. 3). -- Alle diese
Stellen sind aus sehr später Zeit,
es ist aber weder unmöglich, noch
unwahrscheinlich, daß die Beru-
fung vom Judex an den Prätor
von Anfang an eintrat, sobald
nur überhaupt die Berufung an
den Kaiser das ganze Institut der
Instanzen hervorgerufen hatte.
(m) L. 38 pr. de minor.
(4. 4).
(n) Hollweg Prozeß B. 1
S. 348.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Von dem Juder ging die Berufung an die Obrigkeit,
die ihn beſtellt hatte, nie an eine andere oder höhere Obrig-
keit (l); vom Prätor an den Präfecten der Stadt, von
dieſem aufwärts an den Kaiſer (m).

So beſtand dieſe Einrichtung Jahrhunderte lang neben
dem alten ordo judiciorum, und als ein demſelben einge-
fügter völlig neuer Beſtandtheil. Denn es muß wohl be-
merkt werden, daß jede höhere Inſtanz extra ordinem
vollzogen wurde (n), indem über eine Berufung die Obrig-
keit der höheren Inſtanz ſtets in eigener Perſon, ohne
Judex, entſchied. So fand ſich alſo in dieſem langen Zeit-
raum die merkwürdige Erſcheinung, daß gerade der höhere
und mächtigere Theil der Rechtspflege außer derjenigen
Form lag, die noch ſtets als die regelmäßige Grundlage
der ganzen Gerichtsverfaſſung anerkannt wurde. Indeſſen
würde es unrichtig ſeyn, dieſe Erſcheinung als eine In-
conſequenz anzuſehen, oder auch als ein Zeichen, daß man
die erwähnte Grundlage gering geachtet und vielleicht
aufzugeben ſchon damals beſchloſſen habe. Der Grund der-
ſelben liegt vielmehr in dem Weſen des Gerichtsverfahrens
ſelbſt. Die ganze richterliche Thätigkeit läßt ſich auf zwei

(l) L. 1 § 3 L. 21 § 1 de
appell.
(49. 1), L. 1 pr. L. 3
quis a quo
(49. 3). — Alle dieſe
Stellen ſind aus ſehr ſpäter Zeit,
es iſt aber weder unmöglich, noch
unwahrſcheinlich, daß die Beru-
fung vom Judex an den Prätor
von Anfang an eintrat, ſobald
nur überhaupt die Berufung an
den Kaiſer das ganze Inſtitut der
Inſtanzen hervorgerufen hatte.
(m) L. 38 pr. de minor.
(4. 4).
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S. 348.
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[294/0312] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Von dem Juder ging die Berufung an die Obrigkeit, die ihn beſtellt hatte, nie an eine andere oder höhere Obrig- keit (l); vom Prätor an den Präfecten der Stadt, von dieſem aufwärts an den Kaiſer (m). So beſtand dieſe Einrichtung Jahrhunderte lang neben dem alten ordo judiciorum, und als ein demſelben einge- fügter völlig neuer Beſtandtheil. Denn es muß wohl be- merkt werden, daß jede höhere Inſtanz extra ordinem vollzogen wurde (n), indem über eine Berufung die Obrig- keit der höheren Inſtanz ſtets in eigener Perſon, ohne Judex, entſchied. So fand ſich alſo in dieſem langen Zeit- raum die merkwürdige Erſcheinung, daß gerade der höhere und mächtigere Theil der Rechtspflege außer derjenigen Form lag, die noch ſtets als die regelmäßige Grundlage der ganzen Gerichtsverfaſſung anerkannt wurde. Indeſſen würde es unrichtig ſeyn, dieſe Erſcheinung als eine In- conſequenz anzuſehen, oder auch als ein Zeichen, daß man die erwähnte Grundlage gering geachtet und vielleicht aufzugeben ſchon damals beſchloſſen habe. Der Grund der- ſelben liegt vielmehr in dem Weſen des Gerichtsverfahrens ſelbſt. Die ganze richterliche Thätigkeit läßt ſich auf zwei (l) L. 1 § 3 L. 21 § 1 de appell. (49. 1), L. 1 pr. L. 3 quis a quo (49. 3). — Alle dieſe Stellen ſind aus ſehr ſpäter Zeit, es iſt aber weder unmöglich, noch unwahrſcheinlich, daß die Beru- fung vom Judex an den Prätor von Anfang an eintrat, ſobald nur überhaupt die Berufung an den Kaiſer das ganze Inſtitut der Inſtanzen hervorgerufen hatte. (m) L. 38 pr. de minor. (4. 4). (n) Hollweg Prozeß B. 1 S. 348.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/312>, abgerufen am 24.11.2024.