von einem höheren Standpunkt aus in Einheit aufzu- lösen.
Diese Auflösung hat, eben so wie die bisher abgehan- delten Stücke des Rechtsstreits, ihre formelle und ihre materielle Seite. Jene besteht bei dem ganzen Rechtsstreit in der Thätigkeit der Parteien und des Richters, also in der Form und Einrichtung der Prozeßhandlungen, ihrer Folge und ihrem Zusammenhang; insbesondere bei dem Theil des Rechtsstreits, wovon gegenwärtig die Rede ist, in der Art, wie der Richter zum Ausspruch eines Urtheils gelangt, so wie in der Form und dem Inhalt des Ur- theils. -- Die materielle Seite des Urtheils besteht in der Rückwirkung desselben auf den Inhalt und Umfang der Rechte selbst; sie allein gehört zur Aufgabe unsres Rechts- systems, und bildet in demselben einen Theil des Actio- nenrechts (§ 204).
Diese Lehre gehört unter die wichtigsten des ganzen Rechtssystems. Sie ist von sehr häufiger Anwendung, und die Wirkungen derselben sind noch bedeutender, als die der Litiscontestation. Daher muß es auffallen, daß gerade diese Lehre sowohl in Vorlesungen als in Rechtssystemen meist vernachlässigt worden ist, und auch durch besondere Schriften keine hinreichende Bearbeitung erfahren hat (b). Selbst in umfassenden neueren Gesetzgebungen ist derselben nur geringe Beachtung zu Theil geworden.
(b) Diese auffallende Vernachlässigung wird gerügt von Puchta im rhein. Museum B. 2 S. 251.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
von einem höheren Standpunkt aus in Einheit aufzu- löſen.
Dieſe Auflöſung hat, eben ſo wie die bisher abgehan- delten Stücke des Rechtsſtreits, ihre formelle und ihre materielle Seite. Jene beſteht bei dem ganzen Rechtsſtreit in der Thätigkeit der Parteien und des Richters, alſo in der Form und Einrichtung der Prozeßhandlungen, ihrer Folge und ihrem Zuſammenhang; insbeſondere bei dem Theil des Rechtsſtreits, wovon gegenwärtig die Rede iſt, in der Art, wie der Richter zum Ausſpruch eines Urtheils gelangt, ſo wie in der Form und dem Inhalt des Ur- theils. — Die materielle Seite des Urtheils beſteht in der Rückwirkung deſſelben auf den Inhalt und Umfang der Rechte ſelbſt; ſie allein gehört zur Aufgabe unſres Rechts- ſyſtems, und bildet in demſelben einen Theil des Actio- nenrechts (§ 204).
Dieſe Lehre gehört unter die wichtigſten des ganzen Rechtsſyſtems. Sie iſt von ſehr häufiger Anwendung, und die Wirkungen derſelben ſind noch bedeutender, als die der Litisconteſtation. Daher muß es auffallen, daß gerade dieſe Lehre ſowohl in Vorleſungen als in Rechtsſyſtemen meiſt vernachläſſigt worden iſt, und auch durch beſondere Schriften keine hinreichende Bearbeitung erfahren hat (b). Selbſt in umfaſſenden neueren Geſetzgebungen iſt derſelben nur geringe Beachtung zu Theil geworden.
(b) Dieſe auffallende Vernachläſſigung wird gerügt von Puchta im rhein. Muſeum B. 2 S. 251.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0276"n="258"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
von einem höheren Standpunkt aus in Einheit aufzu-<lb/>
löſen.</p><lb/><p>Dieſe Auflöſung hat, eben ſo wie die bisher abgehan-<lb/>
delten Stücke des Rechtsſtreits, ihre formelle und ihre<lb/>
materielle Seite. Jene beſteht bei dem ganzen Rechtsſtreit<lb/>
in der Thätigkeit der Parteien und des Richters, alſo in<lb/>
der Form und Einrichtung der Prozeßhandlungen, ihrer<lb/>
Folge und ihrem Zuſammenhang; insbeſondere bei dem<lb/>
Theil des Rechtsſtreits, wovon gegenwärtig die Rede iſt,<lb/>
in der Art, wie der Richter zum Ausſpruch eines Urtheils<lb/>
gelangt, ſo wie in der Form und dem Inhalt des Ur-<lb/>
theils. — Die materielle Seite des Urtheils beſteht in der<lb/>
Rückwirkung deſſelben auf den Inhalt und Umfang der<lb/>
Rechte ſelbſt; ſie allein gehört zur Aufgabe unſres Rechts-<lb/>ſyſtems, und bildet in demſelben einen Theil des <hirendition="#g">Actio-<lb/>
nenrechts</hi> (§ 204).</p><lb/><p>Dieſe Lehre gehört unter die wichtigſten des ganzen<lb/>
Rechtsſyſtems. Sie iſt von ſehr häufiger Anwendung, und<lb/>
die Wirkungen derſelben ſind noch bedeutender, als die der<lb/>
Litisconteſtation. Daher muß es auffallen, daß gerade<lb/>
dieſe Lehre ſowohl in Vorleſungen als in Rechtsſyſtemen<lb/>
meiſt vernachläſſigt worden iſt, und auch durch beſondere<lb/>
Schriften keine hinreichende Bearbeitung erfahren hat <noteplace="foot"n="(b)">Dieſe auffallende Vernachläſſigung wird gerügt von <hirendition="#g">Puchta</hi><lb/>
im rhein. Muſeum B. 2 S. 251.</note>.<lb/>
Selbſt in umfaſſenden neueren Geſetzgebungen iſt derſelben<lb/>
nur geringe Beachtung zu Theil geworden.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[258/0276]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
von einem höheren Standpunkt aus in Einheit aufzu-
löſen.
Dieſe Auflöſung hat, eben ſo wie die bisher abgehan-
delten Stücke des Rechtsſtreits, ihre formelle und ihre
materielle Seite. Jene beſteht bei dem ganzen Rechtsſtreit
in der Thätigkeit der Parteien und des Richters, alſo in
der Form und Einrichtung der Prozeßhandlungen, ihrer
Folge und ihrem Zuſammenhang; insbeſondere bei dem
Theil des Rechtsſtreits, wovon gegenwärtig die Rede iſt,
in der Art, wie der Richter zum Ausſpruch eines Urtheils
gelangt, ſo wie in der Form und dem Inhalt des Ur-
theils. — Die materielle Seite des Urtheils beſteht in der
Rückwirkung deſſelben auf den Inhalt und Umfang der
Rechte ſelbſt; ſie allein gehört zur Aufgabe unſres Rechts-
ſyſtems, und bildet in demſelben einen Theil des Actio-
nenrechts (§ 204).
Dieſe Lehre gehört unter die wichtigſten des ganzen
Rechtsſyſtems. Sie iſt von ſehr häufiger Anwendung, und
die Wirkungen derſelben ſind noch bedeutender, als die der
Litisconteſtation. Daher muß es auffallen, daß gerade
dieſe Lehre ſowohl in Vorleſungen als in Rechtsſyſtemen
meiſt vernachläſſigt worden iſt, und auch durch beſondere
Schriften keine hinreichende Bearbeitung erfahren hat (b).
Selbſt in umfaſſenden neueren Geſetzgebungen iſt derſelben
nur geringe Beachtung zu Theil geworden.
(b) Dieſe auffallende Vernachläſſigung wird gerügt von Puchta
im rhein. Muſeum B. 2 S. 251.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/276>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.