Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 279. Stellung der L. C. im heutigen Recht. (Forts.)
tianum bei der Erbrechtsklage der große Fortschritt gemacht
worden, nicht mehr bei der L. C. stehen zu bleiben, sondern
jene Wirkungen in einem früheren Zeitpunkt eintreten zu
lassen. Es liege nur an der einsichtslosen Justinianischen
Compilation, wenn dieser Gedanke nicht rein und allge-
mein durchgeführt erscheine, sondern Altes und Neues un-
verbunden neben einander liege. Wir aber handelten ganz
im Sinn der Entwicklung des R. R., wenn wir jene
Durchführung noch jetzt vornähmen, den Gedanken Ha-
drians
generalisirten, und Alles von der Vorladung ab-
hängig machten (h).

Diese Auffassung muß ich für durchaus verwerflich
erklären. Ob es überhaupt besser ist, die Vorladung oder
die L. C. an die Spitze zu stellen und als entscheidenden
Punkt zu behandeln, läßt sich im Allgemeinen nicht sagen;
es hängt von der Einrichtung des ganzen Prozeßverfahrens
ab. So lange der alte ordo judiciorum in seiner Reinheit
und Vollständigkeit bestand (wie ganz gewiß in Hadrians
Zeit), war die alte Stellung der L. C. dem Zweck des
Prozesses völlig entsprechend, also durchaus gut und keiner
Veränderung bedürftig. Hadrians Neuerungen hierin sind
auch gar nicht aus der Absicht einer Vervollkommnung des
Prozeßrechts im Allgemeinen entsprungen, sondern lediglich
aus den ganz eigenthümlichen Bedürfnissen der Erbrechtsklage.
Hätte er die ihm untergeschobene Absicht eines Fortschritts

(h) Mehr oder weniger liegt
der im Text entwickelte und be-
kämpfte Gedanke bei den Meisten
stillschweigend zum Grunde. Am
vollständigsten ausgebildet findet
er sich bei Kierulff S. 280
bis 284.

§. 279. Stellung der L. C. im heutigen Recht. (Fortſ.)
tianum bei der Erbrechtsklage der große Fortſchritt gemacht
worden, nicht mehr bei der L. C. ſtehen zu bleiben, ſondern
jene Wirkungen in einem früheren Zeitpunkt eintreten zu
laſſen. Es liege nur an der einſichtsloſen Juſtinianiſchen
Compilation, wenn dieſer Gedanke nicht rein und allge-
mein durchgeführt erſcheine, ſondern Altes und Neues un-
verbunden neben einander liege. Wir aber handelten ganz
im Sinn der Entwicklung des R. R., wenn wir jene
Durchführung noch jetzt vornähmen, den Gedanken Ha-
drians
generaliſirten, und Alles von der Vorladung ab-
hängig machten (h).

Dieſe Auffaſſung muß ich für durchaus verwerflich
erklären. Ob es überhaupt beſſer iſt, die Vorladung oder
die L. C. an die Spitze zu ſtellen und als entſcheidenden
Punkt zu behandeln, läßt ſich im Allgemeinen nicht ſagen;
es hängt von der Einrichtung des ganzen Prozeßverfahrens
ab. So lange der alte ordo judiciorum in ſeiner Reinheit
und Vollſtändigkeit beſtand (wie ganz gewiß in Hadrians
Zeit), war die alte Stellung der L. C. dem Zweck des
Prozeſſes völlig entſprechend, alſo durchaus gut und keiner
Veränderung bedürftig. Hadrians Neuerungen hierin ſind
auch gar nicht aus der Abſicht einer Vervollkommnung des
Prozeßrechts im Allgemeinen entſprungen, ſondern lediglich
aus den ganz eigenthümlichen Bedürfniſſen der Erbrechtsklage.
Hätte er die ihm untergeſchobene Abſicht eines Fortſchritts

(h) Mehr oder weniger liegt
der im Text entwickelte und be-
kämpfte Gedanke bei den Meiſten
ſtillſchweigend zum Grunde. Am
vollſtändigſten ausgebildet findet
er ſich bei Kierulff S. 280
bis 284.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0271" n="253"/><fw place="top" type="header">§. 279. Stellung der L. C. im heutigen Recht. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/><hi rendition="#aq">tianum</hi> bei der Erbrechtsklage der große Fort&#x017F;chritt gemacht<lb/>
worden, nicht mehr bei der L. C. &#x017F;tehen zu bleiben, &#x017F;ondern<lb/>
jene Wirkungen in einem früheren Zeitpunkt eintreten zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Es liege nur an der ein&#x017F;ichtslo&#x017F;en Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen<lb/>
Compilation, wenn die&#x017F;er Gedanke nicht rein und allge-<lb/>
mein durchgeführt er&#x017F;cheine, &#x017F;ondern Altes und Neues un-<lb/>
verbunden neben einander liege. Wir aber handelten ganz<lb/>
im Sinn der Entwicklung des R. R., wenn wir jene<lb/>
Durchführung noch jetzt vornähmen, den Gedanken <hi rendition="#g">Ha-<lb/>
drians</hi> generali&#x017F;irten, und Alles von der Vorladung ab-<lb/>
hängig machten <note place="foot" n="(h)">Mehr oder weniger liegt<lb/>
der im Text entwickelte und be-<lb/>
kämpfte Gedanke bei den Mei&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;till&#x017F;chweigend zum Grunde. Am<lb/>
voll&#x017F;tändig&#x017F;ten ausgebildet findet<lb/>
er &#x017F;ich bei <hi rendition="#g">Kierulff</hi> S. 280<lb/>
bis 284.</note>.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Auffa&#x017F;&#x017F;ung muß ich für durchaus verwerflich<lb/>
erklären. Ob es überhaupt be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t, die Vorladung oder<lb/>
die L. C. an die Spitze zu &#x017F;tellen und als ent&#x017F;cheidenden<lb/>
Punkt zu behandeln, läßt &#x017F;ich im Allgemeinen nicht &#x017F;agen;<lb/>
es hängt von der Einrichtung des ganzen Prozeßverfahrens<lb/>
ab. So lange der alte <hi rendition="#aq">ordo judiciorum</hi> in &#x017F;einer Reinheit<lb/>
und Voll&#x017F;tändigkeit be&#x017F;tand (wie ganz gewiß in <hi rendition="#g">Hadrians</hi><lb/>
Zeit), war die alte Stellung der L. C. dem Zweck des<lb/>
Proze&#x017F;&#x017F;es völlig ent&#x017F;prechend, al&#x017F;o durchaus gut und keiner<lb/>
Veränderung bedürftig. <hi rendition="#g">Hadrians</hi> Neuerungen hierin &#x017F;ind<lb/>
auch gar nicht aus der Ab&#x017F;icht einer Vervollkommnung des<lb/>
Prozeßrechts im Allgemeinen ent&#x017F;prungen, &#x017F;ondern lediglich<lb/>
aus den ganz eigenthümlichen Bedürfni&#x017F;&#x017F;en der Erbrechtsklage.<lb/>
Hätte er die ihm unterge&#x017F;chobene Ab&#x017F;icht eines Fort&#x017F;chritts<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0271] §. 279. Stellung der L. C. im heutigen Recht. (Fortſ.) tianum bei der Erbrechtsklage der große Fortſchritt gemacht worden, nicht mehr bei der L. C. ſtehen zu bleiben, ſondern jene Wirkungen in einem früheren Zeitpunkt eintreten zu laſſen. Es liege nur an der einſichtsloſen Juſtinianiſchen Compilation, wenn dieſer Gedanke nicht rein und allge- mein durchgeführt erſcheine, ſondern Altes und Neues un- verbunden neben einander liege. Wir aber handelten ganz im Sinn der Entwicklung des R. R., wenn wir jene Durchführung noch jetzt vornähmen, den Gedanken Ha- drians generaliſirten, und Alles von der Vorladung ab- hängig machten (h). Dieſe Auffaſſung muß ich für durchaus verwerflich erklären. Ob es überhaupt beſſer iſt, die Vorladung oder die L. C. an die Spitze zu ſtellen und als entſcheidenden Punkt zu behandeln, läßt ſich im Allgemeinen nicht ſagen; es hängt von der Einrichtung des ganzen Prozeßverfahrens ab. So lange der alte ordo judiciorum in ſeiner Reinheit und Vollſtändigkeit beſtand (wie ganz gewiß in Hadrians Zeit), war die alte Stellung der L. C. dem Zweck des Prozeſſes völlig entſprechend, alſo durchaus gut und keiner Veränderung bedürftig. Hadrians Neuerungen hierin ſind auch gar nicht aus der Abſicht einer Vervollkommnung des Prozeßrechts im Allgemeinen entſprungen, ſondern lediglich aus den ganz eigenthümlichen Bedürfniſſen der Erbrechtsklage. Hätte er die ihm untergeſchobene Abſicht eines Fortſchritts (h) Mehr oder weniger liegt der im Text entwickelte und be- kämpfte Gedanke bei den Meiſten ſtillſchweigend zum Grunde. Am vollſtändigſten ausgebildet findet er ſich bei Kierulff S. 280 bis 284.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/271
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/271>, abgerufen am 25.11.2024.