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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
durchführen, so daß es bei ihm nur auf eine strenge und
verständige Ausführung ankommt, um dem practischen Be-
dürfniß wahrhaft zu genügen.

Anders aber steht es mit dem weit wichtigeren, auf
vier regelmäßigen Schriftsätzen beruhenden gemeinen Deut-
schen Prozeß, wie er in allen höheren collegialischen Ge-
richten und auch in vielen Untergerichten, herrschend ge-
worden ist. Es würde eine bloße Täuschung seyn, wenn
man glauben wollte, daß hier die Prozeßvorschriften des
R. R., oder auch der Reichsgesetze, wirklich zur Ausführung
gebracht würden. -- Wollte man den Buchstaben des R. R.
festhalten, und die der L. C. beigelegten Wirkungen an den
Zeitpunkt unsres schriftlichen gemeinen Prozesses anknüpfen,
in welchem gerade dasjenige vorgegangen ist, welches im
R. R. als Inhalt der L. C. vorausgesetzt wird, so müßte
man diesen entscheidenden Abschnitt des Prozesses an das
Ende des ersten Verfahrens setzen, also entweder mit der
Einreichung der Duplik, oder mit der Abfassung des Be-
weis-Interlocuts verknüpfen; denn erst in diesem Zeitpunkt
kann man mit Sicherheit annehmen, daß die Exceptionen,
Replicationen und Duplicationen vorgebracht seyn werden,
so wie es das R. R. für den Zeitpunkt der L. C. unzwei-
felhaft voraussetzt.

Dennoch ist eine so strenge und buchstäbliche Gleichstel-
lung mit der alten L. C. niemals versucht worden, schon
deswegen nicht, weil man von dieser Prozeßhandlung des
R. R. keine hinreichende Kenntniß hatte; auch war dazu

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
durchführen, ſo daß es bei ihm nur auf eine ſtrenge und
verſtändige Ausführung ankommt, um dem practiſchen Be-
dürfniß wahrhaft zu genügen.

Anders aber ſteht es mit dem weit wichtigeren, auf
vier regelmäßigen Schriftſätzen beruhenden gemeinen Deut-
ſchen Prozeß, wie er in allen höheren collegialiſchen Ge-
richten und auch in vielen Untergerichten, herrſchend ge-
worden iſt. Es würde eine bloße Täuſchung ſeyn, wenn
man glauben wollte, daß hier die Prozeßvorſchriften des
R. R., oder auch der Reichsgeſetze, wirklich zur Ausführung
gebracht würden. — Wollte man den Buchſtaben des R. R.
feſthalten, und die der L. C. beigelegten Wirkungen an den
Zeitpunkt unſres ſchriftlichen gemeinen Prozeſſes anknüpfen,
in welchem gerade dasjenige vorgegangen iſt, welches im
R. R. als Inhalt der L. C. vorausgeſetzt wird, ſo müßte
man dieſen entſcheidenden Abſchnitt des Prozeſſes an das
Ende des erſten Verfahrens ſetzen, alſo entweder mit der
Einreichung der Duplik, oder mit der Abfaſſung des Be-
weis-Interlocuts verknüpfen; denn erſt in dieſem Zeitpunkt
kann man mit Sicherheit annehmen, daß die Exceptionen,
Replicationen und Duplicationen vorgebracht ſeyn werden,
ſo wie es das R. R. für den Zeitpunkt der L. C. unzwei-
felhaft vorausſetzt.

Dennoch iſt eine ſo ſtrenge und buchſtäbliche Gleichſtel-
lung mit der alten L. C. niemals verſucht worden, ſchon
deswegen nicht, weil man von dieſer Prozeßhandlung des
R. R. keine hinreichende Kenntniß hatte; auch war dazu

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[238/0256] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. durchführen, ſo daß es bei ihm nur auf eine ſtrenge und verſtändige Ausführung ankommt, um dem practiſchen Be- dürfniß wahrhaft zu genügen. Anders aber ſteht es mit dem weit wichtigeren, auf vier regelmäßigen Schriftſätzen beruhenden gemeinen Deut- ſchen Prozeß, wie er in allen höheren collegialiſchen Ge- richten und auch in vielen Untergerichten, herrſchend ge- worden iſt. Es würde eine bloße Täuſchung ſeyn, wenn man glauben wollte, daß hier die Prozeßvorſchriften des R. R., oder auch der Reichsgeſetze, wirklich zur Ausführung gebracht würden. — Wollte man den Buchſtaben des R. R. feſthalten, und die der L. C. beigelegten Wirkungen an den Zeitpunkt unſres ſchriftlichen gemeinen Prozeſſes anknüpfen, in welchem gerade dasjenige vorgegangen iſt, welches im R. R. als Inhalt der L. C. vorausgeſetzt wird, ſo müßte man dieſen entſcheidenden Abſchnitt des Prozeſſes an das Ende des erſten Verfahrens ſetzen, alſo entweder mit der Einreichung der Duplik, oder mit der Abfaſſung des Be- weis-Interlocuts verknüpfen; denn erſt in dieſem Zeitpunkt kann man mit Sicherheit annehmen, daß die Exceptionen, Replicationen und Duplicationen vorgebracht ſeyn werden, ſo wie es das R. R. für den Zeitpunkt der L. C. unzwei- felhaft vorausſetzt. Dennoch iſt eine ſo ſtrenge und buchſtäbliche Gleichſtel- lung mit der alten L. C. niemals verſucht worden, ſchon deswegen nicht, weil man von dieſer Prozeßhandlung des R. R. keine hinreichende Kenntniß hatte; auch war dazu

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/256>, abgerufen am 22.07.2024.